Nach den Protesten im vergangenen Jahr: Bei den Bauern brodelt es weiter
Widerstand gegen die Streichung von Subventionen, Zorn über steigende Auflagen und Unmut wegen einer überbordenden Bürokratie: Vor gut einem Jahr gingen Landwirte in Deutschland auf die Straße. Und heute? Was ist geblieben von den Protesten? Wie geht es den Bauern im Landkreis? Sind sie zufrieden oder gibt es eine neue Protestwelle?
Indirekt eine positive Wirkung, aber kaum greifbare Erfolge: Das haben die Bauernproteste nach Ansicht landwirtschaftlicher Vertreter aus dem Landkreis Weilheim-Schongau vor allem gebracht. Die Protestbewegung begann Anfang 2024 mit dem Widerstand der Landwirte gegen die Streichung von Subventionen beim Agrardiesel, aber schnell ging es um viel mehr. Forderungen nach einem Abbau der Bürokratie, Widerstand gegen den Import billiger Nahrungsmittel und gegen Umwelt- und Klimaschutzauflagen vereinten konventionell arbeitende mit biologisch gesinnten Landwirten; andere Branchen wie das Handwerk solidarisierten sich und gingen mit auf die Straße – und Umfragen wie das ZDF-Politbarometer zeigten: 68 Prozent der Deutschen hatten Verständnis für den Unmut der Bauern, die immerhin erreichen konnten, dass die Subventionen auf Agrardiesel nun nicht plötzlich, sondern langsam abgeschafft werden und die grüne Nummer für landwirtschaftliche Maschinen erhalten bleibt.
Neu erwachte Solidarität unter den Bauern und das gewachsene Verständnis der Konsumenten
Für Maria Lidl, Landwirtin und stellvertretende Kreisbäuerin, sind die neu erwachte Solidarität unter den Bauern und das gewachsene Verständnis der Konsumenten die beiden Haupterfolge aus der Protestwelle. „Die Landwirte sind wieder mehr zusammengerückt“, findet die Penzbergerin; und zwar unabhängig vom Alter und davon, ob man biologisch oder konventionell arbeitet, ob man ein Milchviehbetrieb ist oder Gemüse anbaut. Dadurch, dass die Bürger auf die Probleme der Bauern aufmerksam geworden seien, sei die Landwirtschaft wieder „in die Mitte der Gesellschaft gerückt“.
Keine greifbaren Verbesserungen
Das sieht Bernhard Heger, Vorstandsmitglied beim Bundesverband Deutscher Milchviehhalter aus Peißenberg, zwar genauso. Wirklich greifbare Verbesserungen für die Landwirte hätten die Proteste aber keine gebracht. Nach wie vor würden die Auflagen etwa im Bereich Tierschutz immer weiter steigen, ebenso die Mehrkosten etwa durch gestiegene Energiepreise – und letztere könne ein Milchviehbetrieb – anders als andere Unternehmen – nicht einfach an seine Kunden weiterreichen. Denn die Molkereien seien nach wie vor diejenigen, die den Milchpreis festlegen und im Gegenzug dafür die gesamte anfallende Milch auch abnehmen. Dabei würde er sich wünschen, dass die Landwirte anfangen, marktgerecht zu produzieren. „Die Mentalität ,Wir nehmen euch alles ab‘ war bequem. Aber so geht es nicht weiter.“
Nach Ansicht von Wolfgang Scholz, Kreisobmann des BBV-Kreisverbandes Weilheim-Schongau, haben die Proteste dazu beigetragen, dass die Landwirtschaft in politischen Entscheidungen zumindest „tendenziell“ wieder mehr Gehör geschenkt wird. „Wir haben mehr bewegt als die zehn Jahre davor.“ Und diese Veränderung halte bis heute an. Aber wesentliche Probleme der Landwirte bestünden weiterhin; als Beispiele nennt Scholz eine ausufernde Bürokratie, Auflagen zum Tierwohl und verschiedene europäische Richtlinien, die den Bauern weiterhin arg zusetzten. Als Folge davon sei der Investitionswille der jungen Generation so gering wie nie. Noch nie zuvor hätten im Alpenvorland so viele kleine landwirtschaftliche Betriebe aufgehört wie derzeit, beklagt Kreisbäuerin Lidl.
Weitere Protest nicht ausgeschlossen
Lidl kritisiert, dass die Auflagen in Deutschland immer weiter verschärft würden, man gleichzeitig aber Produkte aus anderen Ländern importiere, in denen weit weniger auf das Wohlergehen von Kühen und Co. geachtet werde. Sollte die sogenannte Kombinationshaltung (hier dürfen Tiere den Winter über in Anbindehaltung im Stall stehen) wirklich verboten werden, wie es derzeit diskutiert werde, fürchtet sie, dass noch mehr kleine Bauern mit Höfen innerhalb von Ortschaften aufhören müssen. Denn mit seinem Hof auf die grüne Wiese auszusiedeln, könne sich ein kleiner Landwirt nicht leisten.
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Es sind also nach den Protesten noch genug Themen übrig, für die die Bauern auf die Straße gehen könnten. Aktuell angedacht sei das aber nicht. Vor der Wahl mache das keinen Sinn, findet Lidl. Und danach? „Wenn es nötig ist, werden die Bauern schnell wieder auf der Straße sein“, glaubt sie. Auch der BBV steht laut Scholz dafür schon einmal „in den Startlöchern“. Heger sieht das anders. Viele Bauern seien „ermüdet“. Und überhaupt: „Protest allein reicht nicht.“ Jetzt müsse es darum gehen, Positionen zu erarbeiten und diese in die Agrarpolitik einzubauen. Er setze seine Hoffnung da auf den neuen EU-Agrarkommissar.