Mehr Frauen in die Kommunalpolitik: „Es ist nicht wie mit Haien tauchen“

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Wie man mehr Frauen in die Politik bringen könnte – darüber diskutierten (v. li.) Ann-Kathrin Güner, Annette Heinloth, Marlene Greinwald, Kathrin Alte und Lisa Wiedemann. © maw

Wie kann es gelingen, mehr Frauen zu kommunalpolitischem Engagement zu bewegen und in die Stadt- und Gemeinderäte zu bringen? Um diese Frage ging es jetzt bei einer Veranstaltung.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Bei Kommunalwahlen lassen sich meist weit weniger Frauen als Männer für die Gemeinderäte aufstellen. Dies zu ändern und Frauen in der Kommunalpolitik sichtbarer zu machen – darum drehte sich nun die sehr gut besuchte Veranstaltung „Starke Frauen. Starke Demokratie“ im Landratsamt. Es ging um Kompetenz, Mut und auch um Sexismus.

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„Sind sie eigentlich aufgrund ihres guten Aussehens in der Politik?“

Nachdem Kathrin Alte die Frage gestellt hatte, ist es kurz still im Raum. „Sind sie eigentlich aufgrund ihres guten Aussehens in der Politik?“, hatte sie Lokalpolitiker Rudi Mühlhans aus Benediktbeuern gefragt. Etwas irritiert erwidert dieser: „Ich schaue nicht so oft in den Spiegel.“ Alte spricht weiter. „Genau diese Frage wurde mir tatsächlich so gestellt“, sagt die Bürgermeisterin der Gemeinde Anzing im Landkreis Ebersberg. Ebenso wie Fragen darüber, wie viele Dirndl sie im Kleiderschrank habe oder ob sie etwa zugenommen habe. Auch die Tutzinger Altbürgermeisterin Marlene Greinwald kann reichlich von unpassenden Fragen und Kommentaren erzählen. „Heute ist die Frisur schön, gestern war sie nicht schön.“ Es seien Fragen, die männlichen Politikern nie gestellt werden.

Wenige weibliche Abgeordnete in den Gremien vertreten

Darum, wie Frauen politisch sichtbarer und wirksamer werden, ging es bei der Veranstaltung „Starke Frauen. Starke Demokratie“ im Landratsamt, die von der Gleichstellungsbeauftragten Felicitas Wolf sowie der Initiative „weiblich.wirkt“ veranstaltet wurde. Die Stuhlreihen im Sitzungssaal waren vorwiegend mit Zuhörerinnen besetzt. Weit weniger gut mit Frauen besetzt seien hingegen die Plätze in den Gemeinderäten im Landkreis. „Weniger als ein Drittel“ der Mandatsträger seien Frauen, wo es doch eigentlich die Hälfte sein sollte. Im Bundestag sehe es nicht besser aus. Die Anzahl der weiblichen Abgeordneten ging weiter zurück. „Es gibt also was zu tun.“

Bayernweite Initiative: „Bavaria ruft!“ unter Schirmherrin Ilse Aigner

Aus diesem Grund gründete Kathrin Alte gemeinsam mit der Lindauer Oberbürgermeisterin Claudia Alfons die bayernweite Initiative „Bavaria ruft!“, die an die Schweizer Initiative „Helvetia ruft“ angelehnt ist. Schirmherrin ist Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Es handelt sich um ein parteiübergreifendes Engagement, das mehr Frauen in die Räte bringen möchte. In ihrem eigenen Gemeinderat in Anzing seien 5 von 16 Parlamentariern weiblich. „Das ist noch lange nicht, wo wir hinwollen“, betont Alte.

Vor allem mit Blick auf die bevorstehende Kommunalwahl im März 2026 sei es wichtig, dass sich mehr weibliche Kandidaten aufstellen lassen. Was sie davon abhält, konnten die Teilnehmerinnen anonym auf Zettel schreiben. „Angst vor Sexismus“, zu viel „Mental Load“ durch Beruf und Familie, aber auch die Angst, dafür nicht qualifiziert zu sein, waren die Antworten. Letzteres Argument höre sie immer wieder, sagte Alte. Auch die männlichen Kollegen im Gemeinderat hätten nicht mehr Ahnung und müssten ins Amt hineinwachsen. Vor allem sei es für Frauen an der Zeit, Netzwerke zu bilden. Es gelte aber, nicht gegen Männer, sondern mit ihnen zu arbeiten.

Rahmenbedingungen müssen sich ändern

Verbessern müssten sich die Rahmenbedingungen, waren sich alle einig. Keine Gemeinderatssitzungen bis nach Mitternacht, Hybrid-Sitzungen, an denen man auch online teilnehmen könne. Dies sei auch für Männer von Vorteil. In Augsburg aber auch im Landkreis Starnberg funktioniert das schon, wie die Starnberger Kreisrätin Marlene Greinwald verriet, die den Verein FidiP – „Frauen in die Politik“- vorstellte. Wenn Frauen nicht 50 Prozent in der Politik einnehmen, werde sich nichts ändern, davon sei sie überzeugt.

Kathrin Kugler und Lisa Wiedemann stellten schließlich ihre parteiunabhängige Initiative „weiblich.wirkt“ vor, die an der Unterrepräsentation von Frauen in den Gremien im Landkreis etwas verändern möchte. Sie sehen sich als „Puzzlestück im bundesweiten Engagement“, so Kugler. Zielgruppen seien Einsteigerinnen, Wiedereinsteigerinnen, aber auch aktive Kommunalpolitikerinnen.

Mit dem Baby in den Bauausschuss

Zuletzt fand noch eine kleine Fragerunde statt, in der Wiedemann, Alte, Marlene Greinwald, aber auch Annette Heinloth, Dritte Bürgermeisterin von Wolfratshausen, und die Geretsrieder Stadträtin Ann-Kathrin Güner sprachen. Güner erinnerte sich daran, wie sie mit ihrem vier Wochen alten Baby in einer Bauausschusssitzung saß. Auch sie musste sich vieles aneignen und lernen, als sie in den Stadtrat nachrückte. Wenn man etwas nicht wisse, sei es keine Schande nachzufragen, betonte sie. „Nachfragen und neu sein ist so cool.“ Auch, weil es für die „alten Hasen“ neue Perspektiven eröffne. Immer wieder ermutige sie Frauen, sich zu trauen. „Einfach mal reinspringen. Es ist nicht schlimm. Es ist nicht mit Haien tauchen.“

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