Sinwar führt nun die Hamas: Wieso das eine Waffenruhe mit Israel weiter gefährden könnte

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Nach dem Tod Hanijas hat die Hamas einen neuen Anführer. al-Sinwar gilt als Hardliner. Seine Ernennung könnte den Gaza-Krieg weiter in die Länge ziehen.

Gaza – Yahya al-Sinwar ist von der Hamas zum neuen Leiter ihres politischen Büros ernannt worden. Damit steht, nach der Tötung des bisherigen politischen Führers, Ismail Hanija, ein militanter Hardliner an der Spitze der Gruppe. Der als gemäßigter geltende Hanija war letzte Woche bei einem Bombenangriff in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet worden. Für diesen machen die Hamas und die iranische Regierung Israel verantwortlich; sie haben Vergeltung angedroht. Tel Aviv hat seine Verantwortung bisher weder bestritten noch bestätigt.

Sinwars Ernennung wurde am Dienstag (6. August) in einer kurzen Erklärung der islamistischen Organisation bekannt gegeben, die von Hamas-nahen iranischen Staatsmedien ausgestrahlt wurde. Der neue militärische Führer der Gruppe, der als einer der Drahtzieher des Angriffs auf Israel am 7. Oktober gilt, hält sich derzeit laut der IDF in einer Reihe von Tunneln unter dem Gazastreifen versteckt. Er ist ein Gründungsmitglied der Hamas und gilt als die mächtigste Figur der Organisation. Die Wahl sei „eine starke Botschaft an die Besatzung [Israel; Anm. d. Red.], dass die Hamas ihren Weg des Widerstands fortsetzt“, so ein hochrangiger Hamas-Beamter nach der Bekanntgabe gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

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Als ehemaliger Leiter des Geheimdienstes der Hamas verbrachte Sinwar 23 Jahre in israelischen Gefängnissen, wo er vier lebenslange Haftstrafen wegen versuchten Mordes und Sabotage verbüßte. Im Rahmen eines Gefangenenaustausches im Jahr 2011 kam er schließlich frei, kehrte aber schnell zur Militanz zurück. Laut dem britischen Guardian bezeichnete ein ehemaliger Vernehmungsbeamter den neuen Hamas-Chef als „1.000% engagiert und 1.000% gewalttätig, ein sehr, sehr harter Mann“. Ab Februar 2017 war Sinwar der Hamas-Führer im Gazastreifen. Es wird vermutet, dass er den Angriff auf Israel am 7. Oktober startete, ohne die politische Führung um Hanija zu informieren, der in Katar residierte.

Yahya al-Sinwar, der neue Anführers der Hamas.
Yahya al-Sinwar, der neue Anführer der Hamas. © IMAGO/Yousef Masoud

Die neue Position Sinwars, der für Israel als Staatsfeind Nummer Eins gilt, dürfte die Bemühungen um einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln im Austausch für palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen wohl noch schwieriger werden lassen. Mit seiner Ernennung zu ihrem alleinigen Anführer signalisiere die Hamas, „dass sie strategisch hinter dem Ansatz des bewaffneten Widerstands steht“, so Jehad Harb, ein politischer Analyst der Denkfabrik ‚Palestinian Center for Policy and Survey Research‘ gegenüber dem Wall Street Journal. Der Zeitung zufolge entfernt sie sich damit von der Rolle als politische Einheit, die regieren will.

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Gleichzeitig hängt es US-Außenminister Antony Blinken zufolge maßgeblich von dem neuen Hamas-Führer ab, ob ein Abkommen über eine Waffenruhe in Gaza gelingt. Schon vor seiner Ernennung zum Nachfolger Hanija sei Sinwar in dieser Frage der wesentliche Entscheidungsträger der Hamas gewesen. „Das unterstreicht nur die Tatsache, dass es wirklich an ihm liegt, zu entscheiden, ob ein Waffenstillstand vorangetrieben wird“, so Blinken gegenüber Reportern. Ihm zufolge sind die indirekten Verhandlungen, die unter der Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens stattfinden, an einem „entscheidenden Moment“ angelangt. Sinwar habe, nach wie vor, die Macht, darüber zu entscheiden, ob die Hamas einwilligt.

Für die israelische Regierung steht hingegen fest, dass es nur eine Lösung geben kann. Die Ernennung Sinwars sei ein „weiterer zwingender Grund, ihn schnell zu beseitigen und diese abscheuliche Organisation vom Antlitz der Erde zu tilgen“, schrieb Außenminister Israel Katz auf dem Kurznachrichtendienst X. In einem Interview mit dem in Saudi-Arabien ansässigen Nachrichtensender Al Arabiya vom Dienstag bekräftigte auch IDF-Sprecher Daniel Hagari diese Position. „Es gibt nur einen Platz für Yahya Sinwar, und das ist neben Muhammad Deif und all den Terroristen, die für den 7. Oktober verantwortlich sind. Das ist der einzige Platz, den wir für ihn vorbereiten und bestimmen“, so Hagari.

US-Präsident Biden kritisiert Israels Vorgehen – Sinwars Ernennung könnte Krieg in Gaza in die Länge ziehen

Israel behauptet, den militärischen Befehlshaber der Hamas, Mohammed Deif, bei einem Angriff im Juli getötet zu haben – neben einer Reihe von Attentaten auf wichtige Mitglieder der Hamas-Führung. Diese Politik der Ermordung hochrangiger Hamas-Führer, einschließlich derjenigen des gemäßigteren politischen Flügels, hat zu wachsenden Spannungen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu geführt. Wie die New York Times und andere US-Medien berichteten, sagte Biden letzte Woche in einem Telefongespräch mit Netanjahu, dass der israelische Premierminister die Bemühungen um einen Waffenstillstand absichtlich sabotiere.

Auch Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas zeigte sich besorgt. Er befürchtet, dass der Tod Hanijas den Krieg im Gazastreifen verlängern wird. „Es besteht kein Zweifel, dass die Ermordung von Herrn Hanija darauf abzielt, den Krieg zu verlängern und sein Ausmaß zu vergrößern“, sagte er gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA. Dies werde „sich negativ auf die laufenden Verhandlungen zur Beendigung der Aggression und zum Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen auswirken“, so Abbas weiter. (tpn)

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