Was Fahrgäste und Fahrer gleichermaßen nervt – ein Alltag zwischen Stress und Verständnis
Wenn man viele Jahre auf dem Fahrersitz eines Linienbusses verbringt, bekommt man nicht nur einen guten Überblick über die Straßen der Stadt, sondern auch über das Verhalten der Menschen.
Man erlebt die Dinge von zwei Seiten: Einerseits sitzt man hinterm Steuer und trägt Verantwortung für den ganzen Bus, andererseits spürt man die Stimmungen, Sorgen und auch den Ärger der Fahrgäste unmittelbar. Und glaubt mir: Vieles, was die Fahrgäste nervt, nervt mich als Fahrer genauso – nur eben aus einer anderen Perspektive.
Verspätungen – der ewige Feind
Kaum etwas sorgt für so viel Frust wie Verspätungen. Für die Fahrgäste ist es ärgerlich, wenn der Bus nicht pünktlich kommt. Man friert an der Haltestelle, verpasst den Anschluss oder kommt zu spät zur Arbeit. Ich verstehe das, denn auch ich bin in meinem Privatleben auf Pünktlichkeit angewiesen.
Aber für uns Fahrer ist eine Verspätung purer Stress. Man weiß, dass die Leute an der Haltestelle schon genervt warten. Gleichzeitig hockt man im Stau, kämpft mit Ampelschaltungen, Baustellen oder Falschparkern direkt an der Haltebucht. Wir können nichts tun, außer Geduld zu haben – und trotzdem fühlt es sich so an, als würden alle einen böse anschauen, wenn man endlich einfährt.
In den Stoßzeiten wird der Bus manchmal so voll, dass es keinen Spaß mehr macht – weder vorne noch hinten. Für die Fahrgäste bedeutet das: Kein Sitzplatz, stickige Luft, Gedränge, Ellenbogen im Rücken und manchmal das Gefühl, kaum noch atmen zu können.
Ins Handy brüllen, Musik extrem laut - vieles nervt uns Busfahrer genauso
Für mich als Fahrer sieht das Bild genauso anstrengend aus – nur aus einem anderen Blickwinkel. Ich sehe, wie die Leute drängeln, wie Taschen und Kinderwagen im Weg stehen, und muss gleichzeitig sicherstellen, dass die Türen frei sind, damit sie sich schließen.
Dazu kommt die Sorge: „Hoffentlich stolpert jetzt niemand, wenn ich bremsen muss.“ Je voller der Bus, desto größer das Risiko, dass etwas passiert – und die Verantwortung dafür lastet auf mir.
Viele Kleinigkeiten nerven Fahrgäste wie Fahrer gleichermaßen. Nehmen wir das Telefonieren: Wenn jemand minutenlang lautstark in sein Handy brüllt, stört das alle. Oder Jugendliche, die Musik über Lautsprecher abspielen – da verdreht nicht nur das Publikum die Augen, auch vorne am Steuer klingt es wie eine Dauerbeschallung.
Ein anderes Beispiel: Drängeln beim Einsteigen. Manche Leute versuchen um jeden Preis, zuerst in den Bus zu kommen, auch wenn andere noch aussteigen wollen. Das kostet Zeit, sorgt für schlechte Stimmung und bringt mich aus dem Fahrplan. Und die Fahrgäste ärgern sich genauso über diese Unruhe.
Klimaanlage fällt aus? Die Heizung fällt aus? Oft ist es eine Zumutung
Ich habe es oft erlebt: Im Sommer streikt die Klimaanlage, im Winter heizt die Heizung nicht richtig. Für die Fahrgäste ist das eine Zumutung, das kann ich nachvollziehen. Doch glaubt mir: Vorne im Fahrerhaus schwitze oder friere ich genauso mit.
Und dann kommen die Beschwerden: „Fahrer, warum ist es hier so heiß?“ – als ob ich mit einem Knopfdruck Reparieren könnte. Viele wissen gar nicht, dass wir Fahrer oft gar keinen Einfluss auf diese teils Automatischen Systeme haben.
