Ein Deich hält die Flut zurück, ein Gründach kühlt die Stadt, ein Mangrovenwald bremst die Sturmflut – und kaum jemand merkt es. Klimaanpassung ist die stille Heldin des Klimaschutzes: Sie verhindert Katastrophen, bevor sie sichtbar werden, und wird deshalb oft übersehen.
Was ist Klimaadaptation?
Klimaadaptation bedeutet, sich auf die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels vorzubereiten: Hitze, Starkregen, Dürren und steigende Meeresspiegel. Anders als Klimaschutzmaßnahmen zur Emissionsreduktion geht es dabei um Schutz, Resilienz und Anpassung – kurz: darum, sicher durch die Krise zu kommen.
Warum Anpassung unpopulär ist
Doch das Problem, warum die Klima-Anpassung gerne übersehen wird: Anpassung ist politisch unattraktiv. Der Nutzen oft „unsichtbar“: Ein gut gebauter Deich verhindert Schäden, die möglicherweise nie eintreten – Erfolge sind schwer zu vermarkten. Zudem wird befürchtet, dass mit einem starken Fokus auf die Klimaanpassung die Ursache des Problems vergessen wird: nämlich den Klimaschutz, um den Klimawandel zu stoppen.
Ein weiterer „unattraktiver“ Umstand: Mit vielen Klimanpassungen lassen sich nur künftige Kosten sparen und nicht Geld verdienen. Große Solar-Parks in Nigeria? Dafür finden sich private Investoren, die mit diesem klimafreundlichen Energie-Projekt Geld verdienen können.
Aber Deiche oder Grünflächen zum Schutz vor Hochwasser oder Hitze? Das ist kein Business-Case, sondern „nur“ Ausgaben zum Schutz von Bevölkerung und Ökosystemen. Heißt: Auf der Weltklimakonferenz müssen die Adaptions-Töpfe mit staatlichen statt privaten Mitteln gefüllt werden. Die Weltgemeinschaft muss sich also beiden Problemen stellen: Den Klimawandel stoppen UND sich auf die Folgen vorbereiten.
Entwicklungsländer brauchen das 14-Fache
Auch auf der COP30 in Belém steht Adaptation deshalb auf der Agenda – mit dem Fokus auf das Global Goal on Adaptation (GGA). Obwohl das GGA 2015 in das Pariser Abkommen aufgenommen wurde, wurden in den darauffolgenden Jahren nur geringe Fortschritte bei ihrer Entwicklung erzielt. „Zehn Jahre nach Paris wissen wir immer noch nicht, wie wir dieses Ziel umsetzen sollen“, so Lina Yassin, LDC-Anpassungsverhandlerin in Belém.
Laut UN-Adaptation-Gap-Report brauchen Entwicklungsländer jährlich 310 bis 365 Milliarden Dollar für Anpassung – aktuell fließen nur zirka 26 Milliarden, also zwölf- bis 14-mal zu wenig.
Anpassung oder Emissionssenkung, was ist wichtiger?
Für die am wenigsten entwickelten Länder setzt sich Lina Yassin in den COP30-Verhandlungen ein. Die LDC-Gruppe fordert eine Verdreifachung der Anpassungsfinanzierung bis 2030. „Ohne Geld ist alles, was wir hier besprechen, rein symbolisch. Wir werden nach Hause gehen und es wird sich nichts ändern“, warnt Yassin eindringlich auf der COP30.
Gleichzeitig mahnen Experten, dass zu viel Fokus auf Anpassung die dringend nötige Abkehr von fossilen Brennstoffen verzögern könnte. So auch Wafa Misrar, die mit dem „Climate Action Network Africa“ an der COP30 teilnimmt: „Anpassung ohne Emissionssenkung ist, wie ein sinkendes Boot leer zu schöpfen, ohne das Loch zu stopfen“.
In diesem Jahr kommen die Staaten bei der UN-Klimakonferenz in Belém zusammen, um über den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu diskutieren.
FOCUS online Earth berichtet für Sie über die COP30: Alle wichtigen Entwicklungen, Hintergründe und aktuellen Updates können Sie hier im Ticker nachverfolgen.
Die Rechnung des Nichtstuns
Doch: Wer nichts für Anpassung tut, zahlt drauf. Eine Studie von Dr. Sehrish Usman von der Universität Mannheim und Ökonomen der Europäischen Zentralbank zeigt: Allein im Sommer 2025 haben Hitzewellen, Starkregen und Trockenheit in der EU direkte Schäden in Höhe von rund 43 Milliarden Euro verursacht, mit langfristigen volkswirtschaftlichen Folgen bis 2029 von mehr als 126 Milliarden Euro.
Deutschland hat für Extremwetter-Ereignisse, insbesondere für Fluten wie im Ahrtal, seit 1980 rund 190 Milliarden Euro gezahlt, so eine aktuelle Analyse des Rückversicherers Munich Re.
Dabei wäre das Nutzen-Kosten-Verhältnis bei Anpassungsinvestitionen hoch: Studien zeigen ein Verhältnis von 2:1 bis 10:1. Das bedeutet, jeder investierte Euro spart bis zu zehn Euro an Schäden. Dennoch fließt weltweit nur ein Bruchteil des Geldes in Anpassung im Vergleich zur Emissionsminderung.
Wie kann Anpassung konkret aussehen?
Klimaanpassung funktioniert – und lohnt sich oft mehrfach. Solche Win-Win-Maßnahmen können nicht nur Menschen und Infrastruktur schützen, sondern auch die Lebensqualität, Biodiversität und sogar Immobilienwerte steigern.
- Das Konzept der Schwammstadt macht Städte resilient: Gründächer, versickerungsfähige Flächen und Parks speichern Regenwasser bei Starkregen und geben es bei Hitze ab. Auch in Deutschland setzen Städte wie Berlin, Bonn und Mannheim aufs Schwammstadt-Konzept.
- Hochwasserschutz: Das niederländische Programm „Room for the River“ hat Deiche zurückverlegt, Auen renaturiert und Bypass-Kanäle gebaut – über 30 Projekte, die Flüssen mehr Raum geben und gleichzeitig Erholungsgebiete schaffen. Auch in Deutschland gibt es Hochwasser-Projekte, etwa in NRW (Emscher-Auen), wo Gewässerstrukturen renaturiert wurden.
- Hitzeaktionspläne retten jetzt schon Leben, etwa in Ahmedabad (Indien), wo 2013 Südasiens erster Hitzeschutzplan umgesetzt wurde – mit Frühwarnsystemen per SMS, Kühlräumen und mehr.
- Innovativ sind auch schwimmende Häuser, die bei Hochwasser mitsteigen. In Rotterdam entstanden nach diesem Prinzip beispielsweise der Floating Pavilion.
Am Ende gehören Adaption und Mitigation zusammen: Weniger Emissionen mildern die Folgen langfristig, aber Anpassung rettet schon heute Leben und Infrastruktur.