„Schluss der Hitlerei!“ - Mutiger Pfarrer über das Kriegsende 1945
Bevor er lange Jahre als Pfarrer in St. Pölten in Weilheim tätig war, wirkte Sebastian Hackl in Etting. Dort dokumentierte er die letzten Kriegstage. Kirchenpfleger Thomas Promer fand das kleine Büchlein im Archiv und stellte den Bericht der Heimatzeitung zur Verfügung.
Etting/Landkreis – In gestochen scharfer Handschrift hielt Pfarrer Hackl im Frühjahr 1945 die Geschehnisse in Etting fest. Kirchenpfleger Promer erinnerte sich an den Bericht, als er in der Heimatzeitung den Beitrag über die Berichte anderer Pfarrer aus der Region über das Kriegsende gelesen hatte.
„Ich kannte das Büchlein mit den Notizen Hackls“, berichtet er im Gespräch mit der Heimatzeitung. Schnell hatte er es im umfangreichen Archiv gefunden, eingescannt und an die Redaktion weitergeleitet. „Ein Glücksfall“ sei es, dass das Dokument noch erhalten geblieben ist.
Pfarrer Sebastian Hackl war seit dem 1. Februar 1936 als Expositius in Etting und blieb, wie Promer berichtet, bis 1946 in dem Ortsteil von Polling. Vermutlich habe er die Gemeinde nach dem Pfingstfest 1946 verlassen, berichtet der Kirchenpfleger. Auf Pfingsten 1946 lässt sich der letzte Eintrag ins Verkündungsbuch in der Handschrift Hackls datieren. Das Kriegsende findet sich übrigens auch im Verkündungsbuch 1945: „Einzug der Amerikaner: Schluss der Hitlerei!“ hat Hackl in roter Schrift und unterstrichen für den 30. April 1946 notiert.
Deutlich umfangreicher dokumentierte er die Geschehnisse in dem Büchlein, das Kirchenpfleger Thomas Promer fand. „Einige Notizen zum Sturz des Hitler-Regimes!“ schreibt Hackl über seinen Bericht.
Weiter heißt es: „Frühjahr 1945: fortlaufend Alarm bei Tag und Nacht. 19.4.45: Vormittags zweimaliger Luftangriff auf Weilheim (Bahnhofgegend). Von da an Zurückströmen der deutschen Frontsoldaten. Eine Einquartierung löste die andere ab, der Kampfgeist und Widerstandswille der deutschen Soldaten war völlig geschwunden. Alles wartete auf ein baldiges Ende.
Zu guter Letzt kam auch noch die SS, die, wie überall, so auch bei uns vor dem Einzug der Amerikaner uns in heikle Situationen brachte. Doch alles zog ab, sodass Etting am Sonntagvormittag, 29.4.45, als Weilheim schon betreffs Übergabe verhandelte, militärfrei war. Um alles leichter zu gestalten, zog man auf dem Kirchturm die weiße Fahne auf. Doch die letzte halbe Stunde, bevor die Panzerspitze der Amerikaner unser Dorf erreichte, kam nochmals eine kleine Gruppe SS zurück und fing mit dem Maschinengewehr zu schießen an. Der Expositius (Sebastian Hackl, Anm. d. Red.) war ganz allein gestellt mit seiner weißen Fahne auf dem Turm; keiner wollte die Verantwortung für das Kommende übernehmen.
Doch da war die Panzerspitze noch rechtzeitig da und alles löste sich in Wohlgefallen auf. Die nächste Zeit rollten Panzer an Panzer auf der Olympiastraße durch, Tag und Nacht.

Am 1. Mai gegen Mittag kam für einige Stunden Einquartierung der amerikanischen Truppen. Bei manchen Häusern, die davon betroffen wurden, nahm die Begeisterung etwas ab, denn begreiflicherweise nach Kriegsrecht und -brauch sind dabei manche Dinge abhanden gekommen! Und der Pfarrhof war davon betroffen. Erst am 9. Mai Nachmittag erhielt unser Ort die Bestimmungen der Besatzung: Polizeistunde abends um 7 Uhr etc.
Am 17. Mai: Christi Himmelfahrt bekamen wir ein Lager französischer Panzertruppen 300 Mann (De Gaulle) im Anger am Eberfinger Weg. In der ersten Woche waren diese sehr streng und schüchterten das Dörflein sehr ein! Haussuchungen waren zunächst an der Tagesordnung. Auch steckten sie sich zunächst hinter die polnischen Civilarbeiter und brachten dadurch manches heraus; besonders verklagten bei den Franzosen die Polen jene Bauern, die sie in den letzten Jahren über härter behandelt haben sollten. Zwei Bauern wurden mitgenommen und sehr geschlagen. Beide waren einige Wochen in Dießen und Landsberg gefangen gehalten. Gott sei Dank kamen beide glücklich heim.
Am 28. und 29. Mai zogen dann die französischen Panzer wieder ab. Diese französische Besatzung war deshalb so hart für den Ort, weil sie von Etting verpflegt werden mußten, z.b. täglich Butter, Eier, Kartoffel und Vieh. Zum Abschied noch 100 Hühner! Nun, auch das ging vorbei.
Bei Eberfing lag ein großes SS-Lager. Darum kam zur Bewachung eine amerikanische Panzerabteilung vom 8. Juni bis 20. Juni. Diese 12 Tage war auch der Pfarrhof belegt. Der Expositius wohnte zuerst beim Nachbar (Mesmer Bartl) 4 Tage (seine Schwester schlief dort in der Stube 12 Tage lang). Die weiteren Tage erhielt er bei Christa eine Wohn- und Schlafmöglichkeit.
Der Expositius war ganz allein gestellt mit seiner weißen Fahne auf dem Turm; keiner wollte die Verantwortung für das Kommende übernehmen.
Gottlob blieb bis jetzt der Ort von größeren Plündereien durch KZ-ler oder Russen oder Polen verschont, wie das in den umliegenden Dörfern mehrmals vorkam. Besonders wurden viele Räder gestohlen; auch mir aus dem Pfarrgarten von Peißenberg durch einen frechen Russen. Nun wissen auch wir, was „Besatzung“ heißt. Wie mögen auch seit Kriegsanfang die unterjochten Völker unter der deutschen Besatzung gelitten und geseufzt haben.
Bis gegen Ende Juli war noch seit Anfang ziemlich ohne Unterbrechung das erste Haus am Ortseingang belegt von 8 Mann, welche die Straßenkontrollen vornahmen! Nun ist unser Ort wieder ziemlich friedlich, soweit man das in unserer schweren Zeit sagen kann.
Was noch aufgezeichnet sein dürfte: Die Wohltätigkeit des Ortes war sehr lobenswert schon zu den zurückflüchtenden deutschen Truppen, so auch jetzt zu allen Leuten, die bettelnd kamen, besonders die SS und entlassene Soldaten. Es war sichtlich Gottes Segen bei diesem Geben, denn nach ausschließlichem Ermessen hätten unsere Vorräte fertig sein müssen vor der Ernte. Aber es hat gereicht! Dem Herrgott unendlich Dank dafür!
Die „Sommerschlacht“ ist gewonnen! Möge der Herrgott uns helfen und weiterhin Wunder wirken, daß wir auch noch die viel schwerere „Winterschlacht“ bestehen werden (Brennmaterial!) Patrona Bavariae! St. Michael! Bittet für uns!“