Putin und die Asien-Reise: Plant der Kreml-Chef die Anti-Nato?
Einige Ergebnisse seiner Asien-Reise hat Wladimir Putin direkt veröffentlichen lassen. Wollte der Kreml-Chef sogar ein Pendant zur Nato aufbauen?
Moskau – In diesen Zeiten erregt jede Auslandsreise von Wladimir Putin Aufmerksamkeit. Immerhin hat der Internationale Strafgerichtshof im vergangenen Jahr Haftbefehl gegen den Kreml-Chef erlassen. Wegen möglicher Kriegsverbrechen.
Dem russischen Präsidenten, der schon in den Jahren vor seinem Ukraine-Krieg wegen der Corona-Pandemie kaum einmal die Grenzen seines Landes überquerte, droht also vielerorts eine Verhaftung. In China, Nordkorea oder Vietnam allerdings nicht. Diese drei Staaten besuchte Putin zuletzt.

Putin und die Asien-Reise: Plant Kreml-Chef mit Nordkorea eine Anti-Nato?
Dass es gerade bei Kim Jong-Un mehr als ein Höflichkeitsbesuch war, liegt auf der Hand. Michael Thumann, der als außenpolitischer Korrespondent der Zeit das Moskauer Büro der Wochenzeitung leitet, vermutet sogar, dass der 71-Jährige die Reise auch genutzt hat, um „ein belastbares Bündnis gegen den Westen aufbauen“ zu können.
Dieses nennt er in seiner Kolumne „die Anti-Nato, ein russoasiatisches Militärbündnis gegen die euroatlantische Welt“. Der 2006 von Putin mitgegründete Staatenbund BRICS wird immer wieder mit der westlichen G7 verglichen, mit einem Pendant zur Nato aber kann Moskaus Machthaber noch nicht aufwarten. Was ihn durchaus wurmen dürfte, schließlich wettert er während seines Feldzugs in der Ukraine regelmäßig gegen das transatlantische Verteidigungsbündnis, das kürzlich sein 75-jähriges Bestehen beging.
Thumann vermutet, dass Putin für seine Anti-Nato besonders ehemalige Verbündete der Sowjetunion brauchen könnte. Doch für das Projekt muss er sich wohl mächtig strecken und womöglich sogar verbiegen. Experten jedenfalls sind skeptisch, dass ein solches Unterfangen fruchten kann.
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Putin und eine Anti-Nato in Asien? Experte haben Zweifel wegen Beziehungen der Länder zum Westen
Im Focus betont etwa Wolfgang Richter, Oberst a.D. und Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft Politik (SWP), Vietnam und Nordkorea hätten als pazifisch-asiatische Staaten „keinen unmittelbaren Bezug zur europäischen Sicherheitsordnung“. Zudem würden Hanoi und Pjöngjang unterschiedliche Interessen verfolgen. Vietnam näherte sich zuletzt sogar den USA an, präsentiert sich offen für alle Seiten.
In dem Artikel zweifelt auch Alexander Libman an einer Anti-Nato. Der Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin mit Schwerpunkt Osteuropa und Russland verdeutlicht: „Bis auf Nordkorea werden sich die Länder in Asien nicht auf eine Allianz einlassen, die ihnen jegliche Flexibilität in der Gestaltung der Beziehungen zum Westen wegnimmt.“ Zudem macht er „genug Gegensätze zwischen den Ländern Asiens“ aus.
Auch mit den mittlerweile neun BRICS-Staaten – neben Russland sind das Brasilien, Indien, China, Südafrika, Ägypten, Äthiopien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate – könne Putin keine Anti-Nato aufbauen. „Vielmehr wollen sie als unabhängige Pole in der multipolaren Welt eigenständige Interessen wahrnehmen und dem alleinigen Führungsanspruch einer unipolar agierenden Weltmacht selbstbewusst entgegenwirken“, erklärt der in Moskau geborene Libman den Hintergrund des Zusammenschlusses.

Putin auf der Suche nach Partnern: Kreml-Chef sucht wohl engere Bindung zu Nordkorea und zum Iran
Damit bliebe eine Anti-Nato wohl erstmal nur Wunschdenken Putins. Allerdings kehrte er keineswegs mit leeren Händen zurück. Aus Nordkorea brachte der Kreml-Chef etwa einen Partnerschaftsvertrag samt Beistandspflicht im Falle des Angriffes auf eines der beiden Länder mit.
Und obendrein entfachte Putin ein bisschen Unruhe in Asien. Das sieht Damien Cave, Korrespondent der New York Times, als eines der Ziele des russischen Präsidenten an. Zumindest dürfte er mit seiner Drohung, Pjöngjangs Truppen besser zu bewaffnen, die Sorgen in der Region angetrieben haben. Südkorea, Japan und die USA, aber auch China werden das weitere Geschehen umso aufmerksamer verfolgen.
Zeit-Korrespondent Thumann sieht Putin denn auch einem anderen Ziel einen Schritt näher: vom Westen sanktionierte Staaten enger an sich zu binden. Das gilt schon lange für Belarus, nun auch immer mehr für Nordkorea. Als nächstes vermutet er ein formalisiertes Bündnis mit dem Iran.
Mit diesen teilweise unberechenbaren Partnern in verschiedenen Teilen der Welt würde Putin nicht nur an Einfluss gewinnen. Er könnte sich auch noch größerer Aufmerksamkeit sicher sein, wenn es wieder auf Reisen geht. Was wiederum das Gefühl zusätzlicher Macht in ihm wecken könnte. (mg)