In Tom Carstens‘ Schmiede herrschen hochsommerliche Temperaturen
In loser Reihenfolge sorgen wir mit unserer Sommerserie für Erfrischung – oder heizen Ihnen richtig ein. Diesmal besuchen wir die Schmiede von Tom Carstens. Dort herrschen nicht nur im August hochsommerliche Temperaturen.
Münsing – Egal, wie warm es ist: Während seiner Arbeit trägt Tom Carstens eine Lederschürze. Sie schützt den 51-Jährigen vor der Gluthitze in seiner Werkstatt auf dem Butzmo-Hof in Degerndorf. Der Schmied braucht das Feuer, um arbeiten zu können. Bis zur Weißglut bringt er den Eisenrohling, um daraus etwas ganz Besonderes zu schmieden.
3000 Grad Celsius heiß ist das Kohlefeuer
In der Esse brennt bereits ein kleines Feuer. Um es richtig anzufachen, braucht es noch mehr Kohle und „Wind“, wie der Fachmann sagt. Carstens greift zu einer Schaufel und gibt Holz- und Steinkohle in die offene Feuerstelle. Anschließend betätigt er einen Hebel, und das Gebläse unterhalb der Esse lässt die Flammen lodern. „Früher hat der Lehrling im ersten Lehrjahr nur am Blasebalg gezogen, damit er Muskeln bekommt“, erzählt Carstens mit einem Schmunzeln über das Handwerk, das zu den ältesten der Menschheit gehört. Ein eindrucksvoller Balg hängt über dem Eingang zu seiner Werkstatt. „Im zweiten Jahr durfte der Lehrling dann an die Feuerstelle“, ergänzt er.
Der Schmied greift zum Löschwedel und macht die Kohle außen nass. „Wenn man sie außen nass macht, verbacken sich die kleinen Partikel zu großen, und die Hitze geht mehr in der Mitte raus“, erklärt er. Carstens wartet, bis die Kohle eine Kerntemperatur von 3000 bis 3500 Grad Celsius erreicht, dann nimmt er eine Eisenstange mit einem Durchmesser von 24 Millimetern und legt sie ins Feuer. Carstens dreht den Rohling, der aus Italien stammt, um ihn gleichmäßig auf Bearbeitungstemperatur zu bringen. Er wird daraus einen Zeiger für eine Sonnenuhr gestalten. Sie soll später einmal in einem großen Garten stehen, verrät der Kunstschmiedemeister. Etwa zwei Wochen wird er daran arbeiten. Für den Zeiger wird er etwa sieben Stunden brauchen, schätzt Carstens.
Zu heißes Feuer lässt das Eisen schmelzen
Konzentriert schaut der Schmied ins Feuer. Das Zeitfenster, auf das er wartet, ist nicht sonderlich groß. Um genau zu sein: Es ist nur drei Sekunden lang. Dann hat das Eisen eine Temperatur von 1200 bis 1300 Grad erreicht und kann geschmiedet werden. „Wartet man zu lang, schmilzt das Eisen“, erklärt der Experte. Das lässt sich mit bloßem Auge erkennen: Wird das Feuer zu heiß, verändern sich die Flammen. Sie schlagen spitze Funken, wie bei einem kleinen Feuerwerk. Dann schmilzt das Eisen und lässt sich nicht weiter bearbeiten – ein Fall für den Schrotthaufen.
Aus der Röhre wird eine Spitze
Soweit lässt es der Fachmann natürlich nicht kommen. Er dreht sich um, schaltet einen sogenannten Lufthammer ein und wartet den richtigen Zeitpunkt ab. Schnell zieht er die Stange aus dem Feuer und geht zur laufenden Maschine hinüber. Die glühend rote Seite legt er auf den unteren Sattel, dann saust der obere Sattel in kurzen Abständen auf das Eisen – mit einem Gewicht von 1,5 bis zwei Tonnen. Das röhrenförmig zulaufendem Ende wird zu einer Spitze. Nach einigen Augenblicken zieht der Schmied die Stange aus dem Lufthammer, er schaltet ihn aus. Die Temperatur ist auf 650 bis 700 Grad gefallen. Zu kalt, um das Eisen, das immer noch glüht, weiter gut zu bearbeiten.
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Kistenweise Mineralwasser
In der Werkstatt steht kistenweise Mineralwasser – ungekühlt. Das trinkt der Handwerker, um sich zu erfrischen. „Immer warme Sachen zu trinken, das habe ich von Kollegen in Norwegen und Tschechien gelernt“, sagt Tom Carstens mit Blick auf die hochsommerlichen Temperaturen draußen wie drinnen.
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Fünf Jahre war der Schmied auf Wanderschaft und sammelte in dieser Zeit bei renommierten Meistern wertvolle Erfahrungen als Metallgestalter. „Ich mache mir auch gern einen grünen Tee“, sagt Carstens. „Mit warmen Getränken geht's mir besser.“ Die Teeblätter holt er sich von nebenan – im benachbarten Hofladen an der Angerbreite 39.
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