"Der letzte gute Kanzler" – Leser streiten über Schröder und Energiepolitik

Ein alter Konflikt flammt neu auf: Nach Gerhard Schröders Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss zu Nord Stream 2 diskutieren Leser leidenschaftlich über Verantwortung und Vernunft. Unter dem Artikel "'Was soll dieser Unsinn?': Genervter Gerhard Schröder verteidigt Bau von Nord Stream 2" verteidigen Schröder als pragmatischen Ex-Kanzler mit wirtschaftlichem Weitblick. Andere kritisieren scharf seine Nähe zu Russland und die Folgen seiner Politik. In den Kommentaren zeigt sich: Das Vertrauen in energiepolitische Entscheidungen bleibt tief erschüttert.

Verteilung der Meinung zu "Leserstimmen zu Schröder und Nord Stream 2 – Vielschichtige Debatte"
Verteilung der Meinung zu "Leserstimmen zu Schröder und Nord Stream 2 – Vielschichtige Debatte" FOCUS Online

Lob und Nostalgie 

Viele Leser würdigen Gerhard Schröder als den letzten Kanzler, der deutsche Interessen konsequent vertreten habe. Sie erinnern ihn als Macher mit Mut, wirtschaftlichem Sachverstand und klarer Linie – besonders mit Blick auf die Agenda 2010 und den Umbau des Sozialstaats. Auch seine außenpolitische Haltung, etwa die Ablehnung des Irakkriegs und sein Bemühen um stabile Beziehungen zu Russland, wird positiv hervorgehoben. Diese Sichtweise ist von einer gewissen Wehmut geprägt: Nach Schröder, so der Tenor, habe kein Regierungschef mehr nationale Stärke und internationale Eigenständigkeit verkörpert. Kritische Stimmen, die seine Nähe zu Putin betonen, bleiben in diesem Meinungsspektrum selten.

"Der letzte Kanzler, der deutsche Interessen vertrat. Mit Weitsicht und Mut."  Zum Originalkommentar

"Schröder war der letzte gute Kanzler und danach ging es sowohl mit unserem Land als auch mit seiner Partei steil bergab. Und wie es scheint, hat er es immer noch drauf."  Zum Originalkommentar

"Gerhard Schröder war der letzte Kanzler, der in diesem Land was bewegt und verbessert hat, seine Nachfolger Merkel, Scholz und Merz haben Deutschland nur geschadet. Schade, dass es solche Typen nicht mehr gibt."  Zum Originalkommentar

"Der kleine Mann der SPD war vielleicht der letzte vernünftige Kanzler in den letzten 22 Jahren..."  Zum Originalkommentar

"Schröder hat den Sozialstaat saniert und sich um friedliche Beziehungen mit den Nachbarn bemüht. Schon das adelt ihn."  Zum Originalkommentar

Verteidigung von Nord Stream 2

Zahlreiche Leser verteidigen Schröders Energiepolitik und insbesondere den Bau von Nord Stream 2. Sie betrachten die Pipeline als wirtschaftlich richtige Entscheidung, die langfristig niedrige Energiepreise gesichert hätte. Die heutige Energiekrise und die hohen Strom- und Heizkosten werden als Folge politischer Fehleinschätzungen gewertet – vor allem wegen des Drucks der USA, Polens und der Ukraine. Diese Perspektive blendet zwar die sicherheitspolitischen Risiken aus, spiegelt aber ein verbreitetes Bedürfnis nach pragmatischer, interessengeleiteter Politik wider. Schröders Projekt erscheint vielen als Symbol verpasster Chancen – eines realpolitischen Kurses, den heutige Regierungen aus ideologischen Gründen meiden würden.

"Der Bau von NS2 war eindeutig richtig. Bei Leitungen, welche durch die Ukraine liefen, haben die Ukraine wie auch die Polen, die auch durchquert wurden, Gebühren bezogen. Die Ukrainer haben noch dazu dauernd Gas aus den Leitungen gestohlen. Das wollte Merkel umgehen und hat sich dadurch den Unmut der Polen und Ukrainer zugezogen. Wenn nicht Verbrecher aus der Ukraine die Leitungen gesprengt hätten und die EU-Bonzen klug genug gewesen wären, weiter Gas aus Russland zu beziehen, hätten wir die Probleme nicht, welche uns jetzt die ganze Zeit auf den Kopf fallen und die Energiepreise zum Himmel schnalzen."  Zum Originalkommentar

