Millionen Rentnern droht die Kürzung der Rente – wie konnte das passieren?

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Nicht alle Menschen sind über die gesetzliche Rentenversicherung versorgt. Für einige Berufsgruppen sind die Versorgungswerke zuständig. Das birgt für einige Renten ein Risiko.

München – Das neue Jahr beginnt erneut mit einer stagnierenden Wirtschaft. Auch wenn im Februar gewählt wird und das Land eine neue Bundesregierung bekommt, erwarten Ökonomen für 2025 keine Erholung. Die Zahl der Arbeitslosen könnte im Mittel auf drei Millionen ansteigen. Noch dazu kommen Unsicherheiten wie der bald wieder ins Amt kommende US-Präsident Donald Trump und die Probleme, die er der deutschen Wirtschaft bringen könnte.

Wirtschaftsflaute trifft auf die Versorgungswerke: Renten von vielen Menschen im Risiko

Wie es der Wirtschaft geht, kann natürlich auch Folgen für Anleger haben. Dabei denken die meisten nicht daran, dass gerade die großen Versorgungswerke, die Millionen Rentner und Rentnerinnen aus kammerfähigen Berufen versorgen, mit viel Kapital am Markt hantieren. Und in den vergangenen Jahren haben die durchaus risikoreich angelegt.

Besonders im Fokus waren zuletzt die risikoreichen Anlagen der Berliner Zahnärzte, die im Jahr 2022 schon 45 Millionen Euro abschreiben musste und nun, wie aus dem aktuellen Geschäftsbericht hervorgeht, auch für das Jahr 2023 ganze 65 Millionen Euro abschreiben. Das Versorgungswerk hat insgesamt über 10.000 Mitglieder, die entweder bereits eine Rente beziehen oder in Zukunft eine beziehen wollen. Damit erreicht das Versorgungswerk nicht die vorgesehenen drei Prozent Rendite, sondern nur 2,36 Prozent, wie es im Bericht heißt.

Geld der Mitglieder wurde risikoreich angelegt: Das hat Folgen für die Renten

Und auch für 2024 soll es nicht gut aussehen, das schreibt das Versorgungswerk ganz offen: „Wird 2024 besser für uns als 2023? Das muss man wohl mit einem klaren Nein beantworten“, heißt es im Ausblick. Als Grund für die schlechte Rendite, die sich direkt auf die Renten der Berliner Zahnärzte auswirken wird, wird im Geschäftsbericht das Ende der Niedrigzinsphase genannt. „Die Investments, die uns in der Nullzinsphase den Ertrag sicherten, kosten uns jetzt Ertrag“, so die Begründung.

Was waren also diese Investments? Laut Bericht waren das Immobilienfonds, Unternehmen, Beteiligungen, Aktien. Also eigentlich ein breit gestreutes Portfolio, das die Rendite sichern sollte. Doch wie die WirtschaftsWoche berichtet, hat genau dieses Versorgungswerk durchaus risikoreich investiert: in eine Garnelenzucht zum Beispiel, oder in eine Recyclingfirma in Ghana.

Versorgungswerke sind in der Niedrigzinsphase mehr ins Risiko gegangen

Das ist bei den berufsständischen Versorgungswerken kein Einzelfall. Denn wie der Versicherer Allianz auf seiner Webseite erklärt, passen die Versorgungswerke ihre Anlagestrategie auch immer an die Konjunktur an. In dem vergangenen Jahrzehnt des Niedrigzinses waren Festzinsanlagen, in die noch im Jahr 2000 gut 77 Prozent der Kapitalanlagen investiert waren, nicht mehr besonders attraktiv. Die schmalen Renditen dienten nicht mehr dazu, die versprochenen Renten der Mitglieder zu decken – und das Geld wurde anders, und zwar risikoreicher, angelegt. Ende 2020 betrug der Anteil der Kapitalanlagen in Festzinsangeboten entsprechend nur noch 46 Prozent.

Mehr Geld in der Rente: Das sollten 2025 Rentner und Rentnerinnen wissen.
Mehr Geld in der Rente: Das sollten 2025 Rentner und Rentnerinnen wissen. © IMAGO/Rainer Berg

Risikoreiche Anlagen, das bedeutet in diesem Fall: Immobilien und Unternehmensbeteiligungen – die jetzt aber in der Wirtschaftsflaute ins Kriseln kommen. Die Immobilienpreise befinden sich im freien Fall, besonders die für Büroflächen und Gewerbeimmobilien sind betroffen, da es einen Trend zum Homeoffice gibt. Und auch bei den Unternehmen sieht die Situation gerade alles andere als rosig aus. Überall müssen Stellen abgebaut werden, und es hat 2024 eine regelrechte Pleitewelle gegeben, die sich in das Jahr 2025 fortziehen soll.

Versorgungswerke können die Rente kürzen – oder Beiträge anheben

Das hat Folgen für Anleger – und damit auch die Versorgungswerke. Sie könnten nun Verluste machen, was die Auszahlung der Renten betreffen wird. Denn um die Renten der Mitglieder zu sichern, brauchen die eine Rendite von drei bis vier Prozent im Jahr. Um Verluste ausgleichen, können die Versorgungswerke die Renten ihrer Mitglieder kürzen. Sie können auch die Beitragszahlungen erhöhen, um mehr Geld heranzuschaffen. Doch so richtig zufrieden dürften die Mitglieder nicht sein, wenn so mit ihrem Geld umgegangen wird.

Auch möglich ist, dass die Versorgungswerke erstmal an ihre Reserven gehen und daraus die Verluste ausgleichen. Doch in der Regel reicht diese Reserve nicht aus, um langfristig die Renten stabil halten zu können. Eine neue Strategie muss her: Entweder geht es zurück zu den Festzinsanlagen – die gerade wieder etwas attraktiver geworden sind – oder die aktuelle Flaute wird einfach ausgehalten, bis es wieder bergauf geht. Es wird auch mit Sicherheit stark vom jeweiligen Versorgungswerk abhängen, wie die Lage bei ihnen aussieht. Betroffene sollten die Situation allerdings im Blick behalten.

Angehende Rentner können nicht aus dem Versorgungswerk austreten

Leider können die Mitglieder nicht viel dagegen ausrichten. Denn wer als Arzt, Tierarzt, Zahnarzt, Steuerberater, Jurist oder in einem anderen kammerfähigen Beruf tätig ist, für den ist das Versorgungswerk eine Pflichtversicherung. Aus Protest austreten, ist also keine Option. Bleibt lediglich die Aufforderung an das Versorgungswerk, doch die Anlagestrategie anzupassen.

Im Fall der Berliner Zahnärzte ist die Nachricht wohl auch schon angekommen. Im Geschäftsbericht schreiben die Zahnärzte: Man habe „für diese raue See“ Reserven aufgebaut und beschlossen, die Anlagestrategie anzupassen, „wieder zurück zu festverzinslichen Wertpapieren“. Man bleibe „getreu dem Motto: Hätte , Könnte , Sollte , Machen“. Man kann für die Millionen Rentner und Rentnerinnen und den Anwärtern für die Renten im Land nur hoffen, dass auch andere Versorgungswerke diese Einsicht zeigen – bevor die Rente verzockt wird.

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