Schock für eine Million Rentner? Wirtschaftsflaute droht in Renten-Kürzung zu münden
Die anhaltende Wirtschaftsflaute hat vermutlich Folgen für die Renten in den Versorgungswerken. Die haben die Beiträge nämlich teilweise risikoreich angelegt – und machen jetzt Verluste.
Berlin – Wer sein Geld auf dem Kapitalmarkt anlegt, muss damit rechnen, dass es auch mal auf und ab geht. Dieses Risiko kennt jeder, der in Aktien oder ETFs angelegt hat. Wer mit dem Ziel, langfristige Renditen zu erzielen, sein Geld anlegt, kann aber über die Jahre schon was ansammeln. Trotzdem bleibt es ein Risiko.
Wenig erfreulich dürfte die Nachricht, die viele Pensionäre von kammerfähigen Berufen bald erreichen könnte, daher sein. Aufgrund einer risikoreicheren Anlagestrategie machen Versorgungswerke jetzt in der Wirtschaftsflaute erste Verluste. Kurz und oder lang bedeutet das: Renten müssen womöglich gekürzt werden.
Rente aus dem Versorgungswerk: Diese Berufe sind betroffen
Wer in einem kammerfähigen Beruf arbeitet - häufig auch „verkammerte Berufe“ genannt - der bezieht seine spätere Rente hauptsächlich aus dem Versorgungswerk für diesen Beruf. Berufsständische Versorgungswerke gibt es unter anderem für folgende Berufsgruppen:
- Ärzte aller Art
- Apotheker
- Juristen und Notare
- Steuerberater
- Architekten
- Wirtschaftsprüfer
- Psychotherapeuten
- Ingenieure
Wer in einem kammerfähigen Beruf arbeitet, der ist pflichtversichert beim jeweiligen Versorgungswerk auf Länderebene. Also: Wer als Tierärztin in München arbeitet, ist beim Versorgungswerk der Tierärzte in Bayern versichert. Neben der Altersrente kümmern sich die Versorgungswerke auch um die Hinterbliebenen- und Erwerbsminderungsrenten.
Finanzierung der Renten aus dem Versorgungswerk: So funktioniert das System
Die Finanzierung der Renten funktioniert dabei ganz anders als bei der Deutschen Rentenversicherung. Dort zahlen Arbeitnehmende in die Rentenkasse ein und die Beiträge fließen weiter an die heutigen Rentner und Rentnerinnen. Das nennt man das Umlagesystem: Die Beiträge werden umgelegt auf die Renten.
Bei den Versorgungswerken werden die Beiträge der Mitglieder gesammelt und zu einem bestimmten Anteil kapitalbildend angelegt, mit dem Ziel, dass dieses Geld plus etwaige Renditen später als Rente ausgezahlt werden kann. Ein Teil der Mitgliederbeiträge wird auch zur Reservebildung beim Versorgungswerk genutzt. In aller Regel funktioniert das auch so gut, dass die Renten aus Versorgungswerken höher sind als die aus der Rentenversicherung. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungswerke waren 2021 über eine Million Menschen bei den 91 Versorgungswerken in Deutschland versichert.
Rente aus den Versorgungswerken wird angelegt - doch nun drohen Verluste
Doch das kapitalbildende System hat auch ein gewisses Risiko. Und das könnten betroffene Rentnerinnen und Rentner jetzt zu spüren bekommen. Denn wie der Versicherer Allianz auf seiner Webseite erklärt, passen die Versorgungswerke ihre Anlagestrategie auch immer an die Konjunktur an. In dem vergangenen Jahrzehnt des Niedrigzinses waren Festzinsanlagen, in die noch im Jahr 2000 gut 77 Prozent der Kapitalanlagen investiert waren, nicht mehr besonders attraktiv. Die schmalen Renditen dienten nicht mehr dazu, die versprochenen Renten der Mitglieder zu decken – und das Geld wurde anders, und zwar risikoreicher, angelegt. Ende 2020 betrug der Anteil der Kapitalanlagen in Festzinsangeboten entsprechend nur noch 46 Prozent.
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Risikoreiche Anlagen, das bedeutet in diesem Fall: Immobilien und Unternehmensbeteiligungen – die jetzt aber in der Wirtschaftsflaute ins Kriseln kommen. Die Immobilienpreise befinden sich im freien Fall, besonders die für Büroflächen und Gewerbeimmobilien sind betroffen. Laut vdp-Immobilienpreisindex sind die Preise für Gewerbeimmobilien zwischen dem zweiten Quartal 2022 (als die Krise begann) und dem ersten Quartal 2024 um 17,2 Prozent eingebrochen.
Und auch bei den Unternehmen sieht die Situation gerade alles andere als rosig aus. Überall müssen Stellen abgebaut werden, es mehren sich die Insolvenzen und die Stimmung ist im Keller.
Das hat Folgen für Anleger – und damit auch die Versorgungswerke. Sie könnten nun Verluste machen, was die Auszahlung der Renten betreffen wird. Wie die Wirtschaftswoche erklärt, gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder, die Beiträge der Mitglieder werden erhöht und die Mehreinnahmen gleichen die Verluste aus; oder es werden die Renten gekürzt.
Renten-Kürzung droht – Versorgungswerke müssen umplanen
Auch möglich ist, dass die Versorgungswerke an ihre Reserven gehen und daraus die Verluste ausgleichen. Doch in der Regel reicht diese Reserve nicht aus, um langfristig die Renten stabil halten zu können. Eine neue Strategie muss her: Entweder geht es zurück zu den Festzinsanlagen – die gerade wieder etwas attraktiver geworden sind – oder die aktuelle Flaute wird einfach ausgehalten, bis es wieder bergauf geht. Es wird auch mit Sicherheit stark vom jeweiligen Versorgungswerk abhängen, wie die Lage bei ihnen aussieht. Betroffene sollten die Situation allerdings im Blick behalten.
So oder so gilt weiterhin: Die Renten aus den Versorgungswerken sind in der Regel wesentlich höher als die gesetzliche Rente. Während Letztere im Schnitt auf 1500 Euro im Monat hinausläuft, erhalten Rentner und Rentnerinnen in den Versorgungswerken je nach Berufsstand zwischen 2500 Euro und sogar 4000 Euro im Monat. Das ist allerdings stark abhängig von den Beitragsjahren, dem Beruf – und eben auch der Anlagestrategie.