EU-Zoff um Ungarn-Boykott: Baerbock wirft Orban nach Putin-Treffen „Egotrip“ vor

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Die EU steht vor einer Zerreißprobe: Baerbock schießt gegen Orbans „Friedensmissionen“, doch die Meinungen über einen möglichen Boykott gehen auseinander. 

Brüssel – Die jüngsten Reisen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zu internationalen Führungspersönlichkeiten wie Wladimir Putin, Donald Trump und Xi Jinping sorgen innerhalb der Europäischen Union für erhebliche Spannungen. Nun hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock die Handlungen Orbans als „Egotrips“ bezeichnet und kritisiert, dass diese das gemeinsame europäische Vorgehen untergraben könnten. Der Ungar bezeichnete die Reisen hingegen als „Friedensmissionen“.

Ungarn-Boykott nur „Schwachsinn“? Baerbock verweist auf EU-Chefdiplomat Borrell

Tatsächlich scheinen sich Baerbocks Sorgen teils schon zu bewahrheiten: Während einige Mitgliedsstaaten, darunter die baltischen Staaten und Polen, einen Boykott des nächsten Außenministertreffens in Budapest fordern, lehnt Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel diese Maßnahme als „Schwachsinn“ ab. Er argumentiert, dass ein Boykott nur zu weiteren Verzögerungen und Ausflüchten führen würde und plädiert dafür, offen in Budapest die Meinung zu vertreten. Man dürfe sich kein monatelanges „Katz-und-Maus-Spiel“ zu liefern.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) während eines Besuchs im Westjordanland. (Archivfoto)
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) während eines Besuchs im Westjordanland. (Archivfoto) © Hannes P. Albert/dpa

Baerbock reagierte ausweichend und sagte, die Entscheidung liege in den Händen von EU-Chefdiplomat Josep Borrell. Die Grünen-Politikerin gilt selbst nicht als Freundin solcher Boykotts. So war sie im November anders als mehrere EU-Kollegen zu einem Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gereist, an dem Russlands Außenminister Sergej Lawrow teilnahm. Baerbock begründete dies mit der Notwendigkeit, Flagge zu zeigen.

Auf die Frage, ob Borrell das für Ende August geplante Treffen in seiner Funktion als Außenbeauftragter wie üblich leiten wolle, sagte der Spanier, er werde nach einer Diskussion mit den Außenministern der EU-Staaten eine Entscheidung treffen. Diese solle noch am Montag (22. Juli) in Brüssel organisiert werden. Er selbst bezeichnete die jüngsten Reisen Orbans sowie Äußerungen von dessen Außenminister Peter Szijjarto als „völlig inakzeptabel“. Mit Blick auf Szijjarto kritisierte er, dass dieser in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat die EU beschuldigt habe, den Ukraine-Krieg mit ihrer Politik zu befeuern.

Orban provoziert die EU: Ratspräsidentschaft bleibt aber bei Ungarn

Politikwissenschaftler Uwe Pütter wies im Gespräch mit dem ZDF darauf hin, dass die EU durch das Herabstufen der Teilnahme an informellen Treffen ein politisches Signal senden kann. Dies würde zeigen, dass man das Treffen nicht ernst nimmt. Die radikalere Option, Ungarn die Ratspräsidentschaft zu entziehen, sei jedoch „rechtlich fast unmöglich“ und würde hohe Hürden erfordern.

Viktor Orban könnte auf die Kritik und Maßnahmen derweil mit weiteren provokanten Schritten reagieren, was die Situation weiter eskalieren lassen könnte. Wie die EU darauf reagieren würde, bleibt fraglich. Selbst innerhalb der Bundesregierung gibt es keine einheitliche Haltung zu den Boykottaufrufen: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sowie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatten eigene Ungarn-Reisen zuvor auf den Prüfstand gestellt. (nak/dpa)

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