Was Pfarrer über das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren in Oberbayern aufgeschrieben haben

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Das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren in Oberbayern. Als die Amerikaner anrückten, flohen die meisten deutschen Soldaten. © mm

Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Seelsorger im Dekanat Rottenbuch, die diese Tage miterlebten, haben ihre Eindrücke 1945 aufgeschrieben. Heute sind es wichtige Zeitzeugenberichte.

Peiting/Landkreis – Mit dem Einmarsch der Amerikaner ging vor 80 Jahren der Zweite Weltkrieg zu Ende. Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber beauftrage bereits im Juni 1945 alle Seelsorger des Erzbistums München und Freising, über die Kriegsereignisse und den Einmarsch der US-Armee zu berichten. Diese Berichte (1498 Seiten), die an Palmsonntag 2005 veröffentlicht wurden, sind eine Fundgrube.

Peiting

Pfarrer Edmund Eimann beschreibt den Freitag, 27. April 1945, als einen Tag großer Spannung: „Viele hissten schon die weiße Fahne. Ein SS-Mann rief in den Pfarrhof hinein: ‚Meine Herren, wenn Sie nicht augenblicklich den weißen Fetzen entfernen, knall’ ich Sie jetzt noch nieder‘.“ Bald darauf wurde er selber von einem Peitinger Schlosser halb totgeschlagen und ins Lazarett gebracht.

Weil am Freitagnachmittag noch viel deutsches Militär in der Nähe war, wurde Peiting bis Samstagfrüh mit Artilleriesperrfeuer belegt. Ziel war die Straßenkreuzung beim Weilheimer Hof bis zur Freistraße. 15 Häuser wurden mehr oder weniger schwer beschädigt, ein polnisches Mädchen erhielt einen Armschuss. Eimann vermerkt: „Übrigens beharren viele bei der Meinung, dass jenes Sperrfeuer nicht von den Amerikanern herrührte, sondern von der SS.“

Mehrere Verwundete in den Lazaretten

Die für den Abend des 28. Aprils geplante Beschießung konnte abgewandt werden. Abends war vielfache Schießerei im Ort. Der Pfarrhof erhielt dabei zehn Einschläge, weil in dessen Nähe versteckte SS-Männer vermutet wurden. Nach einer guten Stunde war aber die SS überwältigt und die Gefahr für Peiting vorüber.

Bei den Kämpfen dieser Tage wurden mehrere Verwundete in die beiden Lazarette von Peiting eingeliefert, in der Nacht bei bloßem Kerzenlicht operiert. Ein Soldat erlag seinen Wunden und wurde von Lazarettpfarrer Pater Arnold am 23. Mai begraben.

Am Sonntag, 29. April, rollten von 7 Uhr an unaufhörlich gewaltige Massen von Panzern und anderen Kampfwagen durch Peiting. Etwa drei Tage lang haben besonders polnische Landarbeiter viel geplündert, namentlich Kleider, Schuhe und Lebensmittel. Kirchliche Gebäude blieben davon vollkommen verschont.

Dokumentation wird Grundstock für Theaterstück

Die Sammlungen von Kleidern und Wäsche für die aus Konzentrationslagern Befreiten und für Kriegsgefangene wurden im Pfarrhof hinterlegt, weil es dort am sichersten schien. „Man hört, die SS habe im Sinne gehabt, zwölf Männer von Peiting (darunter Pfarrer und Kooperator) und eine Frau (in Herzogsägmühle) aufzuhängen“, berichtet Eimann. 

Kasimir Jocher (1926–2016) hatte eine Vermutung, warum es nicht dazu kam. So hielt er in einem Beitrag zum „Gedächtnis der Nation“ im Oktober 2011 fest: „Man darf davon ausgehen, dass der hiesige Kommissar die Nazi-Fanatiker zurückhielt, die ganze geplante Aktion verzögerte und dieser grausame Akt verhindert wurde. Sein Sohn Ludwig ist gefallen, und ich glaube, dass ihn dies nachdenklicher machen ließ.“

Die Dokumentation von Pfarrer Eimann war mit ein Grundstock für das von Angela Dopfer-Werner inszenierte Theaterstück „Tage im April“, das am 25. April uraufgeführt wird. 

