Bauern und Handwerker protestieren in Weilheim: „Sind Mitte der Gesellschaft“

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Hunderte Traktoren sorgten auf dem Weilheimer Volksfestplatz für einen seltenen Anblick. Mit einem an die Politik gerichteten Hupkonzert flutete die PS-starke Kolonne anschließend die umliegenden Straßen. © Ralf Ruder

Hunderte Landwirte haben sich am Mittwochvormittag mit ihren leistungsstarken Schleppern zu einer weiteren Kundgebung versammelt. Auf dem Weilheimer Volksfestplatz machten Bauern und Handwerker ihrem Ärger gemeinsam Luft.

Weilheim – „Genug ist genug, dad i sagen“, ließ der Vize-Kreisobmann des Bauernverbands, Andreas Oswald, verlauten, nachdem um kurz nach 11 Uhr auch die letzte Parklücke vor der Stadthalle gefüllt worden war. Oswald freute sich über die große Unterstützung, die die Landwirte nicht nur aus dem Handwerk, sondern auch aus der Bevölkerung erhalten hatten. Dass sogar einige bekannte Gesichter aus der Politik wie der Bundestagsabgeordnete Alexander Dobrindt (CSU) und die Landtagsabgeordnete Susann Enders (Freie Wähler) der Demonstration einen Besuch abgestattet hatten, nahm Oswald ebenfalls positiv auf. So wüssten diese gleich, „was sie danach umsetzen müssen“, sagte er.

Nicht nur die anhaltenden Diskussionen zur Kfz-Steuer und den Agrardiesel-Kürzungen beschäftigten den Vize. Auch „Kontrollwahnsinn und Bürokratie“ seien nicht länger akzeptabel. Im europäischen Ausland hätten die Bauern mit weitaus weniger Belastung zu kämpfen, „aber wir sollen mit E-Schleppern fahren“, ärgerte er sich. „Während Corona waren wir systemrelevant – jetzt sind wir Systemfehler“, fügte Oswald hinzu.

Gastronomin: „Leistung und Arbeit müssen sich wieder lohnen“

Martin Widmann, Betreiber einer kleinen Metzgerei in Pähl, war ebenfalls nicht besonders gut auf die Bundesregierung zu sprechen. Bei dieser würde es sich um „die schlimmsten Versager, die er mitbekommen hat“, handeln. Mittlerweile sehe man den „Gesetzeswald vor lauter Paragrafen nicht mehr“, sagte er kopfschüttelnd. Die Ware in seinem Laden stamme aus einem Umkreis von lediglich zehn Kilometern. Käme es zu einem Bauernsterben, müsse man das Schweinefleisch künftig – auch zum Leidwesen der Tiere – aus dem „chinesischen Hochhaus“ importieren. In einer Welt, „in der die Faulsten am meisten kriegen“, mache er sich zunehmend Sorgen um die berufliche Zukunft seiner Söhne. Dabei gehörten Landwirte und Handwerker doch zu denen, „die mehr als nur heiße Luft produzieren“, so Widmann.

„Leistung und Arbeit müssen sich wieder lohnen“, betonte die Peißenberger Gastronomin Katharina Haller und richtete anschließend deutliche Worte an die Politik. „Schluss mit dem Herumgehampel, macht’s endlich was Sinnvolles“, forderte sie.

Kreishandwerksmeister bezweifelt, dass Cem Özdemir je „einen Grashalm in echt gesehen“ habe

Auch Georg Holzer, BBV-Kreisobmann aus dem Landkreis Starnberg, gab sich die Ehre. „Wir sind keine Randgruppe, sondern die Mitte der Gesellschaft“, sagte Holzer – zudem Vize-Vorsitzender der Weilheimer Zuchtverbände. Erst vor Kurzem hätten sie eine neue Waschhalle errichtet. Doch „die haben wir nicht gebaut, dass wir in fünf Jahren aufhören können“, merkte er an. Nachfolgend kritisierte er neben diversen Bundesministern auch den Kanzler. Olaf Scholz sei zum Zeitpunkt der Wahl nur das geringere Übel gewesen, wobei man das Wort „geringere“ vielleicht lieber weglassen sollte, ergänzte er. „Wenn ihr es nicht kapiert, müsst ihr es spüren“, sagte Holzer abschließend und konnte sich dabei der Zustimmung der Menge sicher sein.

