Neue Daten zu Ukraine-Militärhilfen: „Kollaps“ im Herbst – und Überraschung um Deutschland und Europa

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Welches Land leistet wie viel bei der Militärhilfe für die Ukraine? Neue Daten zu USA, Europa und Deutschland überraschen.

München – Die Ukraine braucht weiterhin jede Hilfe bei der Verteidigung gegen Russlands Angriffskrieg – es fehlt nach Experteneinschätzungen an Munition, aber auch an Geld im Staatshaushalt. Wer aber gibt wie viel für den ukrainischen Verteidigungskampf? Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) hat am Freitag (16. Februar) am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz neue Daten vorgestellt.

Basis des „Ukraine-Trackers“ sind nunmehr auch für die nahe Zukunft „zugewiesene Hilfen“ etwa aus länger laufenden Programmen, nicht nur tatsächliche Lieferungen, wie Wirtschaftswissenschaftler Christoph Trebesch erklärte. Das Ergebnis könnte überraschen: Laut den Erhebungen des IfW Kiel ist Europa schon seit Beginn des Ukraine-Kriegs insgesamt betrachtet der wichtigste Hilfsgeber. Und innerhalb des Kontinents ist Deutschland mittlerweile der wichtigste Helfer, auch bei Militärhilfen – weit vor dem lange Zeit als „entschlossenster Unterstützer“ der Ukraine gelabelten Vereinigten Königreich.

Ukraine braucht (Militär-)Hilfe: Welches Land gibt wie viel?

In Sachen militärischer Unterstützung hätten die USA nach wie vor die Führungsrolle inne, sagte Trebesch. Neu sei allerdings, dass Europa beim Gesamtvolumen aller bereitgestellter Hilfen die Spitzenposition einnehme. Besonders groß werde der Vorsprung sowohl beim Blick auf „bereitgestellte“ als auch versprochene, aber noch nicht zwingend gelieferte oder überwiesene Hilfen. Positiv betrachtet heißt das: Die Europäische Union hat noch viel Spielraum für weitere Hilfen.

Ein Beispiel sind Bestandteile des unlängst nach langem Ringen beschlossene 50-Milliarden-Euro-Pakets. Und auch die Lücke in Sachen bereitgestellter militärischer Hilfe schmelze: Bis 15. Januar hätten die US 43,2 Milliarden Euro für Waffen und Ähnliches bereitgestellt – die Europäer inklusive Norwegen, Schweiz, UK und Island nur rund zwei Milliarden weniger. Die US-Töpfe hätten sich über die Zeit „erschöpft“, heißt es im IfW-Kiel-Bericht. Aktuell ringt der US-Kongress um neue Gelder für die Ukraine.

Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem Kampfpanzer Leopard 2
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Oktober 2022 vor einem Kampfpanzer Leopard 2. © IMAGO/Björn Trotzki

Den Kieler Daten zufolge hat Deutschland einen Gegenwert von 9,36 Milliarden Euro allein an militärischer Hilfe bereitgestellt. Der Spitzenplatz relativiert sich allerdings ein wenig, gemessen an der wirtschaftlichen Stärke der jeweiligen Staaten. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt leisten Estland und Dänemark am meisten. London habe vor allem in den vergangenen sechs Monaten weniger für die Ukraine getan. Auch Polen habe 2023 auf der militärischen Seite wohl nicht mehr viel getan.

Ukraine-Militärhilfen aus Europa: Die wichtigsten Unterstützer – Deutschland führt

  1. Deutschland – 9,36 Milliarden Euro
  2. „Skandinavien“ (Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden) – 9,12 Milliarden Euro
  3. Vereinigtes Königreich – < 5 Milliarden Euro
  4. Polen – > 2 Milliarden Euro (unsichere Quellenlage)
  5. Frankreich - 1,7 Milliarden Euro (unsichere Quellenlage)

Stand: 15. Januar 2024

Ukraine-Hilfen erlebte im Herbst „Kollaps“: Frankreichs Leistungen vergleichsweise gering

Trebesch warnte vor einem bedenklichen Trend. Die „Dynamik“ bei den Ukraine-Hilfen sei wesentlich geringer als noch vor einem Jahr. Seit Herbst habe es geradezu einen „Kollaps“ bei neuen Unterstützungen gegeben, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Die ausgewerteten Daten beziehen sich Trebesch zufolge allerdings auf den Zeitraum von Kriegsbeginn bis 15. Januar 2024. In der Folgezeit habe es wieder etwas mehr Bewegung gegeben, relativierte er. Tatsächlich scheint Wladimir Putins Russland auf eine „Kriegsmüdigkeit“ im Westen und auch der EU zu setzen.

Die Daten des IfW Kiel wurden zuletzt unter anderem in Frankreich kontrovers diskutiert. Man beziehe sich immer auf öffentlich zugängliche Daten, erklärte Trebesch dazu. Paris gebe aber vergleichsweise wenig preis. Ein parlamentarischer Bericht habe zuletzt allerdings Einblick gegeben – dieser lege nahe, dass Frankreich mit seinen Leistungen bei allen Unklarheiten weit hinter Ländern wie Deutschland zurückbleibe.

Auch weitere kleine Einschränkungen sind nötig. So floss laut Trebesch nur „Schlüssel-Militärausrüstung“ in die Zahlen ein. Dazu bei den Gesamtzahlen humanitäre und Finanzhilfe. Militärisches Training, Geheimdiensterkenntnisse oder der Zugang zum europäischen Satelliten-Navigationssystem Galileo seien nicht erfasst. Der Wirtschaftswissenschaftler wies auch darauf hin, dass es bei einigen Staaten Interesse gebe, die Zahlen groß wirken zu lassen – etwa indem bei altem Militärmaterial der Neubeschaffungswert des Ersatzes angesetzt werde. Das betrachte man kritisch. (fn)

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