EU setzt sich nicht durch: „COP der Wahrheit“ wird zur COP der verpassten Chance

Von der „COP der Wahrheit“ zur COP der verpassten Chance

Sonntag, 23. November, 10.33 Uhr: Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte die Weltgemeinschaft zu entschlossenem Handeln gegen die Erderwärmung aufgerufen. Diese COP werde „die COP der Wahrheit“ sein. Stattdessen ist nun eher die Wahrheit über die mäßige Entschlossenheit der Weltgemeinschaft bei der Krisenbekämpfung ans Licht gekommen. 

Die Konferenz sei nicht von wegweisenden Beschlüssen geprägt, bemängelte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer. 

Mächtige Blockierer waren in Hochform, wegweisende Fortschritte blieben aus. Auch Bundesumweltminister Carsten Schneider zeigte sich „ein bisschen enttäuscht“: „Wir waren hier konfrontiert mit einer sehr stark auftretenden Petro-Industrie – Ländern, die sich mit Öl und Gas ihr Geld verdienen, die hier eine Blockade-Mehrheit organisiert haben gegen jeden Fortschritt in diesem Bereich.“

Selbst beim Abschlussplenum gab es Zwist: Beim Kernthema Klimaanpassung hämmerte Präsident André Corrêa do Lago den Beschluss einfach durch, obwohl EU, Schweiz und zahlreiche lateinamerikanische sowie afrikanische Länder protestierten. Kolumbien brachte es auf den Punkt: Ohne echte Debatte über den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sei das Ganze sinnlos. Das Plenum stand über eine Stunde still – am Ende galt trotzdem: Hammer gefallen, Beschluss durch. Zur Beruhigung der Gemüter zauberte do Lago noch zwei „Roadmaps“ für fossile Energien und Entwaldung aus dem Hut.

Obwohl Brasilien viel Lob für seine engagierte Präsidentschaft erntete, gelang es dem Gastgeber nicht, Länder mit solch unterschiedlichen Interessen zu einem großen Wurf zu bewegen. Für Konflikte brauchte es nicht mal die Trump-USA, die erst gar nicht nach Belém kamen.

Der Entscheidungsprozess zur Weltklimakonferenz im übernächsten Jahr verlief nach einigem Hin und Her letztlich recht geräuschlos: Die afrikanische Staatengruppe gab schon am Dienstag bekannt, dass Äthiopien die COP32 vom 9. bis 20. November 2023 ausrichtet. Die Türkei stellt den COP-Präsidenten, Australien wird den Vize-COP-Vorsitz übernehmen und außerdem den Vorsitz der Verhandlungen.

Guterres: „Nicht alles erreicht, was notwendig ist“

21.48 Uhr: UN-Generalsekretär António Guterres hat eine durchwachsene Bilanz der Weltklimakonferenz gezogen. Die Konferenz habe "nicht alles erreicht, was notwendig ist", erklärte er am Samstag. Er räumte ein, dass "viele womöglich enttäuscht sind" von den Ergebnissen, darunter Indigene und junge Menschen. "Die Kluft zwischen dem, wo wir stehen, und dem, was die Wissenschaft fordert, ist nach wie vor gefährlich groß", betonte der UN-Generalsekretär.

Zugleich lobte er die Einigung der Teilnehmerstaaten auf den übergreifenden Beschluss. In Zeiten geopolitischer Spaltungen sei "es schwieriger denn je, einen Konsens zu erzielen". Guterres kündigte an, sich weiterhin für "mehr Ehrgeiz und Solidarität" in der Klimapolitik einzusetzen.

Nach heftiger Kritik wird Klima-Elefantenrunde unterbrochen

18.50 Uhr: Die brasilianische COP30-Präsidentschaft musste die Plenarsitzungen vorübergehend aussetzen, nachdem Delegierte protestierten. Vor allem Kolumbien sei frustriert, dass zuvor im Konsens vereinbarte Formulierungen nun blockiert würden. 

Die Delegierte Daniel Durán sagte, Kolumbien „wolle vorankommen auf Basis der Wissenschaft, gemeinsam mit indigenen Völkern, mit Kleinbauern und Landwirten. Aber wir haben das Gefühl, dass wir es nicht können.“ Sie beklagte, dass Dokumente „durchgeprügelt“ werden, ohne dass ihre Einwände berücksichtigt werden.

Bisher haben unter anderem die EU, Kolumbien, Panama und die Schweiz die Texte abgelehnt. Sie kritisieren, dass COP-Präsident André Correa do Lago die Beschlüsse ohne Rücksicht auf ihre Forderung nach Mitspracherecht vorgelegt habe. Bisher herrscht große Verwirrung in Belém. 

