Haushaltsstreit im Ticker - EVG-Chef Burkert: „Dieser Haushaltsirrsinn spottet jeglicher Beschreibung“
EVG-Chef Burkert: „Dieser Haushaltsirrsinn spottet jeglicher Beschreibung“
Donnerstag, 27. Juni, 06.00 Uhr: Vor dem Hintergrund der Haushaltsverhandlungen sowie der Debatte über mögliche Streichungen von Fernverkehrsverbindungen der Deutschen Bahn hat der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Martin Burkert, scharfe Kritik an der Verkehrspolitik der Ampel-Regierung geübt. „Die aktuelle Diskussion um den Verkehrsetat 2025 zeigt, welche verkehrspolitischen Prioritäten in Wirklichkeit gesetzt werden sollen: Die Straße soll nach Plänen des Verkehrsministeriums gegenüber der Schiene weiter bevorzugt werden. Dafür soll sogar ein Milliardenbetrag zugunsten der Autobahn umverteilt werden, der bislang für die Schienensanierung vorgesehen ist“, sagte Burkert dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Dieser Haushaltsirrsinn spottet jeglicher Beschreibung.“
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und andere Ampel-Politiker betonten bei jeder Gelegenheit die Bedeutung der Schiene, hätten aber statt der nötigen 45 Milliarden Euro für die Sanierung des Netzes weniger als 30 Milliarden Euro zugesagt, beklagte Burkert. „Wer von dem vereinbarten Sanierungs- und Ausbau-Weg abrückt, treibt Raubbau an der Zukunftsfähigkeit der Bahn, hintergeht die Klimaschutzziele und schadet dem Industriestandort Deutschland“, kritisierte er. „Bahnindustrie und Bauwirtschaft brauchen Planungssicherheit und keine weitere Verunsicherung aus dem Bundesverkehrsministerium.“
Alarmiert zeigte sich Burkert auch über einen Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, wonach die Bahn die Einstellung einiger Intercity-Verbindungen mit Schwerpunkt im Osten erwäge. „Der politische Sparzwang ist bereits jetzt spürbar und wird unser Land weiter zerreißen. Die Berichte über mögliche Einstellungen von IC-Verbindungen bieten gesellschaftlichen Sprengstoff, gerade auch im Osten“, so Burkert. Die Region sei bereits heute benachteiligt was die Anbindung an das Fernverkehrsnetz betrifft. „Verantwortlich dafür ist eine Politik, die den Schienenverkehr durch astronomisch hohe Trassenpreise künstlich teuer macht“, kritisierte der Gewerkschafter. „Wer Fernverkehr für alle möchte, der muss auch dafür die Finanzierung sicherstellen. Der Eigentümer ist hier in der Pflicht!“
Wegner fordert Reform der Schuldenbremse: „Haben unser Land kaputtgespart“
06.53 Uhr: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) geht von einer Reform der Schuldenbremse noch vor der Bundestagswahl im September 2025 aus. „Wir haben unser Land in wichtigen Bereichen kaputtgespart – bei der Verkehrsinfrastruktur, bei den Universitäten, Schulen oder den Dienstgebäuden von Polizei und Feuerwehr“, sagte er dem „Handelsblatt“.
Die Versäumnisse vergangener Jahre könne man aber nicht aus dem normalen Haushalt finanzieren. „Deswegen brauchen wir eine Reform der Schuldenbremse oder die Möglichkeit, im Bund wie in den Ländern Sondervermögen für Zukunftsinvestitionen zu schaffen“, so der CDU-Politiker. „Wir werden noch vor der Bundestagswahl zu einer gemeinsamen Lösung mit der Bundesregierung kommen müssen.“
Wegner äußerte sich zuversichtlich, dass auch der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz eine Reform der Schuldenbremse mittragen werde, der sich bisher ablehnend dazu geäußert hatte. „Sie erleben einen sehr positiv gestimmten optimistischen Regierenden Bürgermeister“, sagte er. „Ich bin mir ganz sicher, dass wir zu gemeinsamen Lösungen kommen werden.“ Wegner wies darauf hin, dass die CDU-geführten Länder mehrheitlich für eine Reform der Schuldenbremse seien. „Unterschiede gibt es nur in Nuancen“, sagte er.
Ampel reißt im Haushaltsstreit eigene Frist
Mittwoch, 26. Juni, 06.50 Uhr: Im Ringen um den Bundeshaushalt für das kommende Jahr kann die Ampel-Spitze ihren bisherigen Zieltermin nicht halten. In Regierungskreisen geht man inzwischen nicht mehr von einem Kabinettsbeschluss am 3. Juli aus. Angepeilt wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nun der 17. Juli. Damit wären die Fristen für eine Zuleitung des Entwurfs an den Bundestag noch zu halten.
Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) versuchen seit Wochen, eine zweistellige Milliardenlücke in der Etatplanung für 2025 zu stopfen. Zuvor war Lindner mit den Fachministern allein nicht weitergekommen, da diese sich nicht an Sparvorgaben halten wollten. Eine Einigung drängt, da der Entwurf nach dem Kabinett auch noch ausführlich im Bundestag beraten werden muss. Dort soll er im Dezember beschlossen werden.
Doch auch für einen Kabinettsbeschluss Mitte Juli bleibt nicht mehr viel Zeit - denn die Fachleute im Finanzministerium brauchen rund zwei Wochen, um eine politische Einigung in einen beschlussreifen Entwurf zu übersetzen. Diese politische Einigung, von der die Verhandler aktuell noch weit entfernt scheinen, müsste also in dieser oder in der kommenden Woche gelingen.
„Erfordert harte Gespräche“: Lindner will Wende in Haushaltspolitik
Dienstag, 25. Juni, 12.07 Uhr: Bundesfinanzminister Christian Lindner hält eine Haushaltswende für notwendig. Der FDP-Politiker sprach am Dienstag beim Tag der Industrie in Berlin von einer Wende von Konsum und Umverteilung hin zu Gestaltung und Investition. „Und das erfordert harte Gespräche. Ich bin aber überzeugt davon, es ist alle Mühen wert, nach einem Jahrzehnt des Konsums und der Umverteilung jetzt die Weichen neu zu stellen, damit dieses Land zukunftsfähig ist und seine Finanzen dauerhaft tragfähig.“
In der Bundesregierung laufen derzeit Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025. Mehrere Ressorts wollen Sparvorgaben von Lindner nicht einhalten. Lindner sagte, die Gespräche seien noch nicht abgeschlossen.
Lindner erklärte, es gehe nicht um einen Sparhaushalt, sondern darum, Prioritäten zu verschieben. Er nannte als Prioritäten Bildung, Investitionen, Impulse für Kaufkraft und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Stärkung innerer und äußerer Sicherheit. Lindner wies erneut auf steigende Sozialausgaben in den vergangenen Jahren hin.
FDP-Mann: Schuldenbremsen-Diskussion ist Scheindebatte
18.00 Uhr: Der Haushaltsexperte der FDP im Bundestag, Otto Fricke, sagte FOCUS online zur Schuldenbremsen-Diskussion: „Diese Scheindebatte führen wir nur, weil weite Teile der politischen Landschaft nicht bereit sind, in den sauren Apfel zu beißen und im Haushalt Prioritäten zu setzen.“ Schuldenmachen über das Maß der Verfassung hinaus sei keine Zukunftslösung. Fricke erinnerte daran: „Schon jetzt sind die Zinskosten mit rund 40 Milliarden Euro der viertgrößte Etat des Bundeshaushalts. Hätte die Bundesrepublik nur die Hälfte der Schulden gemacht, hätten wir heute diese Diskussion nicht. Insofern hat Olaf Scholz recht, wenn er im Sommerinterview sagt: 'Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben. Daran führt nun mal kein Weg vorbei.'“
FDP-Staatssekretär: „Für verfassungswidrigen Haushalt steht die FDP nicht zur Verfügung“
16.45 Uhr: Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Mitglied des FDP-Bundesvorstands, gab auf Nachfrage von FOCUS online den Hinweis: „Die Diskussion über eine Revision der Schuldenbremse ist akademisch hochinteressant, aktuell und auf absehbare Zeit aber praktisch irrelevant.“ Es seien deshalb „alle Koalitionspartner gut beraten, sich an den Koalitionsvertrag zu halten, die Politik der Bundesregierung am vorhandenen Geld auszurichten und Lösungen innerhalb des verfassungsmäßigen Rahmens zu suchen“. Der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende gab außerdem zu bedenken: „Die engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Aussetzung der Schuldenbremse sind zu respektieren. Für einen verfassungswidrigen Haushalt steht die FDP nicht zur Verfügung.“
FDP-Abgeordneter kritisiert SPD: „Legen vorsätzlich die Axt an den Fortbestand der Koalition“
