„Gemeinsame Zukunft“: Warum Kim Jong-uns mächtige Schwester plötzlich Erzfeind Japan umwirbt

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Kim Yo-jong, die Schwester von Diktator Kim Jong-un, hat laut Staatsmedien für neue Beziehungen zu Japan geworben. Doch es gibt ein gewaltiges Hindernis: das ungeklärte Schicksal japanischer Geiseln in Nordkorea.

Kim Yo-jong, die einflussreiche Schwester von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un, ist für ihre unversöhnliche Rhetorik berüchtigt; ihr Biograf bezeichnet sie als „nukleare Despotin“ und „mächtigste Frau der Welt“. Am Donnerstag aber gab sich Kim Yo-jong, die Nummer zwei in Nordkorea, überraschend versöhnlich. Und das ausgerechnet in Richtung Japan, dem Erzfeind der abgeschotteten Diktatur. Sie könne sich mit dem Nachbarland eine „neue gemeinsame Zukunft“ vorstellen, erklärte Kim laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA in einem Pressestatement.

Kim reagierte auf einen Vorstoß von Japans Premierminister Fumio Kishida. Kishida hatte Anfang des Monats angekündigt, er strebe ein Treffen mit Diktator Kim Jong-un an. Vor dem japanischen Parlament sagte Kishida, es sei „extrem wichtig für mich, die Initiative zu ergreifen, um Beziehungen auf höchster Ebene aufzubauen“. Japan dürfe „keine Zeit verlieren“, so der Premier.

Wie die Financial Times unter Berufung auf Regierungsbeamte in Washington und Tokio berichtete, wolle Kishida mit dem Treffen die Freilassung von japanischen Geiseln erreichen, die seit den 1970er- und 1980er-Jahren in Nordkorea festgehalten werden. Tokio behauptet, dass Nordkorea noch zwölf japanische Staatsbürger an der Ausreise hindert; laut Pjöngjang sind acht der vermeintlichen Geiseln bereits verstorben, die anderen vier hätten Nordkorea nie betreten. Zuletzt hatte Nordkorea im Jahr 2002 fünf entführte Japaner freigelassen.

Kim Yo-jong bei einem Russland-Besuch im vergangenen September
Kim Yo-jong, hier bei einem Russland-Besuch im vergangenen September, ist die mächtigste Frau in Nordkorea. © Yuri Smityuk/Imago

Japan und Nordkorea: letztes Treffen vor 20 Jahren

Die USA unterstützen Kishidas Pläne für einen Nordkorea-Besuch. „Von amerikanischer Seite haben wir deutlich gemacht, dass wir für einen Dialog mit den Nordkoreanern ohne Vorbedingungen offen sind, und ich denke, das gilt auch für unsere gleichgesinnten Partner und unsere engen Verbündeten“, sagte die US-Sondergesandte für Menschenrechtsfragen in Nordkorea, Julie Turner, am Mittwoch in Tokio.

Sollte Fumio Kishida tatsächlich mit Kim Jong-un zusammenkommen, wäre es das erste Treffen eines japanischen Premiers und eines nordkoreanischen Führers seit 20 Jahren. Kim Yo-jong bewertete Kishidas Rede als „positiv, wenn sie von seiner wirklichen Absicht getragen wäre, sich mutig von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien und die Beziehungen zwischen Nordkorea und Japan zu fördern“. Das sei allerdings nur ihre „persönliche Sichtweise“; Nordkoreas Staatsführung habe „kein Interesse“, Kontakt mit Tokio aufzunehmen. Zudem erklärte Kim, die Entführungsfrage sei „bereits geklärt“.

Kim Yo-jong verteidigte zudem die Waffentests, die Nordkorea seit Monaten durchführt und die Japan stets scharf kritisiert. Dabei handle es sich um Nordkoreas „legitimes Recht zur Selbstverteidigung“, so Kim. Pjöngjang hat seit Jahresbeginn mindestens fünf Tests von Marschflugkörpern durchgeführt und erst am Donnerstag die Erprobung einer Anti-Schiffsrakete gemeldet.

Auch Kim Jong-un sendet Signal an Japan

Kim Yo-jongs Stellungnahme ist bereits das zweite versöhnliche Signal in Richtung Japan, das in diesem Jahr aus Pjöngjang kommt. So hatte Diktator Kim Jong-un Anfang Januar in einer seltenen Geste der japanischen Regierung sowie den Betroffenen des schweren Erdbebens, bei dem am Neujahrstag mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen waren, sein Beileid ausgedrückt.

Japan und Nordkorea unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen. Die koreanische Halbinsel war von 1910 bis 1945 eine japanische Kolonie, in dieser Zeit wurden unzählige Koreaner zu Zwangsarbeit verpflichtet, zudem wurden koreanische Frauen von den japanischen Besatzern als Sexsklavinnen missbraucht. Jahrzehntelang machte dieses düstere Kapitel der japanischen Geschichte auch die Annäherung zwischen Tokio und Seoul schwierig; unter dem konservativen südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol gingen beide Länder zuletzt allerdings wieder aufeinander zu. Zudem stärkten Südkorea und Japan ihre Allianz mit den USA. Hintergrund ist neben der Bedrohung aus Pjöngjang auch das zunehmend aggressive Auftreten Chinas in der Region.

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