Holocaust-Gedenktag am Jüdischen Friedhof in Kempten
Am Gedenktag für die Opfer der Schoa erinnerten Vertreterinnen und Vertreter der Stadt, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Schülerinnen der Maria-Ward-Schule an die in den Konzentrationslagern ermordeten Kemptnerinnen und Kemptner.
Kempten – Ilse Weber (1903-1944) schrieb im Konzentrationslager Theresienstadt für die Kinder, die sie dort als Krankenschwester betreute, Gedichte und Lieder. Sie wurde im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und gleich nach ihrer Ankunft, zusammen mit einem ihrer Söhne und den von ihr betreuten Kindern, ermordet. Ihr Mann hat überlebt und die Manuskripte ihrer Werke gerettet. Ulrike Migdal gab die Texte 2008 in einem Buch heraus. Im Oktober 2020 stellte sie eine Auswahl der Texte im Rahmen einer musikalischen Lesung, von ihrer Tochter Liv auf der Geige begleitet, im Haus International in Kempten vor.
Es ist wahrscheinlich ein Zufall, dass der Chor der Maria-Ward-Schule gerade Webers Lieder in den Mittelpunkt der diesjährigen Gedenkveranstaltung am Jüdischen Friedhof stellte. „Man nahm mir mein Zuhause fort, nun habe ich keines mehr“, heißt es im Lied „Ich wandre durch Theresienstadt“. Die Schülerinnen zählten bei der Veranstaltung die Namen der Kemptener Opfer auf und erinnerten an sie: „Hinter jedem Namen steht ein Mensch mit Familie und Freunden. Jeder von ihnen war ein einzelner Mensch mit Träumen.“ Sie erinnerten auch an die Überlebenden, die heimkehrten, von Schmerzen gekennzeichnet. Einige von ihnen starben bald vor Erschöpfung.

„Geschichte wiederholt sich nicht, aber menschliche Verhaltensweisen“
„Was geschehen ist, ist unvorstellbar, trotzdem ist es geschehen“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kiechle. Er bedankte sich bei den Schülerinnen für die würdevolle Gestaltung: „Ihr habt den Ermordeten ihre Ehre und Würde zurückgegeben.“ Geschichte wiederhole sich nicht, aber die menschlichen Verhaltensweisen. Das sei der Grund für die Kriege unserer Tage. Menschliches Verhalten könne man jedoch ändern. Es sei wichtig, Haltung zu zeigen. Man könne damit im Kleinen beginnen.

Alois Kornes von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft freute sich darüber, dass so viele junge Menschen sich mit der Geschichte der sechs Millionen ermordeten Juden auseinandersetzen und dankte den Lehrerinnen und Lehrern, die das Thema in die Gestaltung der unterschiedlichsten Fächer wie Geschichte, Sozialkunde, Deutsch oder Musik einbringen. Die jüdischen Bürgerinnen und Bürger von damals hätten auch auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhe finden sollen, aber sie haben ihr Leben in den Konzentrationslagern lassen müssen. Sie wurden ermordet, nur weil sie Juden waren. Deswegen sei es heute, vor allem in der jungen Generation, wichtig, Respekt für Menschen aus anderen Kulturen, mit anderen Überzeugungen oder mit einer anderen Hautfarbe zu zeigen. Kornes erzählte von Esther Dobias, die Stutthof überlebte und nach Kempten zurückkehrte. Sie sei eine lebenslustige Person gewesen, eine Tänzerin und Musikerin, mit der die Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft viel Zeit verbracht hätten. Er zeigte das Grab der 2008 verstorbenen Kemptnerin.
Am Ende der Gedenkveranstaltung legten die Schülerinnen nach jüdischem Brauch Steine auf die Grabsteine.

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