"Ohne die Interventionen der Ukraine, (die ihre Durchleitungsgebühren nicht verlieren wollten) und auch nicht zu vergessen sind die ständigen Einwände der Amerikaner, Briten und auch Polen (aus was für Gründen auch immer) wäre Nordstream und das Abkommen mit Russland die preiswerteste und sicherste Energieversorgung für Deutschland geworden."  Zum Originalkommentar

"Gas aus Russland zu beziehen war eine richtige Entscheidung. Was in Deutschland fehlt, ist die Entscheidung, die Energieversorgung auf mindestens vier Beine zu stellen: Atomkraft (von den Grünen ohne Sinn und Verstand vehement bekämpft), Kohle, Gas, Wind/Sonne/Sonstiges/Öl). Aber leider fehlt der politischen Elite der Mut, die dümmste, von Habeck eingeleitete Energiepolitik zu korrigieren."  Zum Originalkommentar

"Das ist unerhört. Das war die beste Lösung, an günstige Energie zu kommen, es sei denn, man möchte sehr teure kaufen..."  Zum Originalkommentar

"Dass die Pipeline sinnvoller ist als LNG und Fracking-Gas, ist, glaube ich, jedem klar. Und politisch wurde das Gas nur von der Ukraine, Polen und Amerika kritisiert und das hatte wirtschaftliche Gründe."  Zum Originalkommentar

Scharfe Kritik an Schröder

Ein Teil der Kommentare ist sehr kritisch. Seine Nähe zu Putin und seine Auftritte im Untersuchungsausschuss werden als selbstgerecht oder abgehoben empfunden. Besonders umstritten ist seine Tätigkeit für russische Energiekonzerne nach seiner Kanzlerschaft. Viele sehen darin einen moralischen Bruch, der sein politisches Lebenswerk überschattet. Schröders Beharren auf Unabhängigkeit wird von seinen Kritikern als Egoismus interpretiert – von seinen Verteidigern als Ausdruck jener Standhaftigkeit, die ihn einst ausgezeichnet habe. Das Bild, das bleibt, ist ambivalent: ein Politiker, der sich selbst treu blieb, aber zunehmend isoliert wirkt.

"Ganz der alte Gerd. Er fühlt sich immer noch so wichtig wie einst als Juso-Chef und Kanzler, dabei ist nichts als seine Kungelei mit Putin übrig geblieben. Kein Wunder, dass er von der Wirklichkeit genervt ist."  Zum Originalkommentar

"Der einzige ehemalige Bundeskanzler, der nach seinem Amt offiziell von den Russen bezahlt wurde, wollte amerikanische Einflussnahme verhindern. Alles klar, Herr Schröder."  Zum Originalkommentar

"Seine zur Schau gestellte Arroganz, die behält der alte Mann wohl bis zum Grab. Ansonsten viel Altersstarrsinn, völlig unfähig, sich zu reflektieren und Dinge zu überdenken, neu zu bewerten. Da ist auch nichts mehr zu erwarten."  Zum Originalkommentar

"Gerhard hat es mit seiner Geltungssucht zu was gebracht. Warum sollte das mit 80 besser werden? Man darf auch nicht vergessen, dass er best Friend von Putin sein will."  Zum Originalkommentar

"Leider wird bei dem Putinknecht nichts rauskommen, ähnlich wie bei Winterkorn."  Zum Originalkommentar

Verantwortung bei der Bundesregierung

Viele Leser richten ihren Ärger nicht primär gegen Schröder, sondern gegen die aktuelle Energiepolitik. Der Ausstieg aus Nord Stream 2, die Abkehr von Atomkraft und die Abhängigkeit von teurem Flüssiggas werden als strategische Fehlentscheidung bezeichnet. Dabei mischt sich wirtschaftliche Kritik mit politischer Ernüchterung: Deutschland habe sich von ausländischen Interessen leiten lassen und damit seine eigene Versorgungssicherheit aufs Spiel gesetzt. Tatsächlich zeigen Berechnungen, dass die Energiepreise in den vergangenen zehn Jahren gestiegen sind – und 2025 immer noch über Vorkriegsniveau (Ukraine) liegen. Die Diskussion um Schröder wird so zur Projektionsfläche für eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Richtung des Landes.

