Viele Deutsche haben ihre Briefwahl-Unterlagen schon abgeschickt, andere gehen am Sonntag ins Wahllokal und machen vor Ort ihr Kreuz. Am 23. Februar wird sich entscheiden, von wem die Bundesrepublik künftig regiert wird.
Spannend ist das nicht nur für die Menschen in Deutschland. Auch im Ausland interessiert man sich für den Ausgang der Bundestagswahl. Die Londoner "Financial Times" schrieb am Freitag zum Beispiel, die Wahl finde "in einem Klima akuter Besorgnis über die sich abzeichnenden Risiken für die Sicherheit, die liberale Demokratie und das wirtschaftliche Wohlergehen Deutschlands statt".
"Düstere Lage" erfordert marktwirtschaftliche Reformen
Weiter heißt es in dem Beitrag: "Es ist für die Deutschen verwirrend, dass die USA, die acht Jahrzehnte lang ein Mentor und Verbündeter waren, sich unter der Regierung von Donald Trump in einen Rüpel verwandelt haben, der das demokratische Modell verachtet, das Deutschland unter amerikanischer Anleitung aufgebaut hat, während es sich nach 1945 von den physischen Trümmern und der moralischen Schande erholte."
Wer auch immer die nächste Regierung bilde, müsse mutige Schritte zur Wiederbelebung der Wirtschaft unternehmen. "Deutschland hat zwei Jahre in Folge ein negatives Wachstum verzeichnet und liegt damit hinter den USA und sogar der Eurozone insgesamt zurück."
Die insgesamt "düstere Lage" erfordert laut dem Beitrag marktwirtschaftliche Reformen zur Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sowie eine Abkehr von der extrem vorsichtigen, verfassungsmäßig verankerten "Schuldenbremse", "die die Inlandsinvestitionen behindert hat".
Außerdem ist darin zu lesen: "Diese Wahl könnte das Land entweder auf einen Weg zu mehr Wohlstand und Sicherheit bringen oder es weiter abdriften lassen. Deutschland und ganz Europa brauchen das Erstere, um erfolgreich zu sein."
"Irish Times": "Die Schlüsselfrage ist, ob die AfD ihren zweiten Platz ausbauen kann"
Für die in Dublin erscheinende "Irish Times" sind vor allem die Wahlergebnisse der AfD von Interesse. Am Freitag schrieb das Blatt: "Die Schlüsselfrage ist, ob die Partei ihren zweiten Platz mit 20 Prozent in den Umfragen möglicherweise um fünf Prozentpunkte ausbauen kann, was bedeuten würde, dass die AfD-Vorsitzende Alice Weidel der Regierung im Parlament Schwierigkeiten machen könnte."
Die EU steht demnach vor einer ganzen Reihe an Herausforderungen - "von der Auseinandersetzung mit Russland wegen des Ukraine-Krieges über die Reaktion auf den Aufstieg Chinas bis hin zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Union". Daher sei Deutschlands Führungsstärke gefragt.
Wirklich optimistisch liest sich der Beitrag der "Irish Times" nicht. Es könnte schwierig sein, "eine starke Regierung zu bilden", heißt es darin. Und: "Es steht viel auf dem Spiel."
"NZZ": "Mut zur radikalen Vereinfachung? Fehlanzeige"
In der "Neuen Züricher Zeitung" (NZZ) - also einem Schweizer Medium - war die Bundestagswahl am Mittwoch ein Thema. Im entsprechenden Beitrag der Online-Ausgabe des Blattes geht es vor allem um Steuerpolitik.
Konkret ist darin zu lesen: "Statt das System von Grund auf zu reformieren, versprechen die Parteien jeweils nur punktuelle Erleichterungen für ihre jeweilige Wählerklientel. Mut zur radikalen Vereinfachung? Fehlanzeige."
Deutschland zähle mit einer Gesamtbelastung von 53 Prozent bei Steuern und Abgaben "weltweit zu den traurigen Spitzenreitern". "Die Krise, in der das Land steckt, ist deshalb nicht zuletzt auch staatsgemacht: Hohe Steuern würgen den Konsum ab, machen zusätzliche Arbeit unattraktiv und schrecken Investoren ab."
Spätestens am Montag nach der Wahl muss sich laut "NZZ" in der deutschen Steuerpolitik etwas Grundlegendes ändern. Im Beitrag heißt es: "Ob das neue Konzept dann auf einen Bierdeckel passt oder eine volle DIN-A4-Seite umfasst, ist zweitrangig. Hauptsache, es kommt endlich Bewegung in das verstaubte System."
"Liberation": "Deutschland steht vor den Sackgassen seiner politischen Identität"
Auch die französische Zeitung "Liberation" hat sich mit der Bundestagswahl beschäftigt - vor allem mit ihren geopolitischen Auswirkungen. In einem Kommentar heißt es: "Der internationale Kontext, in dem sie stattfindet, macht die deutsche Bundestagswahl an diesem Wochenende noch entscheidender als sonst."
Und weiter: "Die Anfänge einer Umkehrung der Allianzen, die Donald Trump auf den Tisch gelegt hat, und seine Annäherung an Moskau auf dem Rücken der Ukraine stellen sowohl Europa vor die Wand seiner diplomatischen und militärischen Schwächen als auch indirekt Deutschland vor die Sackgassen seiner eigenen politischen Identität, die aus der Nachkriegszeit hervorgegangen ist."
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe "durch wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Konservatismus gesündigt". Laut dem Beitrag der "Liberation" besteht insgesamt dringender Handlungsbedarf - "auch wenn Deutschland natürlich nicht die alleinige Schuld an der europäischen Ohnmacht auf der internationalen Bühne trägt".
"New York Times": "Deutschland steckt in ernsten Schwierigkeiten"
Die türkische Zeitung "Hürryet" schlägt einen ganz ähnlichen Ton an. "Alle Augen sind auf Deutschland gerichtet", heißt es in einem aktuellen Kommentar. Und weiter: "Werden die Wähler den Rechtsextremen die Stirn bieten und eine stabile Regierung ermöglichen? Die Antwort auf diese Frage wird nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Zukunft Europas und die Gestaltung des neuen internationalen Systems entscheidend sein."
In den USA ist die Bundestagswahl ebenfalls ein vieldiskutiertes Thema. Vor allem mit Blick auf die deutsche Wirtschaft. Ein Kommentar in der "New York Times" trägt beispielsweise den Titel: "Deutschland steckt in ernsten Schwierigkeiten".
Der Autor warnt: Die Bundesrepublik sei "in einem Teufelskreis aus schwachem Wachstum und geringer Produktivität gefangen, und niemand scheint zu wissen, was er dagegen tun soll." Und weiter: "Wie auch immer das Ergebnis am Sonntag ausfallen mag, das Land steckt in ernsthaften Schwierigkeiten."
In einer aktuellen Analyse von "CNN" ist derweil von einem "entscheidenden Moment für die deutsche Wirtschaft" die Rede. Die drohenden neuen Zölle unter US-Präsident Donald Trump, insbesondere auf Autos und Stahl, könnten die ohnehin schwierige ökonomische Situation verschärfen, heißt es in dem Beitrag.
"Um das Wachstum Deutschlands in den nächsten Jahren und darüber hinaus anzukurbeln, braucht es mehr, als nur Wege zu finden, mit Trumps Zöllen umzugehen. Das gesamte Geschäftsmodell des Landes muss möglicherweise überarbeitet werden."