Böbing

Aus Böbing berichtet Pfarrer Anton Stemmer im August 1945 von den letzten Kriegstagen. Da der Ort zum Einfluggebiet für englische und amerikanische Angriffe auf München gehörte, brausten „tausende von feindlichen Flugzeugen mit furchtbarem Gedonner über uns dahin“. Häuserschaden wurde erst in der Nacht auf den 28. April 1945 angerichtet. „Wir glaubten, dass es die Amerikaner in Schongau seien, später hörte man, es sei die SS in Peiting gewesen. In dieser Nacht schlugen von 22 Uhr bis 3 Uhr rings um uns Artilleriegranaten ein.“

Vor Aufregung Herzschlag erlitten

Als die Amerikaner einmarschierten, war die Aufregung groß, laut Stemmer ging zunächst aber alles gut. Der Sonntag forderte dann jedoch ein Todesopfer: „Der Vorstand der Veteranen- und Kriegerkameradschaft Böbing, der 56-jährige Bergmann Stefan Oettl, hatte sich durch die Ereignisse so sehr aufgeregt, dass ihn abends ein Herzschlag traf.“

Hohenpeißenberg

„Inter arma silent musae“ heißt übersetzt „in Kriegszeiten schweigen die Musen“. Als Pfarrer Josef Kleidorfer aus Hohenpeißenberg seine Eindrücke zu den Kriegswirren aufschreibt, bedauert er, wie negativ sich der Krieg auf den Schulunterricht auswirkte.

„Indem viel kostbare Schulzeit auf Dinge verwendet werden musste, die mit Unterricht nichts zu tun haben.“ Der Lehrermangel bedingte oft den Abteilungsunterricht, „und die vielen Fliegeralarme der letzten Jahre brachten den Unterricht vollends in Verwirrung“. Fliegerbomben sind in der Pfarrgemeinde nicht gefallen.

Granate in der Kirchenmauer

Am Abend des 27. April begann ein Artilleriestreufeuer auf den Hohen Peißenberg. „Soldaten oder Zivilpersonen sind dabei nicht ums Leben gekommen“, beschreibt Kleidorfer. In der Nacht traf aber eine Granate auf eine Betonmauer auf der Nordseite der Kirche. Sie prallte vermutlich ab und schlug einen Meter über dem Boden in die Kirchenmauer ein, in der sie explodierte.

Rottenbuch

Im Sommer 1945 schreibt Pfarrer Andreas Schmidhuber seine Eindrücke zum Kriegsende in der Rottenbucher Pfarrei auf. Er berichtet: „Fliegerangriffe haben hier, Gott sei Dank, keinen Schaden angerichtet, weder an Personen noch an der Kirche.“ Nur am 27. April haben Tiefflieger deutsche Kolonnen beschossen, wobei einige Lastautos in Brand gerieten.

Die Amerikaner marschierten am 29. April von Schongau her in Rottenbuch ein. Schon im Morgengrauen fuhr ein Panzerspähwagen zur Echelsbacher Brücke, um nachzusehen, ob sie intakt sei. „Das war, Gottlob, der Fall. Wenn diese gesprengt worden wäre, hätte sicher unser Ort durch die aufgehaltenen Amerikaner viel zu leiden gehabt“, ist sich Schmidhuber sicher und blickt zum Vergleich auf Schongau, wo man noch die Lechbrücke zerstört hatte.

Im Haus waren noch SS-Soldaten versteckt

Beim Einmarsch der Amerikaner kam in Rottenbuch kein Gebäude und keine Person zu Schaden. „Nur bei einem Haus, zehn Minuten von der Echelsbacher Brücke entfernt, wurde ein evakuierter Münchner erschossen, der neugieriger Weise durch den Fenstervorhang hinausgespäht hatte.“ In dem Hause waren noch SS-Soldaten versteckt gewesen.

Wildsteig

Der Wildsteiger Pfarrer Rupert Mooshamer zählt in seinem Bericht die Opfer auf, die der Krieg in seiner Pfarrei forderte: Von 750 Einwohnern waren dort ungefähr 130 Mann eingerückt. „26 Krieger sind gefallen. Drei Krieger haben einen Fuß verloren. Ein Krieger hat einen Fuß verloren und den anderen bis zur Ferse. Viele Männer sind leichter beschädigt. 22 Krieger sind seit längerem vermisst.“ Hinzu kommen 42 Soldaten in Kriegsgefangenschaft.

Bei den Fliegerangriffen fielen nur wenige Bomben auf Wildsteig, und nur auf unfruchtbaren Boden. Am 29. April fuhr das erste amerikanische Auto vor dem Pfarrhof vor. Die Soldaten – 70 Mann – besetzten den Pfarrhof aber nicht, sondern belagerten Gasthaus, das Postgebäude, Kaufhaus und Schulhaus. Tote gab es keine, Plünderungen kamen laut Mooshammer nur vereinzelt vor. „Kirche und Pfarrhof wurden in keiner Weise beschädigt. Auch Messwein ist nicht abhanden gekommen.“

Die vollständigen Berichte

Die vollständigen Berichte sind online abrufbar auf der Seite des Erzbistums unter www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-59068120.pdf.

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