Camping-Lücke im Landkreis Ebersberg: Warum gibt es keinen richtigen Campingplatz?
Trotz des Booms des Reisens mit Zelt, Caravan oder Wohnmobil, fehlt es im Landkreis Ebersberg an geeigneten Campingplätzen. Der Tourismusverein sieht einen hohen Bedarf, doch die Umsetzung stößt auf viele Hürden. Ein passendes Grundstück und eine kräftige Anschubinvestition sind nur einige der Herausforderungen.
Grafing/Landkreis – Oberkörperfrei steht ein Mann um die 50 vor seinem Wohnmobil und blickt in die Runde. Schon am Morgen brennt die Augustsonne erbarmungslos auf den nackten Kiesplatz am Grafinger Eisstadion herab. Kein Baum spendet Schatten. Der frisch aufgestandene Oben-ohne-Mann startet kurz darauf den Motor seines Fahrzeugs. Reifen knirschen, ein Staubwölkchen hängt in der Morgensonne. Dann ist der Wohnmobil-Stellplatz am Sportzentrum wieder leer.
Für 15 Euro pro Nacht bekommt man dort einen Stellplatz und einen Stromanschluss. Wasser und Abwasser funktionieren frühestens im Herbst, heißt es von der Stadt. Trotzdem stoppen spätestens seit Beginn der Sommerferien quasi täglich Übernachtungsgäste an der Grafinger Osttangente, wo Platz für eine Handvoll Wohnmobile ist, Zelte und Wohnanhänger aber nicht gestattet sind. Klos und Duschen gibt es nicht. Als Camper im Landkreis Ebersberg muss man nehmen, was man kriegt. Und fragt sich vielleicht: Warum gibt es in der Gegend eigentlich keinen richtigen Campingplatz?

Camping-Boom allerorten – nur nicht im Ebersberger Land
Brigitte Binder vom Tourismusverein Grafing hört diese Frage regelmäßig – und immer öfter. Sie ist froh, dass sich die Stadt Grafing so eine Mühe mit dem Wohnmobilplatz gegeben hat, betont sie. Immerhin sind das Freibad, der Italiener und das Stadtzentrum nicht weit. Seit Jahren habe sie dafür gekämpft. Binder sagt aber auch: „Der Landkreis Ebersberg ist ein Campingplatz-Loch!“ Dabei boomt das Reisen mit Zelt, Caravan oder Wohnmobil zurzeit wie nie zuvor.
Rundherum um den Landkreis besteht längst ein Camping-Angebot, sei es am Soyener See bei Wasserburg, am Erlensee bei Rosenheim oder in München-Thalkirchen. Im Landkreis Ebersberg dagegen spucken die entsprechenden Online-Portale nur eine Handvoll besserer Parkplätze, die zumeist von Privatleuten angeboten werden und ebenso wie der Grafinger Übernachtungsplatz keine Sanitäranlagen bereitstellen – ausreichend für einen nächtlichen Zwischenstopp auf der Durchreise, aber als Urlaubsziel kaum geeignet.
Seit Jahren Fragen Camper an, seit Jahren wird ein Campingplatz gesucht
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Tourismusvereins-Geschäftsführerin Binder sagt: „Wir haben einen unheimlichen Bedarf.“ Seit Jahren suche sie nach einem privaten Betreiber und ist sich sicher, dass sich das Geschäft lohnen würde. „Der würde offene Türen einrennen.“ Das Problem: Es braucht ein passendes Grundstück, idealerweise mit Bademöglichkeit, und eine kräftige Anschub㈠investition. Anschlüsse für Strom und Wasser, Sanitäranlagen und einen Kiosk, das dazugehörige Personal und natürlich die entsprechenden Genehmigungen. Binder sagt: „Es gibt viele Hürden.“ Zu viele, als dass es die Stadt selbst in die Hand nehmen könne, wie es etwa in Frankreich ein weit verbreitetes Modell ist. Unweit von Grafing sei vor einiger Zeit auch ein entsprechendes privates Vorhaben gescheitert, weil das Grundstück schließlich nicht geeignet war.

Binder bedauert diese Camping-Versorgungslücke. Ein Übernachtungsgast lasse im Schnitt 80 Euro in der Region – jeden Tag. „Der Tourismus wird als Wirtschaftsfaktor unterschätzt“, sagt die Vereinsvorständin. Allein die Mitgliedsbetriebe des Tourismusvereins würden so bei 10 000 Übernachtungen im Jahr rund 800 000 Euro Umsatz vor Ort generieren. Und die Urlauber kämen gerne – wegen der Nähe zu München, dem Chiemsee und den Alpen, aber auch, weil es sich im Landkreis gut aushalten lasse, etwa dank der grünen Lunge Ebersberger Forst und der Voralpenlandschaft rundherum. „Wir gehen fälschlicherweise davon aus, dass wir hier nichts zu bieten haben.“
Landratsamt würde gerne helfen – das Problem sind die Flächen
Im Gegenteil scheint gerade diese landschaftliche Attraktivität die größte Hürde auf dem Weg zu einem Campingplatz im Landkreis zu sein. Alexandra Bartl, Tourismusbeauftragte im Landratsamt, sagt: „Wir würden einen Campingplatz begrüßen.“ Problem: Potenziell attraktive Flächen, gerade mit See-Zugang, lägen meistens in Schutzgebieten. Auch die Untere Naturschutzbehörde sei Umsetzungsideen gegenüber aufgeschlossen, doch halte der Naturschutz „extrem hohe Hürden“ bereit.
Derzeit überarbeite das Landratsamt sein Tourismuskonzept und plane, Betreiber kleinerer Stellplätze, etwa an Bauernhöfen, dabei zu unterstützen, ihr Angebot etwas auszuweiten. „Kleinteilige Lösungen“ für den Campingplatzmangel schaffen, nennt das Bartl. „Das ist realistischer in der Umsetzung.“