Krebs-Schicksal rührt Richter: Unfallfahrerin behält Führerschein
Eine Autofahrerin verursacht einen Fahrrad-Sturz und landet vor Gericht. Trotz des Unfalls darf sie ihren Führerschein behalten. Der Grund: Ihre Tochter ist schwer krank und auf ihre Hilfe angewiesen.
Bruck/Ebersberg – Normalerweise gilt vor dem Amtsgericht Ebersberg: Wer einen Verkehrsunfall verursacht und deswegen auf der Anklagebank landet, muss vorerst auf seinen Führerschein verzichten. Das ist das Mindeste. Doch die Rechtssprechung lässt Raum für Sonderfälle. Ein solcher trug sich am Dienstag vor den Augen von Strafrichter Benjamin Lenhart zu.
Angeklagte zeigt sich geständig und bittet um mildes Urteil
Vor ihm saß eine zweifache Mutter aus dem südlichen Landkreis. Die 50-Jährige, das war in der Verhandlung unumstritten, hatte im Mai 2024 bei einem missglückten Überhol- und Rechtsabbiegemanöver bei Pullenhofen (Gemeinde Bruck) einen Fahrradfahrer geschnitten und ihm die Vorfahrt genommen. Der Rennradler konnte auf abschüssiger Strecke nicht mehr rechtzeitig bremsen oder ausweichen, als die Fahrerin mit ihrem Mercedes knapp vor ihm einscherte und abbog und ihm so den Raum zum Manövrieren nahm. Es kam zum Zusammenstoß und zum Sturz – der glücklicherweise mit nur leichten Verletzungen ausging. „Ich habe die Geschwindigkeit nicht richtig eingeschätzt“, gab die Frau ihre Schuld an dem Unfall zu.
Einspruch gegen den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft hatte sie über ihren Verteidiger dennoch eingelegt, mit der Bitte um ein milderes Urteil. Ihre Tochter sei an Knochenkrebs erkrankt und müsse regelmäßig zu Behandlungen nach München – dürfe aber wegen ihrer Immun-Insuffizienz nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, weil dort das Risiko zu groß sei, sich zusätzlich einen Infekt einzufangen. Da der Vater voll berufstätig ist, müsse sie ihr Kind regelmäßig fahren, habe ihren Teilzeitjob weiter reduziert, um sich um die Tochter zu kümmern. Über das drohende Fahrverbot sagte die Angeklagte: „Das ist extrem hart.“
Geldstrafe statt Führerschein-Entzug: Damit sie ihre kranke Tochter fahren kann
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Eine Absage erteilte der Richter ihrer gleichzeitigen Bitte nach Reduzierung der Geld㈠strafe. Dafür verdiene ihr Ehemann viel zu gut, was es beim Urteil zu berücksichtigen gelte. „Da liegen wir mit 50 Euro fast ein bisschen tief“, so Lenhart über die von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagene Tagessatzhöhe. Über den Verzicht auf ein Fahrverbot sagte der Richter dagegen: „Das erscheint mir realistisch.“ Die Angeklagte mache einen sehr vernünftigen Eindruck, der Unfall sei glimpflich ausgegangen und mit einer Geldstrafe sei eine „Denkzettelfunktion“ erfüllt, ohne die von der schweren Krankheit der Tochter geplagte Familie einer zusätzlichen Härte auszusetzen: „Das reicht auch so schon.“
Das sah auch die Staatsanwältin so. Die Frau muss 25 Tagessätze zu 50 Euro, also 1250 Euro, an die Staatskasse zahlen, dazu die Verfahrenskosten tragen. Die Angeklagte nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an.