"Hätte man Nordstream in Betrieb genommen, stünde Deutschland heute nicht so miserabel da, wie jetzt."  Zum Originalkommentar

"1. Wenn man davon ausgeht, dass die Atomkraft abgeschaltet werden sollte, was absolut falsch war, dann gibt es einen Sinn für den Ansatz von Schröder. 2. Da jeder vernünftige Mensch (dazu zähle ich in diesem Fall weder Schröder noch Merkel) sehr schnell hätte erkennen müssen, was Putin vorhat, ist die Entscheidung für die Pipeline unverantwortlich. 3. Dass Schröder immer noch Putin verteidigt, zerstört sein Lebenswerk."  Zum Originalkommentar

"Die 3 Jahre Rezession sind weitgehend auf die teuer gewordenen Energiekosten zurückzuführen."  Zum Originalkommentar

"Komisch, dass sich vor dem Krieg niemand über den Bau aufgeregt hat. Hinterher sind Sie alle schlau. Die Amis lachen sich schlapp. Trump hat seltene Erden in der Ukraine gesichert, Biden den Ackerbau, Europa zahlt den Wiederaufbau und teures Gas aus den USA. Ich würde sagen: Top gelaufen, für die USA."  Zum Originalkommentar

"Dass die Pipeline sinnvoller ist als LNG und Fracking-Gas, ist, glaube ich, jedem klar. Und politisch wurde das Gas nur von der Ukraine, Polen und Amerika kritisiert und das hatte wirtschaftliche Gründe."  Zum Originalkommentar

Schröder als Kontrast zur Partei

Wenige Leser sehen in Schröder den letzten Sozialdemokraten mit klarer wirtschaftlicher Handschrift. Seine Reformpolitik gilt als mutig, seine heutige Partei dagegen als kraftlos und gespalten. Während die SPD heute stärker auf Sozialpolitik und Umverteilung setzt, steht Schröder für einen Kurs, der Eigenverantwortung und Marktmechanismen in den Vordergrund stellte. Diese Spannung zwischen Pragmatismus und Parteidoktrin prägt das Bild vieler Kommentatoren: Der eine Schröder – energisch, modern, unbeirrbar – wird als Gegenfigur zu einer SPD wahrgenommen, die sich in moralischen Appellen verliert.

"Ich habe nichts, aber auch gar nichts mit den Verrätern der SPD („Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“) am Hut. Lasst Gerhard Schröder in Ruhe. Kanzler wie Schmidt und Brandt!!! Ansonsten SPD: Ab in die Biotonne!!"  Zum Originalkommentar

"Gerhard Schröder war der letzte große Macher der SPD."  Zum Originalkommentar

"Schröder war der letzte vernünftige Politiker der SPD. Ich habe zwar nie die SPD gewählt, aber fand seine Politik immer sehr gut."  Zum Originalkommentar

"Schröder ist sicher ein Egomane, aber neben v. Dohnanyi der einzige SPD-Vertreter mit Sachverstand und Hirn!"  Zum Originalkommentar

"Gerhard Schröder war der letzte Kanzler, der in diesem Land was bewegt und verbessert hat, seine Nachfolger Merkel, Scholz und Merz haben Deutschland nur geschadet. Schade, dass es solche Typen nicht mehr gibt."  Zum Originalkommentar

Debatte um Schröders Gesundheit

Ganz wenige Leser lenken die Diskussion auf den Gesundheitszustand. 

""Der 81-Jährige Schröder wurde aus Rücksicht auf seine Gesundheit von seinem Büro in Hannover per Video in den Ausschuss zugeschaltet." Zum Glück kann er aber auf anderen Veranstaltungen persönlich teilnehmen...."  Zum Originalkommentar

"Sie sollten lieber hoffen, dass Gerhard Schröder noch lange gesund und fit bleibt, sie werden ihn vielleicht noch brauchen."  Zum Originalkommentar

Sonstiges

Ein Teil der Leser nutzt die Debatte für spitze Bemerkungen, Ironie oder Frust über die politische Kultur. Schröder wird dabei ebenso zur Zielscheibe wie seine Kritiker.

"Da fragt also wirklich einer, warum NS2 gebaut wurde? Klingt wie eine Frage aus Schilda von den Schildbürgern."  Zum Originalkommentar

"Ich finde viele Beiträge, auch wenn sie nicht meine Überzeugung widerspiegeln, sehr sachlich. Das freut mich. Danke ..."  Zum Originalkommentar

"Leider wird bei dem Putinknecht nichts rauskommen, ähnlich wie bei Winterkorn."  Zum Originalkommentar

Diskutieren Sie mit! Wie sehen Sie Schröders Rolle? War der Bau der Pipeline eine rationale Entscheidung oder ein unverantwortliches Risiko? Und hat die Bundesregierung im Nachgang wirklich alles richtig gemacht?

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