„Gretchen-Frage“ in Sachsen: Tauscht Kretschmer Grüne gegen BSW? Experte sieht dritte Option
Welche Koalition wird nach der Sachsen-Wahl in Dresden regieren? Theoretisch könnte die CDU zwischen Grünen und BSW wählen. Womöglich kommt es anders.
Mit etwas Wohlwollen ließe sich der Ausgang der Sachsen-Wahl als „glimpflich“ bezeichnen: Die ersten Prognosen sahen – anders als in Thüringen – eine Koalition aus etablierten Parteien durchaus möglich: Michael Kretschmers CDU-geführte Kenia-Koalition könnte weitermachen. Die Betonung liegt auf „könnte“. Denn Kretschmer will eigentlich nicht mehr mit den Grünen. Tauscht er freiwillig Grüne gegen BSW?
Experte Professor Jürgen Falter von der Uni Mainz hält das durchaus für möglich – sieht aber Probleme und eine unorthodoxe weitere Option. „Das ist die Gretchen-Frage“, sagte er IPPEN.MEDIA. „Vielleicht wird er es versuchen, aber BSW und CDU sind in vielem noch weiter voneinander entfernt als Grüne und CDU, wenn man genau hinschaut.“ Zudem sei Sahra Wagenknechts neue Partei „vollkommen unberechenbar“. Wie also weiter?
Sachsen-Regierung mit BSW statt Grünen? Experte Falter hält unerwarteten CDU-Schritt für möglich
„Ich könnte mir am ehesten noch eine Minderheitsregierung der CDU vorstellen, die entweder von BSW oder von SPD und Grünen geduldet wird“, sagt Falter – jedenfalls wenn Kretschmer weiter darauf bestehe, nicht mit den Grünen zu regieren. Es wäre ein durchaus gewagter Schritt: Die Minderheitsregierung in Thüringen hat Rot-Rot-Grün den Zahlen des Wahlabends zufolge alles andere als gutgetan – allerdings war dort die Mehrheitssuche im vorigen Landtag auch wesentlich schwieriger, als wohl künftig in Sachsen.
Eine Rolle könnten aber gerade in Sachsen die lautstark formulierten Forderungen Wagenknechts spielen: Die Bundespartei-Chefin fordert klare Absagen an die Stationierung von US-Waffen – und auch an Hilfen für die Ukraine. Obwohl all das eigentlich nicht in den Aufgaben der Landesregierungen fällt. Falter erteilt diesem Ansinnen mit Blick auf die Realitäten eine Absage – er hält bestenfalls einen „Formelkompromiss“ für möglich.
Wagenknechts Koalitionsforderungen in Thüringen und Sachsen: „Daran würde eine Koalition scheitern“
„Man kann unmöglich in landespolitischen Koalitionsvereinbarungen dem Bund vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat – daran würde sicherlich eine Koalition scheitern“, sagt der renommierte Experte. Dass sich die CDU-Politiker Mario Voigt in Thüringen und Michael Kretschmer in Sachsen auf solche Bedingungen einlassen, sei nicht vorstellbar.

„Das würden ganz windelweiche Formelkompromisse werden“, prognostiziert Falter auf etwaige Koalitions-Gespräche zwischen CDU und BSW – gemeint sind Phrasen im Koalitionspapier, die ohne Auswirkungen auf die politische Realität bleiben. Etwa „dass man auch in Thüringen für Friedensverhandlungen ist und eine friedliche Beilegung des Konflikts in der Ukraine befürwortet“. Klar sei aber: „Das wäre ohne jeglichen Belang für die Bundespolitik.“
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Gestiegen ist unterdessen die Wahlbeteiligung in beiden Bundesländern. Das sei Ergebnis einer „im Vorhinein heiß umkämpften, politisch hochumstrittenen Wahl“, sagt Falter. Das zeige: „Wenn es spannend ist, gehen auch mehr Wähler zur Urne.“ (Florian Naumann)