Die Klimakonferenz COP30 nähert sich ihrem Ende, doch in den Verhandlungsräumen herrscht Frustration. Ein klarer Fahrplan für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas steht weiter auf der Kippe, die Finanzierungsfragen sind blockiert, und viele Delegierte sprechen offen von Erpressung, Heuchelei und einer „verlorenen Menschlichkeit“, wie der Guardian berichtet.
Afrika-Vorsitzender: „Warum werden wir erpresst?“
Richard Muyungi, Tansanias Gesandter und aktueller Vorsitzender der Afrikanischen Gruppe (AGN), sagt klipp und klar:
Warum werden wir erpresst? Es ist, als ob man unser Leben gegen etwas eintauschen würde, das wir nie verursacht haben. Sie sagten: ‚Wenn ihr dem Ausstieg nicht zustimmt, können wir euch die dreifache Anpassungshilfe nicht gewähren.‘ Wir sagten: ‚Das können wir nicht akzeptieren.‘
Afrika verursache nur vier Prozent der globalen Emissionen, so Muyungi, und spreche ohnehin nur von einer „schrittweisen Reduzierung“, nicht von einem sofortigen Totalausstieg.
Allerdings ist umstritten, ob die AGN wirklich für ganz Afrika spricht. Einige afrikanische Staaten haben öffentlich einen Ausstiegsfahrplan unterstützt, andere sollen ebenfalls zustimmen, äußern sich aber noch nicht.
Die aktuelle Vorsitzende der AGN, Tansania, verfügt über bedeutende Gasreserven, die sie mit Partnern wie Saudi-Arabien erschließen möchte. Ein Insider kommentierte: „Es ist eindeutig falsch zu behaupten, sie sprächen für ganz Afrika.“
Brasiliens Sondergesandte: „Sie handeln irrational“
Laurence Tubiana, eine der brasilianischen Sondergesandten und Architektin des Pariser Abkommens, macht deutlich, dass Anpassungshilfe und Ausstieg aus fossilen Brennstoffen untrennbar zusammengehören:
Es ist schlichtweg unmöglich zu sagen: „Wir wollen Anpassungsfinanzierung, aber nicht den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.“ Ganz klar: Wer Anpassung will, muss auch den Ausstieg unterstützen.
Einige Länder wollten die nächste Runde der nationalen Klimabeiträge (NDCs) um drei Jahre verschieben. Tubiana hält dagegen: „Was bringt ein Treffen auf der COP, wenn man sich nicht mit NDCs auseinandersetzen will? Welchen Sinn hat das Pariser Abkommen, wenn man dieses Problem nicht angeht? Sie handeln irrational.“
Indischer Klima-Aktivist: „Tödlichste Talkshow aller Zeiten“
Harjeet Singh von der Satat Sampada Climate Foundation warnt vor einem historischen Fiasko:
Die Verhandlungsführer verbringen Tage damit, darüber zu diskutieren, worüber gesprochen werden soll, und neue Dialoge zu erfinden, nur um die wirklich wichtigen Maßnahmen zu vermeiden: sich zu einem gerechten Übergang weg von fossilen Brennstoffen zu verpflichten und Geld auf den Tisch zu legen.
Sollte nichts mehr kommen, drohe die COP30 „als die tödlichste Talkshow aller Zeiten in die Geschichte einzugehen“.
Panamas Klimabeauftragter: „Für Panama schlichtweg katastrophal“
Juan Carlos Monterrey, Panamas Klimasonderbeauftragter, zeigt sich fassungslos:
Mir fehlen ehrlich gesagt die Worte. Es tut sich kaum etwas. Wir verhandeln immer noch über einen Text, der für Panama schlichtweg katastrophal ist – ein Text, der fossile Brennstoffe und Entwaldung, die Hauptursachen der Klimakrise, völlig ausblendet; ein Text, der genau jene Industrien begünstigt, die diese Zerstörung zum Nachteil aller anderen verursachen.
Er hofft weiter auf die EU und progressive lateinamerikanische Staaten, fühle sich aber zunehmend „alleingelassen“.
Pakistan-Delegationsleiterin: „Es geht um Klimagerechtigkeit"
Aisha Humaira, Leiterin der pakistanischen Delegation, sieht vor allem die reichen Länder in der Pflicht:
Es geht um Klimagerechtigkeit, um die Last, die die Industrieländer für den sich jetzt abzeichnenden Klimawandel tragen und die nun beglichen werden muss.“
Sie kritisiert die Doppelmoral: Die Industrienationen verlangten von Ländern wie Pakistan einen schnellen Ausstieg, hätten ihn selbst aber noch nicht geschafft – und verweigerten gleichzeitig die nötigen Finanz- und Technologietransfers.
„Manchmal ist es, als würden wir mit Robotern streiten.“
Während die Uhren in Belém ticken, bleibt die zentrale Frage offen: Wird die COP30 am Ende doch noch einen verbindlichen Fahrplan und deutlich mehr Geld für die ärmsten und verwundbarsten Länder liefern – oder verlässt die Welt den Regenwald-Gipfel mit leeren Händen und noch mehr Misstrauen?
Ein anonymer Verhandlungsführer beschreibt die Stimmung vor Ort dem Guardian gegenüber so: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass dieser Prozess seine Menschlichkeit verloren hat. Manchmal ist es, als würden wir mit Robotern streiten.“