"Tal des Todes überwinden": Habecks Northvolt-Desaster geht in die nächste Runde
Es ist die größte Investitionsruine, die der ehemaligen Wirtschaftsminister und nun auch scheidende Bundestagsabgeordnete Robert Habeck hinterlässt: Der angefangene Bau einer Batteriefabrik im schleswig-holsteinischen Heide. Habeck hatte ihn mit 600 Millionen Euro gefördert.
Da auch schon die Vorgängerregierung unter Angela Merkel Kredite für den Bau abgesichert hatte, dürfte das tatsächlichen Engagement von Bund und Land eher bei mehr als 800 Millionen Euro liegen. Ob dieses Geld der Steuerzahler jemals wieder in die Kasse kommt, steht in den Sternen.
"Bei Habeck jagte ein Skandal den nächsten"
Denn Northvolt war pleite, bevor es überhaupt mit der Produktion in Heide loslegen konnte. Und was das US-Startup Lyten, das als Investor bei Northvolt jetzt einspringen und die Fabrik weiterbauen will, wirklich leisten kann, weiß selbst der Insolvenzverwalter nicht genau.
Für Habeck könnte die Sache deswegen Folgen haben, meinen jedenfalls die, die schon immer politische Gegner des grünen Ministers waren. „Habeck kann nicht ernsthaft erwarten, dass mit dem Austritt aus dem Bundestag sein Fehlverhalten als Minister vergessen ist“, sagt CSU-Generalsekretär Martin Huber.
„Ob Northvolt, Intel oder Wolfspeed, bei Habeck jagte ein Skandal den nächsten“, zählt er auf und listet damit jene Investitionsvorhaben von Konzernen auf, die während der Regierungszeit Habecks erst kommen sollten und dann doch nicht erschienen sind.
Habecks Haus soll "nach dem Prinzip Hoffnung" agiert haben
Huber hatte schon früher einen Untersuchungsausschuss wegen Northvolt in gefordert. Dann: Aus internen Unterlagen des Ministeriums geht hervor, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredits für das schwedische Batterie-Startup mit immerhin 14 Prozent eingeschätzt wurde.
Die Zusage zur Absicherung des Kredits scheint daher leichtfertig vergeben worden zu sein, zumal auch VW als damals größter Anteilseigner bei Northvolt zum Zeitpunkt der Kreditvergabe seine Beteiligung stark abgeschrieben hatte.
Der Bundesrechnungshof hatte in einem Gutachten dem Wirtschaftsministerium unter Habeck Versäumnisse bei der Prüfung des Falls vorgeworfen. Habecks Haus habe bei Northvolt vor allem „nach dem Prinzip Hoffnung agiert“.
Northvolt galt eins als Hoffnungsträger
„Ein Untersuchungsausschuss muss sich damit beschäftigen, wie Habeck Milliarden an Steuergeldern verbrennen konnte“, sagt Huber. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses reichen die Stimmen von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten aus.
CDU und CSU sind im Parlament stark genug vertreten, um ihn im Alleingang einzusetzen. Das Startup Northvolt galt einst als Hoffnungsträger der europäischen Batterieindustrie, um die starke Abhängigkeit von asiatischen Herstellern zu verringern.
Im schwedischen Stammwerk kam es aber zu technischen Schwierigkeiten, das Unternehmen verlor einen wichtigen Auftrag von BMW, gleichzeitig verschlang der Aufbau der Produktion monatlich Millionensummen. Die Qualitäts- und Finanzierungsprobleme führten dazu, dass Northvolt Ende 2024 in die Insolvenz rutschte.
Viele werden eine Menge Geld verlieren
Die Liste der Gläubiger von Northvolt ist lang. Viele werden eine Menge Geld verlieren, kündigte der Insolvenzverwalter und Stockholmer Fachanwalt Mikael Kubu an. Die Hoffnung in Schweden aber auch in Schleswig-Holstein ruht jetzt auf dem US-Start-up Lyten aus Kalifornien, das fast alle Werke übernehmen will.
Das Unternehmen verfolgt eine andere Strategie als sein untergegangenes europäisches Pendant – und baut unter anderem Batterien für Drohnen. Lyten-Chef Dan Cook hat ankündigt, die Produktion und Forschung in Schweden so schnell wie möglich wieder aufnehmen zu wollen.
