Vier Jahre Foltergefängnis und Isolationshaft im Iran – Menschenrechtler stellen Forderung an Bundesregierung
Die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi lebte jahrelang unter schlimmen Bedingungen in Haft. Jetzt ist sie frei. Amnesty International fordert Konsequenzen.
Köln/Berlin – Der 12. Januar 2025 ist für Nahid Taghavi vielleicht so etwas wie ein zweiter Geburtstag. An diesem Tag landete die iranisch-deutsche Menschenrechtlerin sicher auf deutschem Boden, nachdem sie zuvor mehr als vier Jahre im Iran inhaftiert war – auch im berüchtigten Evin-Gefängnis, wo Folter und Hinrichtungen an der Tagesordnung sind.
Taghavi war regelmäßig in den Iran gereist, um Familienangehörige zu besuchen. 2020 wurde die damals 66-Jährige überraschend festgenommen und nach einem Schauprozess zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat sich seit der Verhaftung intensiv um ihre Freilassung bemüht und steht in engem Kontakt zu Taghavi. Die Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd 2023 war eine Zäsur, die Sorge um Taghavis Leben besonders groß. „Das war für uns alle ein gewaltiger Schrecken“, sagt Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau hat sie eine klare Forderung an die Bundesregierung.

Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi nach jahrelanger Haft im Iran frei: „War eine schreckliche Zeit“
Frau Duchrow, wie geht es Nahid Taghavi jetzt?
Den Umständen entsprechend geht es Nahid Taghavi gut. Ihre Familie ist wahnsinnig erleichtert, dass sie endlich in Deutschland angekommen ist.
Frau Taghavi saß auch im berüchtigten Evin-Gefängnis ein, das als Foltergefängnis gilt. Was hat sie erleben müssen?
Es war für sie eine schreckliche Zeit. Sie saß erst einmal sieben Monate in Isolationshaft, musste auf dem harten Boden schlafen. Sie wurde über 1000 Stunden vom Geheimdienst verhört, hatte keinen Rechtsbeistand. Nach ihrer Verurteilung zu über zehn Jahren Haft hatte sie massive gesundheitliche Probleme, aber ihr wurde eine angemessene medizinische Versorgung verweigert. Später hatte sie zwar mehrmals Hafturlaub, musste aber eine Fußfessel tragen. Und es war unklar, ob sie wieder zurück in die Haft muss.
Meine news
Nahid Taghavi
1954 in Teheran geboren
Studierte in den 1970er Jahren in Italien
Nahid Taghavi lebte 40 Jahre lang in Köln
Nach der islamischen Revolution 1979 war sie im Iran nicht mehr politisch aktiv
Im Oktober 2020 wurde sie bei einem Iran-Besuch von der Islamischen Revolutionsgarde verhaftet und verhört und später zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Im Gefängnis kam es zu Misshandlungen und Folter.
Am 12. Januar 2025 landete sie nach ihrer Freilassung wieder in Deutschland. Ihre Tochter Mariam Claren sagte: „Meine Mutter ist endlich zu Hause. Worte reichen nicht aus, um unsere Freude zu beschreiben. Gleichzeitig trauern wir um die vier Jahre, die uns geraubt wurden, und den Schrecken, den sie im Evin-Gefängnis erleben musste.“
Wie bewerten Sie den Prozess, der im Iran gegen Nahid Taghavi geführt wurde?
Man hat ihr vorgeworfen, Mitglied einer illegalen Gruppe zu sein und Propaganda gegen den Staat zu betreiben. Das sind völlig haltlose Vorwürfe, die Anklage ist konstruiert. Wir haben den Prozess begleitet und ich kann sagen, das war ein höchst unfairer Prozess.
„Systematische sexualisierte Gewalt“ gegen Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran
Wie ist die Menschenrechtslage aktuell im Iran?
Die Lage hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Die Menschenrechtslage ist verheerend. Gerichte wenden Körperstrafen an, Menschen werden brutal ausgepeitscht. Hinrichtungen werden genutzt, um politischen Druck auszuüben. 2023 wurden mindestens 853 Todesstrafen vollstreckt, das ist eine Steigerung von rund 170 Prozent gegenüber 2021. Außerdem forciert die Regierung den Kopftuchzwang mit brutaler Gewalt und willkürlichen Strafen. Bei Demonstrationen kam es zudem zu willkürlichen Festnahmen und anschließend systematisch zu sexualisierter Gewalt gegen Menschen aller Geschlechter, um deren Willen zu brechen. Hier muss die internationale Gemeinschaft eingreifen.
Haben Sie konkrete Forderungen an die deutsche Bundesregierung?
Wir fordern einen Abschiebungsstopp für den Iran. Die Regierung muss sich öffentlich äußern und Menschenrechtsverletzungen im Iran klar verurteilen. Viele weitere gewaltlose politische Gefangene befinden sich immer noch in iranischen Gefängnissen. Hunderten Menschen droht die Hinrichtung – für diese Menschen muss sich die Bundesregierung einsetzen. Für einzelne Aktivistinnen und Aktivisten, die besonders gefährdet sind, sollte es überdies humanitäre Visa geben.