Machen Hitze und Klimawandel Kinder krank? „Chronisch Kranke besonders gefährdet“
Dr. Stefanie Haberger ist Kinderärztin und Allergologin. Im Interview spricht sie über die Auswirkungen des Klimawandels auf Kindergesundheit.
Die Winter werden kürzer und milder, die Sommer länger und heißer. Die zunehmenden Hitzewellen sowie die veränderten Vegetationszeiten in Folge des Klimawandels stellen besonders für die Gesundheit von Kindern ein großes Problem dar. Inwiefern Kindergesundheit und der Klimawandel zusammenhängen und worauf Eltern unbedingt achten sollten, erklärt im Interview mit unserer Zeitung Dr. Stefanie Haberger (46). Die zweifache Mutter aus Lenggries arbeitet in der Fachklinik Gaißach als Kinder- und Jugendärztin sowie Allergologin.

Frau Dr. Haberger, Sie befassen sich beruflich unter anderem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Kindergesundheit. Wie hängt das zusammen?
Durch den Klimawandel haben wir auch hier mit mehr Hitze zu kämpfen. Das bedeutet, wir haben zum einen heißere Sommertage und zum anderen auch mehr heiße Tage pro Jahr. Außerdem haben die veränderten Vegetationszeiten, das vermehrte Pollenaufkommen und die Luftverschmutzung durch Ozon und Feinstaub besonders Einfluss auf Kinder mit zum Beispiel Allergien und Asthma. Auch kommt es zu neuen und häufigeren Infektionskrankheiten, beispielsweise durch Zecken oder Mücken.
Wieso ist speziell der Körper von einem Kind bei Hitze gefährdet?
Besonders gefährdet sind chronisch kranke und alte Menschen und die, die sich beispielsweise schlecht der Hitze entziehen können, wie Obdachlose und Menschen mit Arbeiten im Freien. Wir sehen auch mehr Frühgeburten bei Hitzewellen. Kinder sind in besonderem Maße gefährdet, weil sie sich weniger gut an die Hitze anpassen können. Sie bauen bei Bewegung schneller Wärme auf und nehmen durch die größere Körperoberfläche im Vergleich zur Körpergröße mehr Hitze auf, diese abzugeben dauert bei ihnen wiederum länger. Zudem ist die Schweißregulation noch nicht ausgereift, was bedeutet, dass Kinder weniger schwitzen als Erwachsene. Das ist aber eine wichtige Kühlfunktion des Körpers. Es gibt dazu dann noch einige verhaltensbedingte Gründe.
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Welche?
Naja, Kinder bewegen sich viel im Freien und deutlich mehr als Erwachsene. Überdies sind sie auf Bezugspersonen und Eltern angewiesen, weil sie noch zu jung sind oder selbst noch nicht wahrnehmen, wenn sie aus der Sonne sollten, durstig sind oder es ihnen zu heiß wird.
Wie äußert sich eine zu große Hitzebelastung bei Kindern?
Das kann verschiedene Symptome hervorrufen. Beispielsweise Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Bauchbeschwerden. Schlimmer wird es dann schon, wenn es zu Hitzekrämpfen oder einem Sonnenstich kommt. Im schlimmsten Fall tritt ein Hitzschlag ein, das ist dann bereits ein medizinischer Notfall, der umgehend in einer Klinik behandelt werden muss, weil es sonst zu massiven Schäden an den Organen bis zum Versagen kommen kann.
Wie reagiert man richtig, wenn ein Kind eins der Symptome an heißen Tagen zeigt?
Aus der Sonne raus, Ruhe und kühlende Maßnahmen ergreifen. Wenn das nicht hilft, einen Arzt aufsuchen.
Wie können Eltern vorbeugen?
Es ist wichtig, die Kinder an heißen Tagen gut zu beobachten und mit entsprechenden Maßnahmen vorzubeugen. Vieles macht man sowieso intuitiv richtig. Es beginnt schon bei der Ernährung. Am besten Lebensmittel mit hohem Wassergehalt anbieten, wie Gurke oder Wassermelone. Dazu muss man darauf achten, dass die Kinder genügend und regelmäßig trinken. Weiter ist es wichtig, dass sie nicht zu lange in der Sonne sind, eine Kopfbedeckung und leichte luftdurchlässige Kleidung tragen und mit hohem UV-Schutz eingecremt sind. Auch muss man beachten, dass chronisch Kranke oder Kinder mit Behinderung oder speziellen Medikamenten nochmal deutlich sensibler auf Hitze reagieren und sich andersrum auch ihre Grunderkrankungen verschlechtern können. Gut ist, wenn man sich mit dem Arzt bespricht, ob etwas beachtet werden muss bei Hitzewellen, zum Beispiel Medikamente anders eingenommen oder gelagert werden müssen.
Unabhängig von der Hitzeproblematik, sagen Sie auch, dass der Klimawandel einen Einfluss auf Allergiker hat?
Genau. Durch den Klimawandel haben sich die Vegetationszeiten verändert. Vieles blüht deutlich länger in die Herbst/Wintermonate hinein und Frühblüherpollen fliegen schon im Dezember, weil wir keine strengen Winter mehr haben. Dazu ist die Luft verschmutzter, was die Atemwege belastet und die Pollen leichter in die Atemwege bringt. Außerdem sind die Pollen deutlich potenter geworden. Und uns fällt deutlich auf, dass Kinder mit Allergieproblemen immer stärkere Symptome und mehr Sensibilisierungen zeigen.
Sie sind im Ausschuss für Kindergesundheit und Klimawandel des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Was ist ihr Ansinnen?
Wir wollen als Kinderärzte unsere Kinder und unsere Lebensgrundlage schützen. Auch das ist die Aufgabe von uns Ärzten. Wir wollen keine Panik machen, aber die Veränderungen ernst nehmen. Es geht darum, Menschen für die Themen zu sensibilisieren, aufzuklären und Schutzmaßnahmen zu etablieren, vor allem aber auch darum, dass man erkennt, dass Klimaschutz Hitzeschutz, Gesundheitsschutz und Kinderschutz gleichzeitig ist. Wenn ich mich aktiv bewege, anstatt mit dem Auto zu fahren, schütze ich die Umwelt und meine eigene Gesundheit, tue etwas gegen die Erderwärmung, schlage so also drei Fliegen mit einer Klappe. Gesunde Kinder gibt es nur auf einer gesunden Erde.