Weltwirtschaft schmiert ab - was das für Deutschland bedeutet

Chiphersteller Infineon lebt derzeit vor, was immer mehr Unternehmen droht: Die Münchner arbeiten im Boommarkt Halbleiter. Sie schreiben bislang gute Gewinne. Trotzdem teilten sie am Dienstag mit, ihre Investitionen deutlich zu kürzen. Nur noch 2,2 Milliarden Euro, rund ein Achtel weniger als ursprünglich geplant, will der Konzern in neue Werke und Maschinen investieren. 

"Die Kunden bestellen kurzfristig angesichts der US-Zölle“, begründet Konzern-Chef Jochen Hanebeck die Entscheidung. Das "unsichere Umfeld" erschwere die Planung. Wichtige Kunden wie die Autoindustrie seien verunsichert.

Das Problem der Weltwirtschaft beginnt damit, dass Infineon kein Einzelfall ist. Weltweit investieren Firmen immer weniger. Gehe das so weiter, warnt nun die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), werde die Weltwirtschaft nicht mehr lange wachsen. Das steht in einem Arbeitspapier, über das die Financial Times berichtet.

Für Deutschland kann die Entwicklung riesige Probleme schaffen. Sie muss es aber nicht.

Jochen Hanebeck, Vorstandsvorsitzender von Infineon, präsentierte solide Zahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr. Der erhoffte Boom blieb aber aus. Donald Trump verunsichert Firmen weltweit.
Jochen Hanebeck, Vorstandsvorsitzender von Infineon, präsentierte solide Zahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr. Der erhoffte Boom blieb aber aus. Donald Trump verunsichert Firmen weltweit. Peter Kneffel/dpa

Keine Investitionen, kein Fortschritt

Investitionen in neue Projekte bringen die Fortschritte und Gewinne von morgen. Ohne Investitionen tritt die Welt auf der Stelle. Das droht sie laut OECD künftig zu tun:

  • Nur zwei der 34 größten wirtschaftsstärksten Staaten investieren laut OECD heute mehr als im Jahr 2008: Mit Israel und Portugal sind es zwei kleinere Vertreter.
  • Nur sechs von 34 Ländern investieren mehr als vor der Corona-Pandemie im Jahr 2020: unter anderem Kanada, Australien und Italien.
  • Die wirtschaftlich stärksten Länder investierten 2024 deutlich weniger als im Schnitt von 2014 bis 2019: Deutschland fast 20 Prozent weniger, Großbritannien und Frankreich rund zehn Prozent, die USA rund fünf Prozent.
  • Investieren Firmen nicht bald mehr in neue Projekte und Anlagen, können ihre Länder "das Wachstum nicht fortsetzen", warnt Alvaro Pereira, Chefökonom der OECD und baldiger neuer Chef der portugiesischen Zentralbank.

Zur Veranschaulichung: Die DDR verlor den wirtschaftlichen Wettlauf mit der Bundesrepublik, weil sie weniger und relativ ungezielt in Neuerungen investierte. Investiert auch die Weltwirtschaft insgesamt weniger, nähert sie sich eher der alten DDR an als der Bundesrepublik.

Weltwirtschaft stottert

Das weltweite Wirtschaftswachstum verlangsamt sich bereits: von durchschnittlich 3,7 Prozent im Jahr vor der Corona-Pandemie auf 3,3 Prozent im Jahr 2024. Für 2025 erwartet die OECD nun nur noch 3,0 Prozent. 

Darin sehen die Experten keine Ausnahme, sondern einen Trend:

Regulierungen wie Zölle bremsen das Wirtschaftswachstum nachweislich, schreibt die OECD in einer anderen Studie. Trump hat die Zölle der USA, der größten Weltwirtschaft, immens angehoben. Das Wachstum dürfte sich dadurch weiter abschwächen.

Außerdem gewinnen Politiker, die wirtschaftlich ähnlich erratisch agieren wie Trump, in vielen Ländern an Einfluss:

  • Krisen wie die Coronapandemie und der Ukraine-Krieg verhalfen Populisten zu mehr Anhängern.
  • Dieser Einfluss verunsichere die Firmen, sagt Wirtschaftsprofessor Martin Jacob: Es mache nur Sinn, viel Geld in neue Projekte zu stecken, wenn sich diese über Jahrzehnte auszahlen. Ändern Politiker ständig die Vorgaben, wie derzeit Donald Trump die Zölle, könne keine Firma planen. Kein Vertrauen, keine Investitionen.
  • Schon in Trumps erster Amtszeit hätten Firmen daher eher abgewartet als viel in den USA investiert.
  • Der Zollkrieg störe die Wirtschaft nun weit mehr und dürfte sie daher noch viel stärker ausbremsen.
  • Vertrauen entstehe durch zuverlässige Politik, die Entscheidungen auf Grundlage der besten verfügbaren Informationen trifft, schreibt die OECD. Ein US-Präsident, der sich mit Verschwörungstheoretikern umgibt und nach schlechten Arbeitsmarktdaten lieber seine Chefstatistikerin entlässt als der Wirtschaft zu helfen, zerstört Vertrauen. Dann investieren Firmen noch weniger. 

Die ohnehin stotternde Weltwirtschaft steht derzeit also vor mehr Problemen als Lösungen. Dadurch droht die Welt langsamer zu wachsen.

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Zwei Probleme für Deutschland, eine Lösung

Wächst die Weltwirtschaft langsamer, führt das in Deutschland zu zwei Problemen: 

Einerseits kann die exportabhängige deutsche Wirtschaft aus sich heraus allein nicht entscheidend wachsen. Stagniert die Welt, stagniert die Bundesrepublik – und damit der Wohlstand ihrer Bevölkerung. Gehaltserhöhungen bekommen dann die wenigsten.

Andererseits wächst die Weltbevölkerung weiter. Tritt die Wirtschaft derweil auf der Stelle, bleibt weniger für jeden Einzelnen. Wir werden also alle ärmer. Weil weltweit noch viele Menschen in vergleichsweise armen Umständen leben, leiden dann mehr von ihnen an Hunger und anderen Armutsfolgen. Eine humanitäre Katastrophe, die wahrscheinlich zu Flüchtlingsbewegungen aus ärmeren Länder in reichere führen wird – also auch nach Deutschland.

Die Bundesrepublik kann ihren Wohlstand nur halten - und damit auch die nächste Flüchtlingskrise vermeiden -, wenn Unternehmen weltweit wieder mehr investieren und die Wirtschaft wächst

Deutschland kann zwar nicht direkt beeinflussen, wie viel Unternehmen weltweit investieren. Aber es kann das Vertrauen schaffen, damit Unternehmen Investitionen angehen. Da ist es nicht hilfreich, wenn Politiker weltweit gemeinsam geschaffene Institutionen wie die EU, die Nato und andere internationale Organisationen infrage stellen. Denn, das ist die Lehre der Trump-Präsidentschaft, die Schwächung dieser Institutionen und ihrer Regeln macht Flüchtlingskrisen und Wirtschaftsprobleme wahrscheinlicher statt unwahrscheinlicher.