Behandelt wie Müll: Zwei barbarische Kindermorde machen TV-Mann Cerne fassungslos

„Ich weiß, dass dieser Fall Sie persönlich auch sehr berührt hat“, sagt Moderator Rudi Cerne. „Durchaus“, antwortet Silke von Sweringen von der Berliner Staatsanwaltschaft kurz und knapp. Ein Wort mehr und die Staatsanwältin hätte wohl ihre Professionalität verloren. Es ist ein brutaler Abend, den die Zuschauer von „Aktenzeichen XY…ungelöst“ erleben. 

Im Mittelpunkt der Sendung stehen getötete Kinder: der zwölfjährige Berliner Reiner Koch und ein kleiner Säugling, der nackt und ohne Decke oder Ähnliches am Rande eines Parkplatzes bei Ruhpolding lag. Beide Kinder wurden weggeworfen. Wie Müll. Ihre Mörder sind barbarisch. Reiner wurde von seinem Peiniger erwürgt und seine Genitalien verstümmelt. Das Ruhpoldinger Baby wurde misshandelt, stranguliert und starb später wohl an Unterkühlung.

Appell an das Gewissen

Das Prinzip der Einspielfilme über die Morde an den beiden Kindern ist ähnlich. Es werden Gefühle erzeugt. Polizei und Staatsanwaltschaft hoffen darauf, dass die Täter mit der Zeit das schlechte Gewissen plagt oder deren Mitwisser der Polizei Hinweise geben. 

Manchmal ist die Zeit ein guter Mitarbeiter der Ermittler. Der Ruhpoldinger Fall liegt nun gut drei Jahre zurück, der Berliner Fall sogar mehr als 50 Jahre. Aber selbst wenn der Täter längst verstorben ist, lohnt sich die Aufklärung. „Die Familie sehnt sich Gewissheit herbei“, erklärt Rudi Cerne. 

Die Familie Koch besteht aus vier älteren Kindern und den beiden Eheleuten, die seit dem Verbrechen am 16. Januar 1973 nicht über die Tat sprechen können. Die Kochs leiden bis heute. Silke von Sweringen hofft, dass „sich Personen angesprochen fühlen, die Mitwisser sind, möglicherweise hat sich der Täter offenbart, um sein Gewissen zu erleichtern.“ Falls der Täter überhaupt ein Gewissen hat.

Ergebnislose Suchtaktion mit Hunden

Der zwölfjährige Reiner Koch verlässt am 16. Januar 1973 gegen 16:30 Uhr die elterliche Wohnung in Berlin-Neukölln. Nachdem er seinem Vater den Wohnungsschlüssel übergeben hat, begibt er sich zum Fußballtraining in die Turnhalle der Morusschule. An der Bar hatten ihm der Vater und ein weiterer Gast namens Gerhard noch zwei Tüten Chips spendiert. 

Nach Trainingsende verlässt Reiner die Halle zusammen mit zwei Mitschülern, verabschiedet sich aber gegen 18 Uhr von ihnen und tritt den Heimweg allein durch den düsteren Thomaspark an. Als der Junge am Abend nicht nach Hause kommt, verständigen seine Eltern die Polizei und eine Suchaktion mit Hunden beginnt.

Ein ominöser Kneipenbesucher namens Gerhard

In der Nacht zum 18. Januar entdeckt ein Polizeibeamter Reiners unbekleidete Leiche am Straßenrand nahe dem Olympiastadion. Kurz darauf werden seine Kleider in Plastiktüten verpackt an einem anderen Ort gefunden. Im Herbst 2024 wurde der Cold Case Koch neu aufgerollt und auf den Tüten sind tatsächlich noch tatrelevante DNA-Spuren gesichert worden. 

Die Ermittler gehen nun davon aus, dass der Täter aus dem Umfeld des Opfers stammt und den Jungen zu sich nach Hause mitgenommen hat, um ihn dort zu vergewaltigen. Um Spuren zu verwischen, habe er dann Leiche und Kleidung an entfernten Orten abgelegt. Der ominöse Kneipenbesucher namens Gerhard konnte bislang nicht ausfindig gemacht werden.

Kleine Leiche hinter einem Erdwall

„Der Fall ist schwer zu ertragen“, meint Moderator Cerne. Der Satz gilt diesmal einem männlichen Säugling, der am 4. Dezember 2022 auf einem Wanderparkplatz in Ruhpolding gefunden worden ist. Die elfjährige Tochter eines Mitarbeiters der kommunalen Verkehrsüberwachung, der die abgestellten Fahrzeuge kontrollierte, hatte die kleine Leiche hinter einem Erdwall gefunden. 

Das Baby war bei der Geburt gesund, lebte jedoch nur etwa eine halbe Stunde. Die Untersuchung ergab schwere Verletzungen durch stumpfe Gewalteinwirkung. Zudem lässt sich nicht eindeutig klären, ob der Tod durch Strangulation mit der eigenen Nabelschnur oder infolge von Unterkühlung eingetreten ist. Die Ermittler sichern DNA-Proben von Mutter und Kind und besitzen auch Rückschlüsse auf das Erbgut des möglichen Vaters. Ein Abgleich mit den Datenbanken blieb bislang jedoch erfolglos.

Rudi Cerne: „Das hat uns alle bewegt“

„Das ist einfach nur erschütternd“, sagt Moderator Cerne. „Das ist ein Fall, der uns alle sehr bewegt hat.“ Es ginge, so Cerne weiter, nun auch darum, dass „dieser kleine Mensch, der ohne Chance auf Leben war, nicht vergessen wird“. Es geht aber auch darum, dass die Täter gefunden werden. 

Alexander Stenglein von der Polizei Traunstein geht davon aus, dass die Mutter aus Südosteuropa stammt und wohl Richtung Österreich über die Grenze entschwunden ist. Es könnte sich etwa um eine Prostituierte handeln, die ungewollt schwanger wurde. Der Hintergrund könnte aber auch religiöser oder psychischer Art sein. „Ich hoffe, diese TV-Fahndung bringt sie weiter“, wünscht Rudi Cerne zum Abschluss. 

Es sind brutale Fälle, die beim Zuschauer lange Zeit nachhallen. Es sind barbarische, erbarmungslose Akte von Gewalt, die sich schwer abschütteln lassen. Die Hochachtung gilt denjenigen, deren tägliche Arbeit es ist, solche Fälle aufzuklären. Die Aufklärungsquote von „Aktenzeichen XY…ungelöst“ liegt nach ZDF-Angaben bei immerhin 39 Prozent. Das lässt tatsächlich hoffen.

Geschockter Finder
Der kleine Film zeigt den Moment, als der Parkplatzüberwacher nahe Siegsdorf die Babyleiche findet. ZDF-Screenshot