Die Freitagsabrechnung - Warum ich wieder stolz bin auf unser Land

Ich bin stolz auf unser Land. Wissen Sie, was zuletzt die mit Abstand meistgesehene TV-Sendung war? Mehr als zwölf Millionen schauten sich das „TV-Duell“ zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz an. 

Diesen Doppelauftritt von ARD und ZDF nach dem Motto „Ich will Kanzler werden – Lasst mir hier rein!“ wollten deutlich mehr Menschen sehen als das konkurrierende Finale „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“

Deutschland nimmt seine Entscheidung ernst

Und so ging es weiter. Zum Wahlwochenende können wir feststellen: Ganz egal, wie die Entscheidung am Sonntagabend ausfallen wird – die Wähler in Deutschland haben es sich nicht leicht gemacht. Politik ist wieder wichtig. Und die Menschen im Land nehmen ihre demokratische Entscheidung ernst, um die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. 

Jeder fünfte Deutsche wählt: Politik!

Seine Wahl zwischen bunt und bedeutungsvoll hat Deutschland eindrucksvoll getroffen – mit der Fernbedienung in der Hand. Da startet ProSieben seine Show „Germany’s next Topmodel“. Zeitgleich stellen sich im ZDF bei „Klartext“ Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Habeck und Alice Weidel den Fragen der Zuschauer. 

Mehr als fünf Millionen Zuschauer wählen die Politik. Jeder fünfte Deutsche, der zu der Zeit vor dem Fernseher sitzt, will mit eigenen Augen sehen, wie sich die vier Kanzler-Kandidaten positionieren. Ohne sich am nächsten Tag die Meinung von anderen vorgeben zu lassen. Das ist beeindruckend. Das ist gelebte Demokratie. Das ist stark.

Weidel vor Scholz und Merz

Wobei der Blick auf die Einschaltquoten auch interessante Unterschiede offenlegt. Nehmen wir Dienstag dieser Woche. Da zieht AfD-Kandidatin Alice Weidel für die Viertelstunde „Farbe bekennen“ nach der „Tagesschau“ 5,03 Millionen Menschen vor den Bildschirm. Im ZDF tun sich die Kandidaten von SPD und Union deutlich schwerer. 

Die Dokumentation „Kanzler und Herausforderer – Scholz und Merz im Wahlkampf“ sehen kaum mehr als zwei Millionen. Auch das bestätigt: Die Deutschen wollen vor ihrer Wahlentscheidung die Kandidaten möglichst im Originalton erleben. Und erfahren bei der Gelegenheit durchaus Erstaunliches von Alice Weidel. 

Wenn ihre Wähler wagen würden, was sie wirklich denken, müssten sie Angst vor dem Staatsanwalt am nächsten Morgen haben, sagt die AfD-Chefin – und verrät damit vielleicht mehr über ihr Bild von der eigenen Wählerschaft als über die Meinungsfreiheit in Deutschland, nach der eigentlich gefragt wird.

Alternativlos-Merkel ist Geschichte

Die Schlafmützen-Wahlen der Alternativlos-Ära Merkel sind Geschichte. Viele Wähler wissen: Es gibt wieder um etwas – um Richtungsentscheidungen, um Sicherheit, Wirtschaft und Wohlstand, um unsere Zukunft. 

Wer sich da aufregt, weil in der Leidenschaft der politischen Auseinandersetzung mal ein Ton verrutscht, dem empfehle ich einen Blick in die Geschichte. Denn gestritten wurde in Deutschland auch früher schon sehr grundsätzlich. Und durchaus persönlich.

Demokratie kann Streit aushalten

Unvergessen dabei der alte SPD-Kämpe Herbert Wehner, der es nicht ohne Grund zum Bundestagsabgeordneten mit den meisten Ordnungsrufen gebracht hat.

Wie sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende über seine Politiker-Kollegen: „Es gibt Würstchen in diesem Parlament, die sind den Mostrich nicht wert, den man auf sie streichen müsste, um sie genießbar zu machen.“ Das ist deftig, aber auch deutlich. Und wir lernen: Demokratie kann solche Töne aushalten.

Kernig – aber mit Wertschätzung

Von der anderen politischen Seite keilte der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident in legendärer Kernigkeit zurück. Franz-Josef Strauß, der 2025 seinen 110. Geburtstag hätte, wetterte gegen die SPD: „Irren ist menschlich, aber immer irren ist sozialdemokratisch.“ 

Noch deutlicher schimpfte er auf die FDP, mit einem Vorwurf, der an die aktuelle D-Day-Diskussion erinnert: „Bei der FDP kann man sich auf eines verlassen, nämlich eine berechenbare Komponente, ihre Charakterlosigkeit.“

In geradezu zeitloser Schönheit hat Strauß allerdings auch ein Grundprinzip gelebter Demokratie formuliert: „Helmut Schmidt und ich kennen uns sehr gut. Wenn er mich anredet ,Alter Gauner‘ und ich sage ‚Alter Lump‘, so ist das durchaus eine von gegenseitiger Wertschätzung und realistischer Kennzeichnung getragene Formulierung.“

Gespannt wie lange nicht

Ich freue mich, dass Politik 2025 wieder an Leben gewonnen hat. Ich gebe zu: Einem Wahlabend wie an diesem Sonntag habe ich schon lange nicht mehr mit so viel Spannung entgegengefiebert.

Zu viel ist geschehen in diesen Wochen. Zu oft haben sich Meinungsumfragen zuletzt geirrt. Schließen wir deshalb noch einmal mit Franz-Josef Strauß: „Es lohnt sich meistens, die Prognosen der Meinungsforscher nicht gelesen zu haben.“ Die Entscheidung fällt diesen Sonntag. Die Entscheidung fällt mit Ihren beiden Kreuzen.