Länder monieren Adaptions-Beschluss: "Wir werden ignoriert"

18.05 Uhr: Die Verhandlungsführerin von Panama übt scharfe Kritik am COP-Ergebnis: „Wir hissen unsere Flagge und werden ignoriert. Wir erheben einen Einspruch – und er wird übergangen. Wir halten an unserer Position fest – und sie wird weiterhin ignoriert.“ Inhaltlich könne Panama einem Ergebnis zum globalen Ziel für Anpassung nicht zustimmen, das „uns zurückwirft“. Monate und Jahre an Expertenarbeit seien durch Platzhalter ersetzt worden. Enttäuscht und erschöpft von den wiederholten Enttäuschungen kündigte Panama an, den Druck auf die COP-Präsidentschaft weiter aufrechtzuerhalten.

Auch die Europäische Union erklärt, dass sie das globale Ziel für Anpassung in seiner aktuellen Form nicht akzeptieren könne. Sie argumentiert, dass die Indikatoren unklar seien, nicht für den vorgesehenen Zweck nutzbar und nicht mit Artikeln früherer Klimaabkommen vereinbar. „Wir werden unsere gezielten Änderungsvorschläge schriftlich übermitteln, doch leider können wir uns wie andere derzeit nicht hinter diese Indikatoren stellen.“

Auch die Schweiz kritisierte das globale Ziel für Anpassung und hob hervor, dass zu wenig Zeit geblieben sei, um den endgültigen Text zu diskutieren, und dass Indikatoren verwendet wurden, die nicht direkt aus der Liste technischer Expert:innen ausgewählt wurden.

Sierra Leone erklärte, es werde daran arbeiten, den Rahmen des globalen Ziels für Anpassung weiterzuentwickeln, bis er den eigenen Bedürfnissen entspricht.

Jetzt steht der Deal: Klimakonferenz segnet Beschluss ohne fossilen Ausstieg ab

17.45 Uhr: Der neue Klima-Deal steht! Nach zwei Wochen intensiver Verhandlungen und einer typischen Verlängerung haben die COP-Präsidentschaft und die 194 Staaten das Abschlussdokument der COP30 verabschiedet. 

Es handelt sich um einen Minimal-Kompromiss: Die EU konnte sich mit ihrer Forderung nach einem klaren Fahrplan zum Ausstieg aus fossilen Energien nicht durchsetzen, stimmte dem neuen übergreifenden Beschlussentwurf aber zu.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Fossile Energien: Das Wort „fossile“ taucht im Text nicht auf; enthalten ist nur ein Hinweis auf den COP28-Beschluss von Dubai („UAE Consensus“) zu einem schrittweisen Übergang weg von fossilen Energien.
  • Anpassungsfinanzierung: Die Mittel für Entwicklungsländer sollen bis 2035 mindestens verdreifacht werden – auf rund 120 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
  • 1,5‑Grad-Ziel: Das Bekenntnis wird erneut bekräftigt, inklusive der Aufforderung, nationale Klimapläne vollständig umzusetzen. Neue verbindliche Verpflichtungen fehlen jedoch.
  • Waldschutz: Entwaldung soll bis 2030 gestoppt und rückgängig gemacht werden; konkrete Maßnahmen oder Fahrpläne fehlen.
  • Handel: Ein Dialog zu einseitigen Klimamaßnahmen, etwa dem EU-Klimazoll CBAM, wird unter Beteiligung der WTO und anderer Organisationen gestartet.
  • Wissenschaftliche Grundlage: Der Text erkennt erneut den IPCC als Maßstab für die „beste verfügbare Wissenschaft“ an.

„Ich weiß, dass einige von Ihnen höhere Ambitionen hatten“, sagte COP-Präsident Do Lago. „Ich weiß, dass Jugend und Zivilgesellschaft von uns verlangen werden, mehr zu tun.“ Er kündigte an, dass er dies in seinem Jahr als COP30-Präsident vorantreiben werde.

COP-Präsident will zwei Klima-Fahrpläne vorantreiben

Anschließend stellte er zwei freiwillige Fahrpläne vor: Einen zum Ende der Entwaldung und einen zum Ausstieg von fossilen Energien. Diese sind jedoch nicht Teil des UN-Prozesses und daher nicht von allen 195 Ländern unterstützt. Dennoch gibt es Hoffnung, dass sie mit Unterstützung von rund 90 Ländern die Umsetzung von Maßnahmen vorantreiben könnten.

mit Agenturmaterial
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