14.45 Uhr: Frank Schäffler, FDP-Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags, schlug im FOCUS-online-Gespräch ebenfalls scharfe Töne an: „Wenn Teile der SPD die Schuldenbremse schleifen wollen, dann legen sie vorsätzlich die Axt an den Fortbestand der Koalition.“ Der 55-Jährige mahnte: „Gefragt sind jetzt Maßnahmen für eine Wirtschaftswende, die uns wieder auf einen Wachstumspfad bringen. Es kann nur verteilt werden, was vorher erwirtschaftet wurde.“
FDP-Finanzexperte zeigt sich kompromisslos: „Oder die Koalition ist nicht mehr“
13.41 Uhr: Der FDP-Finanzexperte Maximilian Mordhorst äußert sich im Gespräch mit FOCUS online kompromisslos: „Die Schuldenbremse wird so oder so nicht ausgesetzt: Entweder wir verständigen uns in der Koalition nochmals genau darauf, oder die Koalition ist nicht mehr.“ Der 28-jährige Politiker fügt hinzu: „Eine Schuldenpolitik auf Kosten kommender Generationen ist das Letzte, was Freie Demokraten vertreten würden. Deswegen müssen wir den Haushalt sanieren. Bei der Entwicklungshilfe können wir kürzen, und indem wir mehr Menschen in Arbeit bringen, sinken die Kosten für das Bürgergeld.“
FDP-Generalsekretär: „Schuldenpopulismus“ der SPD ist gefährlich
12.34 Uhr: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai pocht auf Einhaltung der Schuldenbremse und wirft dem größeren Koalitionspartner SPD vor, im Ringen um die Haushaltspolitik die wirtschaftliche Entwicklung zu gefährden. „Der Schuldenpopulismus der SPD vor allem ist an der Stelle auch gefährlich für die Zukunft und Entwicklung unseres Landes“, sagte Djir-Sarai. Er warnte: „Mit immer mehr Schulden und einer Ausweitung des Sozialstaates wird Deutschland nicht mehr Wachstum und Wohlstand generieren können.“
Einige Forderungen seien toxisch für den Wohlstand, sagte Djir-Sarai. Zudem stehe die Einhaltung der Schuldenbremse auch im Koalitionsvertrag. „Interessanterweise muss alles in Deutschland heutzutage nachhaltig sein. Das ist auch gut so, aber wir vergessen in der deutschen Politik oft, dass auch Finanzpolitik nachhaltig sein muss. Das heißt, keine Schulden, keine Belastungen auf Kosten künftiger Generationen“, forderte Djir-Sarai.
Breiter SPD-Widerstand gegen Scholz: „Wirtschaftliche Unvernunft“
11.31 Uhr: Kanzler Olaf Scholz gerät immer weiter in die Klemme. Die FDP will die Schuldenbremse unbedingt einhalten, droht mit dem Ampel-Aus (siehe unten). In der SPD formiert sich währenddessen ein lagerübergreifender Widerstand gegen eben jene Einhaltung der Schuldenbremse und die Spar-Pläne des Kanzlers.
Dorothee Martin (Netzwerk Berlin), Matthias Miersch (Parlamentarische Linke) und Dirk Wiese (Seeheimer Kreis) fordern, die Schuldenbremse auszusetzen. „Angesichts der außergewöhnlichen Notsituationen in der Ukraine und den deutschen Flutgebieten sollten wir auch in diesem Jahr die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse nutzen“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters die SPDler. Und weiter: „Das Dogma der Schwarzen Null bedeutet Stillstand und wirtschaftliche Unvernunft.“ Und damit der Wirtschaft „nicht die Luft zum Atmen“ genommen werde, erfordere die schwache Konjunktur eine Reform der Konjunkturkomponente in der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse.
Scholz hat vorgesehene Einsparungen für den Bundeshaushalt 2025 zuvor verteidigt. „Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben. Daran führt nun mal kein Weg vorbei“, sagte Scholz am Sonntag im Sommerinterview der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Die Koalition habe sich fest vorgenommen, einen Haushalt aufzustellen, der sich entlang der Finanzplanung für die Ressorts bewege.
Kubicki: „Wer die Verfassung brechen will, wird das nur ohne uns tun können“
11.05 Uhr: Auch Wolfgang Kubicki legt im Haushaltstreit nach. Der FDP-Vize sagt gegenüber FOCUS online: „Ich gehe eher davon aus, dass nicht nur 30 Abgeordnete der FDP-Fraktion absolut zur Schuldenbremse stehen, sondern alle 91. Das ist im Übrigen geltende Verfassungslage. Wer die Verfassung brechen will, wird das nur ohne uns tun können.“