Landkreis bräuchte jährlich fast 1000 neue Wohnungen – aber: Tote Hose am Bau

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Eine Baustelle wie ein Symbol: In der Bauwirtschaft im Landkreis Ebersberg ist zurzeit viel Luft nach oben. Doch mit einer raschen Erholung rechnet niemand. © Ramona Höllerer

Lahmender Neubau, schwache Sanierungsnachfrage: Für heimische Firmen, die am Bau aktiv sind, ist die Lage existenzgefährdend. Dabei müssten jährlich fast 1000 neue Wohnungen gebaut werden.

Landkreis – Es muss gebaut werden: Bis 2028 braucht der Landkreis Ebersberg den Neubau von rund 910 Wohnungen – und zwar pro Jahr. Diese Wohnungsbau-Prognose für die kommenden vier Jahre hat das Pestel-Institut in einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt ermittelt.

Institut: Im Landkreis fehlen aktuell 1100 Wohnungen

„Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen im Landkreis Ebersberg aktuell rund 1110 Wohnungen – abzubauen: Aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen. Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut, das sich als Forschungsinstitut und Dienstleister für Kommunen, Unternehmen und Verbände sieht.

Der Wissenschaftler erwartet, dass das Baupensum allerdings zurückgeht: Günther spricht von einem „lahmenden Wohnungsneubau, dem mehr und mehr die Luft ausgeht“. So gab es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nach Angaben des Pestel-Instituts im ganzen Landkreis Ebersberg lediglich für 141 neue Wohnungen eine Baugenehmigung. Zum Vergleich: In 2023 waren es im gleichen Zeitraum immerhin noch 393 Baugenehmigungen. „Damit ist die Bereitschaft, im Kreis Ebersberg neuen Wohnraum zu schaffen, innerhalb von nur einem Jahr um 64 Prozent zurückgegangen“, sagt Matthias Günther.

Bauinnung: Wohnungsbau ist fast zu Erliegen gekommen

Ein Trend, den Michael Frikell, Geschäftsführer der Bauinnung München-Ebersberg bestätigt. Für etliche Mitgliedsunternehmen sei die derzeitige Lage am Bau existenzgefährdend. Der Wohnungsbau sei fast zum Erliegen gekommen, nachdem der Markt „sehr schnell eingebrochen“ war. Etwas besser sehe es noch für Firmen aus, die sich auf Sanierungen von Altbauten und/oder Ausbau spezialisiert hätten.

An dem Wohnungsbedarf im Landkreis Ebersberg ändere auch die Zahl leerstehender Wohnungen nichts: Der aktuelle Zensus registriert für den Landkreis Ebersberg immerhin rund 1950 Wohnungen, die nicht genutzt werden, so das Pestel-Institut. Das seien drei Prozent vom gesamten Wohnungsbestand im Landkreis. Ein Großteil davon – nämlich rund 870 Wohnungen – stehe jedoch schon seit einem Jahr oder länger leer.

„Das sind immerhin rund 45 Prozent vom Leerstand. Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Matthias Günther.

Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig. „Rund drei Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können. Und natürlich, um Sanierungen überhaupt machen zu können. Aber es wird nur selten gelingen, Wohnungen, die lange leer stehen, wieder zu aktivieren und an den Markt zu bringen“, so das Fazit von Günther.

Verunsicherte Hauseigentümer halten sich bei Sanierung zurück

Denn viele Hauseigentümer halten sich nach Beobachtungen des Pestel-Instituts mit einer Sanierung zurück: „In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts. Außerdem hapere es bei vielen auch am nötigen Geld für eine Sanierung. Michael Frikell von der Bauinnunug spricht von einem Sanierungsstau in der Region, der seinen Grund in der Verunsicherung der Menschen habe und in der Situation auf dem Kapitalmarkt mit den drastisch gestiegenen Zinsen.

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Weitere Gründe, warum leerstehende Wohnungen nicht vermietet werden: „Immer wieder kommt bei Erbstreitigkeiten kein Mietvertrag zustande. Und oft scheuen sich Hauseigentümer auch, sich einen Mieter ins eigene Haus zu holen, mit dem sie sich am Ende vielleicht nicht verstehen“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Für ihn steht deshalb fest: „Am Neubau von Wohnungen führt daher auch im Landkreis Ebersberg kein Weg vorbei.“

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