Zum Dank eine Kapelle errichtet – Hubert-und-Staller-Darsteller liest Bericht eines Kriegsüberlebenden

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Berichteten über die Geschehnisse vor 80 Jahren in Münsing: Bettina Hecke und Christian Tramitz. © Hans Lippert/Hans Lippert - Fotografie

Schauspieler Christian Tramitz liest einen Zeitzeugenbericht in Münsing vor. Anlass für die Lesung und Ausstellung am Starnberger See war das Kriegsende.

Münsing – Am deutlichsten hat der Ortsteil Degerndorf das Kriegsende vor 80 Jahren zu spüren bekommen. Am 17. Dezember 1944 stürzte dort ein englischer Bomber vom Typ Lancaster ab. Es war großes Glück, dass er auf dem Fürst Tegernberg, einem Hügel nahe dem Ort, niederging. Aus Dankbarkeit errichteten die Degerndorfer später die Maria-Dank-Kapelle an der Stelle.

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Christian Tramitz liest, wie die Münsinger einem verletzten Feind menschlich entgegenkamen

Damals wurden weder Einwohner verletzt noch Gebäude beschädigt. Von den sieben Besatzungsmitgliedern der Royal Air Force überlebte nur einer. Er konnte sich mit dem Fallschirm retten. Die Degerndorfer und ihr Bürgermeister Georg Bolzmacher verhielten sich äußerst menschlich dem „Feind“ gegenüber, obwohl die Polizei in Wolfratshausen ihnen empfahl: „Daschlagts‘n glei, dann hamma koane Scherereien mit erm“.

Der verletzte Soldat wurde von den Einheimischen versorgt und auch seine toten Kameraden wurden auf dem Friedhof begraben, statt im Wald verscharrt, wie von der NSDAP angeordnet. Der in Münsing lebende Schauspieler Christian Tramitz las diese Episode, aufgeschrieben von Pfarrer Ludwig Betzinger, am Freitagabend anlässlich der Gedenkfeier von Gemeinde und Münsinger Chronik-Gruppe im Bürgerhaus.

Landrat Josef Niedermaier hörte im Pallaufsaal Zeitzeugenberichten des Schauspielers Percy Adlon zu

Der Pallaufsaal war voll besetzt, auch Landrat Josef Niedermaier befand sich unter den Gästen. Hausherr Bürgermeister Michael Grasl begrüßte die Besucher mit den Worten, dass sie mit ihrer zahlreichen Anwesenheit ein Zeichen setzten gegen das Vergessen und die Verharmlosung eines düsteren Kapitels deutscher Geschichte.

Weitere Zeitzeugenberichte wurden von Veronika Kreuzhage, Johannes Bernwieser, Autor der Münsinger Chronik, und Chronik-Mitarbeiterin Bettina Hecke vorgetragen. Sie las aus den Erinnerungen des 2024 verstorbenen Schauspielers Percy Adlon, der für Band III der Chronik noch befragt werden konnte. Seine Mutter habe während der weithin hörbaren Bombenangriffe auf München die Worte „Die Oper“, „Der Tierpark“ geflüstert. „Sie hatte Angst, dass die Orte, die sie so liebte, zerstört würden.“

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Todesmarsch durchs Isartal und Münsing: Berichte aus dem Buch „Das Ende des Zweiten Weltkriegs“

Auch Zeitzeugen des Todesmarschs durch das Isartal und Münsing wurden zitiert, außerdem gab Bernwieser die detaillierten Berichte Peter Pfisters aus dessen Buch „Das Ende des Zweiten Weltkriegs“ wider. Anhand der Geschichte von Gregor Berghof, der mit zehn Jahren im Januar 1945 aus Oberschlesien nach Münsing kam und dort mit seiner Familie in der Schule in einem Zimmer mit mehreren Stockbetten schlief, wurde das Kapitel Heimatvertriebene aufgegriffen.

Auch in Münsing gab es eine Hitlerjugend (HJ). Rechts hinten ist Pfarrer Anton Heldmann zu sehen.
Auch in Münsing gab es eine Hitlerjugend (HJ). Rechts hinten ist Pfarrer Anton Heldmann zu sehen. © privat

Das Chronik-Team hat unveröffentlichte Berichte und Fotos zusammengetragen

Die ausgewählten Texte des Chronik-Teams waren nicht nur bedrückend, es gab auch heitere Erinnerungen. So erzählte Matthias Will, aufgewachsen nahe dem Dorfplatz, er habe bei Fliegeralarm nie in den Bunker an der Schwabbrucker Straße gehen wollen, denn er habe unbedingt die Lichter am Himmel, entstanden durch die Explosionen in München, sehen wollen. Als Fünfjähriger habe er „überhaupt keine Angst gehabt“.

Bisher unveröffentlichte Berichte, Dokumente und Fotos über das Kriegsende vor 80 Jahren konnten die Besucher im ersten Stock des Bürgerhauses besichtigen. Johannes Bernwieser, Bettina Hecke, Fritz Wagner, Manfred Hummel und Ernst Grünwald von der ehrenamtlichen Chronik-Gruppe haben sie in mühevoller Arbeit zusammengetragen. Eine Schautafel widmet sich den Frauen, die während des Kriegs Feuerwehrdienste verrichteten, weil fast alle Männer an der Front waren.

Todesnachrichten und Feldpost: Bilder zeigen den grausamen Kriegsalltag

Auf einer anderen sind Todesnachrichten und Feldpostausschnitte abfotografiert. Bilder vom grausamen Kriegsalltag mit erhängten Partisanen, Massengräbern und zerstörten Fahrzeugen hat die Familie von Nikolaus Zistl aus Degerndorf, gefallen 1943, zur Verfügung gestellt. Auch die Themen Gleichschaltung und Ideologisierung an den Schulen sowie die Verleihung von Mutterkreuzen an Mütter mit besonders vielen Kindern – als „Nachschub für den Krieg“ machten vor Münsing nicht Halt.

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Opfer des Euthanasie-Programms wurde der seinerzeit 40-jährige Ferdinand Hinterholzer aus Attenkam, der seit einem Fahrradsturz unter epileptischen Anfällen litt. In der Nazi-Diktatur war seine Existenz somit „lebensunwert“. Er wurde im Krankenhaus Haar ermordet; offiziell hieß es in einer Mitteilung, er sei an einer Lungenentzündung gestorben. Von Tanja Lühr

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