„Kürzt die Sozialleistungen“, forderte Kreishandwerksmeister Michael Andrä im Anschluss. Müssten die Politiker nachweisen, was sie können, wären sie nicht dort, wo sie aktuell sind, vermutete er und bezweifelte, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir je „einen Grashalm in echt gesehen“ hat.

Wegen Bauern-Protest und Bahn-Streik: Weilheimer Mittelschule im Heimunterricht

Die Lokführer kündigten Streiks an, die Bauern weitere Proteste – und Schulen in Weilheim standen damit vor der Frage: Distanzunterricht anbieten oder hoffen, dass alle anreisen können?

Die Wilhelm-Conrad-Röntgen-Mittelschule entschied sich letztlich dafür, den Unterricht am Mittwoch nur online stattfinden zu lassen. „Montag war es ziemlich chaotisch“, sagt Elke Uhl, zweite Konrektorin. Damit Lehrer und Schüler Sicherheit haben, wurde am Dienstag Distanzunterricht angekündigt. „Wir haben viele Schüler von außerhalb und sind digital gut versorgt“, sagt Uhl. Deshalb sei das die beste Lösung gewesen, zumal auch das Heimkommen zum Chaos hätte werden können, da die Kundgebung der Landwirte um 11 Uhr stattfand. Für jene Kinder, die nicht zuhause bleiben konnten, wurde eine Notbetreuung eingerichtet – vier Schüler nutzten diese.

Auch in der Weilheimer Berufsschule gab es Überlegungen, für den Mittwoch auf Distanzunterricht zu setzen – doch die Verantwortlichen dort entschieden sich dagegen. Knut Seelos war am Morgen zufrieden mit der Vorgehensweise. „Es hat alles überraschend gut funktioniert“, sagt der Schulleiter, der selbst etwas früher als sonst zur Arbeit fuhr. „Ich war pünktlich da.“ Die meisten Schüler und Lehrer auch. „Sie haben sich drauf eingestellt. Einige Schüler sind wegen des Streiks mit dem Auto statt mit der Bahn gekommen. Für uns hat heute alles gut gepasst.“ Von Katrin Kleinschmidt

Martin Müller von der Firma Strohmaier betonte, dass viele Unternehmen mit den steigenden Kosten überfordert seien und deshalb entweder aufhören oder ins Ausland gehen müssten, wodurch wiederum einige Wirtschaftskraft verloren gehe.

Im Gegensatz zu Bundeswirtschaftsminister Habeck finden Bauern und Jäger ihre Heimat „nicht zum Kotzen“, ließ Florian Pfütze vom Kreisjagdverband als letzter Redner verlauten. Auch zum Thema Wolf würden „realitätsferne Nicht-Landwirte“ Gesetze beschließen, die er so nicht unterschreiben könne. „Wenn du als Landwirt auf Missstände hinweist, giltst du sofort als rechtsradikal“, bedauerte Pfütze. Landwirte und Jäger seien vielleicht nicht immer einer Meinung, wüssten aber, „wie wichtig der andere Partner ist“.

Mit einer derartigen Geschlossenheit „hat die Politik nicht gerechnet“, gab sich Oswald am Ende kämpferisch. Natürlich wolle man aber „friedlich und rechtskonform“ bleiben. „Unser Weg ist das Ziel, nicht das, was andere vorgeben“, verkündete er und munterte die Landwirte auf, mit ihren Hupen ein Orgelkonzert zu veranstalten, nach dem nun die Politik „tanzen muss“. Von Florian Zerhoch

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