Schnelles Internet contra Kulturgut: Gerichtsstreit um Mobilfunkmast – „Es gibt ein formales Problem“

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Ortstermin des Verwaltungsgerichts am KZ-Friedhof Leitenberg: Thomas Hermann vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (2.v.l.) erläutert dem Verwaltungsgericht mit Vorsitzendem Richter Johann Oswald (mit Mütze) die Sichtachse von der Kapelle Regina Pacis nach Süden. © ps

Stört ein geplanter Funkturm den Blick von der Gedächtniskapelle am Leitenberg in Richtung Süden? Um diese Frage ging es bei einem Termin des Verwaltungsgerichts München – zunächst. Am Ende gab es jedoch ein ganz anderes Problem.

Dachau – Ein stabiles, schnelles Mobilfunknetz gehört heute zur grundlegenden Infrastruktur. Um letzte Funklöcher zu schließen, müssen daher weitere Sendemasten aufgestellt werden. Wie nah aber darf so ein Funkturm an ein Denkmal heranrücken? Wie sehr ins Blickfeld geraten an einem historischen Ort? Um diese Fragen ging es in einem Verfahren, das die elfte Kammer des Verwaltungsgerichts München am Donnerstag am KZ-Friedhof Leitenberg öffentlich verhandelt hat.

Geklagt hatte die Deutsche Funkturm GmbH, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom. Denn einen Mobilfunkmast, den das Unternehmen auf einem Grundstücksdreieck zwischen Bahntrasse und Freisinger Straße errichten möchte, hat die Stadt Dachau nicht genehmigt. Die Behörde war dabei der Einschätzung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege gefolgt, wonach der Mast für den KZ-Friedhof am Leitenberg eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen würde. Nun musste das Gericht entscheiden.

Ortstermin des Verwaltungsgerichts am KZ-Friedhof Leitenberg

Vor der Verhandlung machte sich das Gericht unter Vorsitz von Richter Johann Oswald gemeinsam mit allen Prozessbeteiligten ein Bild von der konkreten Situation. Zunächst ging es die Anhöhe hinauf zur italienischen Kapelle Regina Pacis, wo Thomas Hermann, Gebietsreferent des Landesamts für Denkmalpflege, die Bedenken der Denkmalschutzbehörde erläuterte.

Dabei gehe es nicht darum, dass der geplante Funkmast, der etwa 500 Meter entfernt am Fuß des Leitenbergs geplant ist, den Blick auf den KZ-Friedhof stören würde. Schon jetzt geraten beim Weg hinauf die Windräder in Etzenhausen und Webling sowie eine Hochspannungsleitung ins Gesichtsfeld. Doch dem Denkmalschutz geht es um eine ganz andere Sichtachse: Die Gedächtniskapelle, so Hermann, sei nicht wie üblich nach Osten, sondern explizit nach Süden ausgerichtet, in Richtung Italien. Vom Portal des Bauwerks aus gehe der Blick zum Dachauer Schloss und nach Süden. Der Mobilfunkmast würde genau in dieser südlichen Sichtachse stehen und das Bild stören.

Der schmale Funkturm würde hinter den dicht wachsenden Bäumen verschwinden, gab Klägeranwältin Lisa Lückemeier zu bedenken. Und die Silhouette der Stadt bleibe weiter zu sehen. Der geplante Mast würde genau in einer Lücke des Bewuchses stehen, erwiderte Stefan Wirth-Rasehorn, Anwalt der Stadt Dachau.

Anschließend machten sich Gericht und Prozessbeteiligte noch ein Bild vom Friedhof selbst sowie vom geplanten Standort des Funkmasts an der Freisinger Straße. Dort würde der Mast schräg vis-à-vis der Bayerischen Metallwerke nah der Bahntrasse errichtet, auf einem Fleck, der tiefer als die Fahrbahn liegt. Dieser Standort wurde gewählt, weil speziell die Mobilfunkverbindung entlang der ICE-Strecke mit dem Sendemast verbessern werden soll.

Umstrittener Mobilfunkmast: Für klagende Firma gibt es unerwartetes Problem

Zurück am Parkplatz des KZ-Friedhofs, eröffnete Richter Oswald die öffentliche Verhandlung. Und erläuterte zunächst die Einschätzung der fünfköpfigen Kammer, die sich auf dem Rückweg beraten hatte. Entscheidend sei einerseits, ob der Funkmast das Ortsbild beeinträchtigt würde, so Richter Oswald. Das sei wohl nicht der Fall, die Stadt sei von der Freisinger Straße aus sowieso kaum sichtbar. Auch die Denkmalsituation schätzt das Gericht eher unproblematisch ein. Tatsächlich würde der geplante Funkturm von der Kapelle aus in Blickrichtung Süden stehen. Aber ob das Vorhaben daran scheitern solle, „das würden wir verneinen“.

Normalerweise gehe es bei der Abwägung von Baurecht und Denkmalschutz meist darum, dass ein Bauvorhaben nahe einem historischen Gebäude den Blick aufs Denkmal beeinträchtige. Hier gehe es „genau andersherum“ um den Blick vom Denkmal auf die Stadtansicht. Doch eine wesentliche Beeinträchtigung habe die Kammer nicht erkannt. „Der Funkturm ist eine neutrale, technische Anlage, bei einer Werbeanlage würden wir es wohl anders sehen.“

Wenn die Vertreter der klagenden Deutschen Funkturm GmbH an dieser Stelle auf einen für sie erfolgreichen Ausgang der Verhandlung gehofft haben sollten, und damit auf Baurecht für den Funkturm, dann war das verfrüht. „Es gibt ein formales Problem“, so Richter Oswald.

Wichtiges Dokument fehlt

Der erforderliche Standsicherheitsnachweis für den geplanten Funkmast sei nicht eingereicht worden, damit gebe es keine Aussicht auf Baurecht. Man habe die Statik nicht beauftragen wollen angesichts des unsicheren Baurechts, erklärte Anwältin Lückemeier.

Doch das fehlende Dokument nach einem Urteil einfach nachzureichen, das geht nicht. Die Kammer, betonte Oswald, lege großen Wert auf die Einhaltung der Bauvorlagenverordnung, also darauf, dass alle erforderlichen Unterlagen auch mit dem Bauantrag vorliegen. Die Folge zeigte der Vorsitzende Richter auf: „Die Klage wird aus formalen Gründen abgelehnt, ohne dass es auf die Ansicht des Gerichts ankommt.“ Es werde „auf einen neuen Bauantrag hinauslaufen“.

Klage wird wohl abgewiesen

Die definitive Entscheidung traf das Gericht im Anschluss an die Verhandlung, sie wird den Parteien schriftlich zugestellt. Doch die Würdigung des Vorsitzenden Richters lässt erwarten, dass die Klage abgewiesen wird. Die Deutsche Funkturm müsste einen neuen Bauantrag bei der Stadt stellen. Ob die Behörde dann die inhaltliche Einschätzung des Gerichts, die rechtlich keine Wirkung hat, berücksichtigt und den Bauantrag genehmigt, oder es mit einer erneuten Ablehnung wieder auf eine Klage ankommen lässt, ist offen. Fest steht: Bahnreisende werden nördlich von Dachau noch länger mit schlechtem Empfang leben müssen.

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