Auch Ansagen, die nicht funktionieren, sorgen für Ärger. Die Fahrgäste finden es verwirrend, wenn keine Haltestellen angesagt werden. Ich dagegen weiß, dass ich wieder die Fragen beantworten muss, die eigentlich automatisch geklärt sein sollten.
Fahrscheine – ein Dauerthema
Das Thema Ticket sorgt regelmäßig für hitzige Diskussionen. Fahrgäste ärgern sich, wenn Automaten nicht funktionieren oder wenn die Preise und Zonen unübersichtlich wirken. Ich kann das verstehen. Aber auf der anderen Seite sitze ich – und muss mir Diskussionen anhören, für die ich gar nichts kann.
Manchmal dauert der Ticketverkauf so lange, dass der Bus erneut Verspätung bekommt. Oder Leute steigen ohne gültigen Fahrschein ein und wollen diskutieren, wenn man sie darauf hinweist. Das ist für beide Seiten nervig – für die Mitreisenden, die warten müssen, und für mich, weil es unnötig Kraft kostet.
Martin Binias, bekannt als „Herr Busfahrer“, ist Influencer und aktiver Busfahrer. Mit Humor und Reichweite macht er den ÖPNV nahbar, schafft Verständnis für den Berufsalltag und wurde mehrfach ausgezeichnet. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Baustellen, Staus, ungeduldige Autofahrer: Das sind Dinge, die mich genauso nerven wie meine Fahrgäste. Wenn der Bus im Stillstand verharrt, rollt die schlechte Stimmung durch den ganzen Wagen.
Wann ich als Busfahrer eskalieren muss
Fahrgäste seufzen, schütteln den Kopf, schauen auf die Uhr. Ich vorne spüre denselben Druck – und gleichzeitig weiß ich, dass ich nichts beschleunigen kann. Ich kann nur sicher und vorausschauend fahren.
Ein Thema, das beide Seiten betrifft, ist Aggression. Wenn jemand betrunken einsteigt, andere beleidigt oder laut randaliert, fühlen sich alle unwohl. Für Fahrgäste ist das störend und manchmal beängstigend.
Für mich als Fahrer bedeutet es noch mehr: Ich bin derjenige, der deeskalieren muss. Ich soll ruhig bleiben, den Überblick behalten – und gleichzeitig den Verkehr im Auge haben. Diese Doppelbelastung wird oft unterschätzt.
Und am Ende bleibt etwas, das man nicht in Minuten oder Grad messen kann: Wertschätzung. Viele Fahrgäste sind verärgert, wenn sie den Eindruck haben, der Fahrer sei unfreundlich oder wortkarg. Auf der anderen Seite sehe ich, wie selten ein einfaches „Danke“ kommt, wenn ich jemanden trotz geschlossener Türen doch noch schnell reinlasse oder eine knifflige Situation im Verkehr meistere.
Manchmal denke ich: Wir sitzen alle im selben Bus, im wahrsten Sinne des Wortes. Fahrgäste und Fahrer ärgern sich über dieselben Dinge – nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Würden wir uns das öfter bewusst machen, gäbe es weniger Konflikte.
Fazit
Ob Verspätung, überfüllte Fahrzeuge, kaputte Technik oder unhöfliche Mitmenschen – fast alles, was die Fahrgäste nervt, nervt uns Fahrer genauso. Der Unterschied ist: Ich sitze vorn und muss gleichzeitig mit all dem umgehen, während ich die Verantwortung für den gesamten Bus trage.
Was helfen würde? Ein bisschen mehr gegenseitiges Verständnis, mehr Geduld – und vielleicht auch öfter mal ein freundliches Wort. Denn am Ende wollen wir doch alle dasselbe: sicher, pünktlich und möglichst entspannt ans Ziel kommen.