Nach Raketenbeschuss von beiden Seiten: Pakistan und Iran versuchen die Lage jetzt wieder zu beruhigen

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Belutschistan im Grenzgebiet zwischen Iran und Pakistan hat sich zum neuen Zentrum dschihadistischer Gruppen in Vorderasien entwickelt. Ihnen, nicht Pakistan, habe der Angriff vergangene Woche gegolten, beteuert Teheran.

Die regionalen Auswirkungen des gegenseitigen Beschusses zwischen Iran und Pakistan vergangene Woche sind noch nicht absehbar. Am Dienstag hatte Iran pakistanisches Territorium beim Dorf Koh-i-Sabaz angegriffen, einen Tag später reagierte die Atommacht Pakistan mit einem Gegenangriff. Die iranische Attacke galt Stützpunkten der 2012 gegründeten sunnitischen Terrorgruppe Jaish al-Adl, die von pakistanischem Territorium aus agiert.

Der Gruppe werden Verbindungen zum Islamischen Staat nachgesagt. Viele ihrer Mitglieder gehörten davor der mittlerweile aufgelösten Terrorgruppe Jundallah an, die dem Islamischen Staat Treue geschworen hatte. Sie war verantwortlich für eine Straßenbombe in der iranischen Stadt Saravan, mit der im Oktober 2013 13 Revolutionsgardisten getötet wurden. Bereits 2014 hatte Iran mit einer militärischen Operation in Pakistan gedroht, nachdem Jaish al-Adl vier iranische Soldaten entführt hatte. Diese wurden jedoch nach zwei Monaten freigelassen.

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Neue Stützpunkte des Islamischen Staats

Die Geheimdienste Pakistans und Irans behaupten, dass die islamistischen Terroristen der Jaish al-Adl von den USA, Israel und Indien finanziert werden, um Unruhe in der Region zu schüren. Auch der afghanische Zweig des Islamischen Staates, der die Verantwortung für den Bombenanschlag in der iranischen Stadt Kerman Anfang des Jahres übernommen hat, agiert mittlerweile in hohem Maße von Belutschistan aus.

Diese ist in die wirtschaftlich unterentwickelte, mehrheitlich sunnitisch besiedelte pakistanische Provinz Belutschistan und die iranischen Provinzen Sistan und Belutschistan geteilt. Seit Jahren kämpfen belutschische Separatisten der Balochistan Liberation Front (BLF) für einen vereinigten Nationalstaat.

Vom Kommunismus zum Islamismus

Ursprünglich tendierten die belutschischen Separatisten beiderseits der Grenze in den 1970er-Jahren zu kommunistischen Ideen. Seit den 1990er-Jahren geht die ideologische Tendenz allerdings stark in Richtung Islamismus. Damals entstand die militante Gruppe Sipah-e-Rasool Allah (Armee des Propheten Allahs) unter dem iranischen Belutschen Maula Bux Darakhshan, die als erste grenzüberschreitende Einfälle von Pakistan auf iranisches Territorium vornahm.

Ein Motiv der sunnitischen Terroristen ist es, dem schiitischen Iran die Rolle des wichtigsten Gegners Israels streitig zu machen. Bislang leistet die schiitische „Achse des Widerstands“ mit der Hisbollah im Libanon und den Huthis im Jemen die Hauptarbeit bei der militärischen Unterstützung der palästinensischen Hamas. Dahingegen halten sich die mehrheitlich sunnitischen arabischen Staaten zurück.

Islamabad und Teheran: keine Verbindung zum Gaza-Krieg

Der pakistanische Gegenschlag war der erste Luftangriff auf iranischem Boden seit dem Iran-Irak-Krieg 1980–88. Auch er wurde mit dem Kampf gegen Extremismus begründet. In ihren Erklärungen bemühten sich aber beide an Eskalation wenig interessierten Regierungen, jede Verbindung zum Gaza-Krieg zu bestreiten.

Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian erklärte, dass sich die Angriffe gegen eine „iranische Terroristengruppe“ richteten, die von pakistanischem Boden aus agiere: „In Bezug auf Pakistan wurde keiner der Staatsangehörigen des befreundeten und brüderlichen Landes Pakistan von iranischen Raketen und Drohnen angegriffen.“ Iran respektiere selbstverständlich die Souveränität und territoriale Integrität Pakistans. Zugleich betonte er in einem Telefongespräch mit seinem pakistanischen Amtskollegen Jalil Abbas Jilani, dass das Hauptziel die islamische Einheit angesichts der israelischen Intervention in Gaza sein müsse. Auch Jilani betonte die Notwendigkeit, die guten diplomatischen Beziehungen mit dem Nachbarland aufrechtzuerhalten. In Sicherheitsfragen müssten beide Länder verstärkt zusammenarbeiten.

Irans Vorgehen könnte aber auch Vorbote eines verstärkten direkten militärischen Engagements außerhalb seiner Grenzen sein. Ein Krieg zwischen Iran und Pakistan müsse iranischer Analysten zufolge aus den Bombenangriffen zwar nicht zwangsläufig folgen. Möglicherweise könnten die USA Pakistan aber dazu nutzen, den Iran in militärische Konflikte zu verwickeln, schließlich gehört Washington zu den wichtigsten Geldgebern des Landes im „Kampf gegen den Terror“. „Wie Sie sehen können, ist der Iran in der Region nicht sonderlich beliebt“, äußerte US-Präsident Joe Biden vergangene Woche. Und der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, ergänzte, man stehe in Kontakt mit Pakistan und unterstütze dessen Recht auf Selbstverteidigung. Von Shams Ul Haq

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