Nächster Schritt sei dann, die von Northvolt einst geplante Erweiterung umzusetzen. Doch der Jubel in Heide, der auch Habeck entlasten würde, wäre verfrüht.
Das Start-up aus Kalifornien, zu dessen Investoren unter anderem der Autobauer Stellantis, FedEx, Honeywell und McKinsey gehören, wurde im Jahr 2015 gegründet. Es ist vorwiegend für seine Entwicklung von Lithium-Schwefel-Batterien bekannt.
Lyten hat noch keine Umsatzzahlen veröffentlicht
Im Gegensatz zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien kommen die Lyten-Batterien ohne kritische Rohstoffe wie Kobalt oder Nickel aus. Cook sagt, man wolle der führende Anbieter von „sauberen Batterien sowohl in Nordamerika als auch in Europa“ werden.
Dafür sei die Übernahme von Northvolt ein entscheidender Faktor. So könne man „diese Mission um Jahre zu beschleunigen, gerade zu dem Zeitpunkt, wenn die Nachfrage nach Lithium-Schwefel-Batterien exponentiell anwächst".
Man kann Cook glauben, nachprüfen lassen sich seine Aussagen nicht. Lyten hat noch keine Umsatzzahlen veröffentlicht und nach eigenen Angaben den Punkt, von dem ab es Gewinne schreibt, noch längst nicht erreicht.
Lyten braucht weitere Kapitalrunden
Wie bei Northvolt ist Lyten auf die Geduld seiner Investoren angewiesen. Automobilhersteller sind skeptisch: Qualität und Skalierbarkeit blieben unbewiesen, sagen sie, viele zögern deswegen mit neuen Aufträgen – BMW etwa sieht Lyten nur für langfristige Projekte als Partner.
Der ehemalige Northvolt-Unterstützer Scania erklärte, es sei noch zu früh, um über eine Bestellung von Zellen bei Lyten zu sprechen. Volvo, das über seine neu gegründete Batteriesparte Novo Energy mit Northvolt zusammengearbeitet hatte, lehnte es ab, sich dazu zu äußern, ob man Bestellungen aufgeben werde.
Weil die Produktion so teuer ist, braucht Lyten weitere Kapitalrunden und will Fördermittel in der EU und den USA nutzen. Wirtschaftliche Unsicherheiten wie Verzögerungen bei Aufträgen könnten aber den Cash‑Flow gefährden – laut Insidern hat Lyten bereits jetzt mehr als zehn Millionen Dollar an Schulden aufgehäuft.
Technologie gilt als vielversprechend
Selbst ehemalige Northvolt-Führungskräfte warnen, dass europäische Batteriehersteller mehrere Jahre unprofitabel bleiben, bevor ein wettbewerbsfähiger Betrieb möglich ist.
Emma Nehrenheim, die die Batteriefertigung bei Northvolt steuerte und kürzlich zur Leiterin der European Battery Alliance ernannt wurde, schätzt, dass es mehr als fünf Jahre dauern und staatliche Subventionen kosten würde, bis europäische Batteriehersteller das sogenannte „Tal des Todes“ der unrentablen Produktion überwinden und mit ihren asiatischen Konkurrenten konkurrieren können.
„Regierungen und Investoren müssen verstehen, dass China 15 bis 20 Jahre und mehr als 150 Milliarden Dollar investiert hat, um dorthin zu gelangen, wo es heute steht. Wer glaubt, dass man diesen Weg abkürzen kann, versteht einfach nichts von Batterien”, sagte Rob Anstey, CEO des Entwicklers von Silizium-Batterien GDI.
Lyten produziert Lithium‑Schwefel‑Zellen derzeit nur im Pilotmaßstab in Silicon Valley. Die Technologie gilt als vielversprechend, wegen ihrer leichten, billigen und hohe Energiedichte – aber die Marktreife dafür wird von Fachleuten frühestens 2029 erwartet, wobei dann der Übergang von der Pilot- zu industrieller Fertigung riskant ist: Hohe Ausschussraten, Produktions- und Qualitätskontrolle sind entscheidend. Northvolt scheiterte genau daran.
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit "Business Punk".