Jubel über viele Flüchtlinge in Arbeit - doch es gibt drei große Knackpunkte

Zehn Jahre nach Angela Merkels berühmtem Satz "Wir schaffen das" fehlt es nicht an Erfolgsmeldungen über die gelungene Integration der 2015 zu uns gekommenen Flüchtlinge. Die Integration in den Arbeitsmarkt scheint – den Zahlen zufolge – recht gut gelungen.

64 Prozent der Flüchtlinge in einem Beschäftigungsverhältnis

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) bei der Bundesanstalt für Arbeit hat jetzt Zahlen zur Beschäftigung der Flüchtlinge des "Jahrgangs 2015" geliefert: Die Beschäftigungsquote der 2015 Zugezogenen habe sich "weitgehend dem Niveau des Bevölkerungsdurchschnitts angepasst".

Die wichtigste IAB-Zahl: Neun Jahre nach ihrer Ankunft befinden sich 64 Prozent der Flüchtlinge in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

Aber: Ein Drittel ist auch zehn Jahre nach seiner Ankunft noch immer nicht in den Arbeitsmarkt integriert. Das gilt vor allem für die Frauen der Zugewanderten. Von ihnen sind nur 35 Prozent beschäftigt.

Flüchtlinge erreichen nur 70 Prozent der mittleren Verdienste

Mit einer Beschäftigungsquote von 64 Prozent bei den Erwerbsfähigen im Alter zwischen 18 und 64 liegen die Flüchtlinge fast gleichauf mit den Deutschen. Deren Beschäftigungsquote beträgt 70 Prozent.

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Die Flüchtlinge erreichen nur 70 Prozent der mittleren Verdienste aller Vollzeitbeschäftigten. Sie liegen damit nur knapp über dem, was Arbeitnehmer mit Mindestlohn verdienen. Die kommen auf 66 Prozent des mittleren Einkommens.

Mangelnde Sprachkenntnisse und fehlende Qualifikationen als Hindernis

In den relativ niedrigen Einkommen spiegelt sich wider, dass Geflüchtete zahlreiche Hindernisse zu überwinden hatten und haben: mangelnde Sprachkenntnisse, vielfach nur ein geringes Bildungs- und Ausbildungsniveau, Berufsabschlüsse, die hier nicht anerkannt werden, unverarbeitete Traumata, die mit den Zuständen in ihrer alten Heimat und der Flucht zusammenhängen.

Mangelnde Sprachkenntnisse und fehlende Qualifikationen haben zur Folge, dass viele Flüchtlinge in Dienstleistungsberufen arbeiten. Diese sind aber schlechter bezahlt als etwa Fachkräfte im produzierenden Gewerbe.

Fratzschers These: Flüchtlinge als "Konjunkturprogramm"?

2015 waren viele Stimmen zu hören, die den ungeregelten und unkontrollierten Zustrom von Menschen geradezu als Segen für unsere Wirtschaft ansahen.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW), Marcel Fratzscher, stellte Anfang 2016 die kühne These auf, die Ausgaben für Flüchtlinge wirkten "wie ein Konjunkturprogramm". Außerdem seien "etwa ein Viertel der Geflüchteten gut qualifiziert".

Die Feststellung der IAB-Forscher, wonach die Flüchtlinge von 2015 kaum mehr als Mindestlohnempfänger verdienen, passt nicht zu der These von dem hohen Anteil "gut qualifizierter" Migranten.

Der nächste Irrtum: Flüchtlinge als Retter der Rentenkasse

Noch eine weitere Jubel-These Fratzschers war, wie der IAB-Bericht zeigt, verfehlt. Fratzscher damals: "Viele der Geflüchteten werden die Renten der Babyboomer zahlen".

Im Niedriglohnbereich Beschäftigte zahlen jedoch nur relativ geringe Rentenbeiträge. Die werden nicht ausreichen, um die Lücke zwischen der rückläufigen Zahl von Beitragszahlern und der wachsenden Zahl von Ruheständlern auszugleichen.

Rentenkasse wird nicht entlastet, sondern belastet

Viele Flüchtlinge werden nicht nur nicht die Rentenkasse entlasten, sondern sie sogar belasten. Wer erst im Alter von etwa 30 Jahren nach Deutschland kommt und unterdurchschnittlich verdient, kann kaum die notwendigen Punkte für eine eigene auskömmliche Rente erwerben.

Es steht also zu befürchten, dass die 2015 zu uns Gekommenen als Rentner auf die Grundsicherung angewiesen sein werden. Die Babyboomer sollten sich jedenfalls nicht auf sie als Rentenfinanziers verlassen.

Nicht nur der DIW-Chef hat sich 2015 bei seinem Lob für die Politik der unkontrollierten Zuwanderung schwer getäuscht. David Folkerts-Landau, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hielt den Zustrom sogar für einen Glücksfall. Wörtlich: "Dass eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, ist für mich das Beste, was 2015 passiert ist."

Jeder sechste Beschäftigte ist ein "Aufstocker"

Das dürften die meisten Finanz- und Sozialpolitiker heute ganz anders beurteilen. Selbst zehn Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland lebt immer noch ein Drittel (34 Prozent) der Flüchtlinge in Haushalten, die Bürgergeld oder Grundsicherung beziehen.

Zudem ist jeder Sechste (16 Prozent) von den 64 Prozent Beschäftigten ein Aufstocker. Er erhält also zusätzlich zu seinem niedrigen Lohn noch Bürgergeld. Diese Aufstocker werden im Alter mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Grundsicherung angewiesen sein. Sie sind also vom Tag eins ihrer Ankunft in Deutschland an Nettoempfänger.

"Arbeit gibt es genug", aber der Wille fehlt?

Ungeachtet der niedrigen Durchschnittseinkommen der 2015 Zugezogenen und des immer noch hohen Anteils an Sozialleistungsbeziehern gibt es zahlreiche Beispiele für Flüchtlinge mit überdurchschnittlicher Qualifikation und beeindruckenden Karrieren.

Folkerts-Landau von der Deutschen Bank hatte insofern Recht: "Arbeit gibt es genug". Aber nicht jeder ist bereit, sich entsprechend anzustrengen. Das gilt im Übrigen auch für viele Deutsche, die Bürgergeld einem mäßig bezahlten Vollzeit-Job vorziehen.

Eine Million Flüchtlinge war nicht "das Beste, was 2015 passiert ist"

Gleichwohl haben "wir" vieles nicht geschafft, was 2015 im Überschwang so einfach aussah. Und das gleich dreifach: Die meisten Flüchtlinge von 2015 tragen nichts zur Beseitigung des Fachkräftemangels bei. Aufgrund der niedrigen Verdienste und des (relativ) späten Beginns, Rentenbeiträge zu entrichten, werden die meisten im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein.

Jeder Sechste ist bereits jetzt Aufstocker, wird folglich im Alter mit hoher Wahrscheinlichkeit Grundsicherung beziehen. Man kann also bei nüchterner Betrachtung zu dem Schluss kommen, dass eine Million Flüchtlinge keineswegs "das Beste war, was 2015 passiert ist."