Nach Trumps Nato-Aussagen: Diskussion über EU-Atomwaffen entbrannt

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Donald Trumps jüngste Nato-Aussagen sorgen für Zweifel. SPD-Politikerin Barley spricht nun über EU-eigene Atomwaffen – und löst eine Debatte aus.

Berlin – Die Debatte über eine nukleare Abschreckung innerhalb der EU ist in vollem Gange. Äußerungen der SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, zu EU-eigenen Atomwaffen führten zu einer kontroversen Debatte. Sie meldete Zweifel an der Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms an. „Angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump ist darauf kein Verlass mehr“, sagte Barley dem Tagesspiegel. Demnach könnten EU-eigene Atomwaffen „auf dem Weg zu einer europäischen Armee also auch ein Thema werden.“

„Was auch immer zur Hölle sie wollen“: Trumps Nato-Aussagen lassen aufhorchen

Hintergrund der Debatte sind die Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten, Donald Trump, in Bezug auf die Nato. Bei einer Wahlkampfveranstaltung kündigte er an, Nato-Partner, die nicht genug in die Verteidigung investieren, im Ernstfall nicht vor Russland beschützen zu wollen. Er wolle Russland „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“.

Die Beistandspflicht sieht vor, dass bei einem Angriff auf ein Nato-Land die Bündnispartner jede Form der Hilfe leisten müssen, um „die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten“. Die Infragestellung der Nato-Beistandspflicht Trumps führte zu Empörung in den USA und Europa. Besonders, weil der Ex-Präsident im November erneut zur US-Wahl 2024 antreten will.

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, brachte nach Trumps Nato-Äußerungen EU-Atomwaffen ins Spiel – und entfachte eine Debatte. (Montage) © Matt Rourke/dpa, Jonas Walzberg/dpa

„Unter dem Dach der Nato weiterdenken“: Lindner weicht von Scholz-Linie bei nuklearer Abschreckung ab

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach sich, wie SPD-Politikerin Barley, für ein Umdenken aus. „Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der Nato weiterzudenken“, schrieb er in einem Gastbeitrag für die FAZ. Er setze dabei auf eine Kooperation mit Frankreich und Großbritannien. Der französische Präsident Emmanuel Macron habe bereits verschiedentlich Kooperationsangebote vorgetragen, so Lindner weiter.

Damit weicht Lindner von der bisherigen Linie von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ab, der eine Debatte über einen Kurswechsel bei der nuklearen Abschreckung der Nato bisher ablehnt. Diese basiert derzeit fast ausschließlich auf den US-Atomwaffen. Großbritannien und Frankreich sind daneben die einzigen beiden anderen Nato-Staaten, die über solche Waffensysteme verfügen.

Nukleare Abschreckung in der EU: Neben Kritik auch Zuspruch aus der Union nach Barley-Vorstoß

Die Unionsfraktion sieht die Äußerungen von Barley zu möglichen EU-Atomwaffen hingegen anders. Sie verlangte von Bundeskanzler Olaf Scholz, sich klar zu positionieren. „Da diese Äußerung von der früheren Justizministerin und gerade gewählten Spitzenkandidatin der SPD stammt, muss Kanzler Scholz für Klarheit sorgen“, sagte Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) dem Tagesspiegel. Es sei unklar, ob es sich auch um die Position der Bundesregierung und der SPD handle.

Der CDU-Politiker warf zudem einige Fragen auf: „Wie soll das angesichts der völkerrechtlichen Bindung Deutschlands überhaupt realisiert werden? Ist das mit Frankreich, das ja schon Atomwaffen besitzt, abgesprochen? Meint der Kanzler, dass die Abschreckung amerikanischer Waffen durch ein vergleichbares EU-Arsenal ersetzt werden kann?“

Gleichzeitig zeigte sich jedoch der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber, offen für einen europäischen Nuklearschirm. „Europa muss militärisch so stark werden, dass sich keiner mit uns messen will“, sagte er der Bild. „Dies bedeutet, wir brauchen Abschreckung. Zur Abschreckung gehören Nuklearwaffen.“ Es sei der richtige Moment, den Schutzschirm neu zu denken, „jetzt, da Donald Trump die Rolle der USA als Schutzmacht offen infrage stellt“, erklärte Weber weiter.

„Brandgefährliche Eskalation“: Parteiinterne Kritik an Barleys EU-Atomwaffen-Aussagen

Barley muss sich nach ihren Aussagen auch parteiintern Kritik gefallen lassen. Gegenüber dem Tagesspiegel stufte SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner die Überlegungen über EU-Atomwaffen als gefährlich ein. Nukleare Aufrüstung in Europa oder gar Deutschland als nukleare Verfügungsgewalt seien nicht die richtige Reaktion auf eine mögliche Wiederwahl Trumps zum US-Präsidenten. Vielmehr sei es „eine brandgefährliche Eskalation der Lage Europas.“

Auch die Linke kritisierte den Vorschlag der SPD-Spitzenkandidatin scharf. „Die richtige Antwort auf Trumps Unsinn ist nicht atomare Aufrüstung, sondern eine Politik der Deeskalation und zivilen Konfliktlösung“, sagte Linken-Chef Martin Schirdewan der Nachrichtenagentur AFP. Mehr Atomwaffen würden die Welt nicht sicherer machen – „im Gegenteil, mit allen Atombomben, die es derzeit gibt, kann man die Welt mehr als 150-mal auslöschen“, sagte er weiter.

Nuklearer Schutzschirm in der EU: Frankreich bietet Gespräche an

Kanzler Scholz machte nach den Drohungen Trumps erneut klar, dass er auf das bisherige Nato-Abschreckungssytem setzt. „Wir haben eine funktionierende Nato, eine sehr gute transatlantische Partnerschaft. Dazu gehört auch das, was wir an nuklearer Zusammenarbeit entwickelt haben“, sagte er am Montagabend auf einer Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk in Berlin. Deutschland ist an der sogenannten nuklearen Teilhabe beteiligt, indem es Kampfflugzeuge vorhält, die in Deutschland stationierte Atomwaffen im Ernstfall vorhalten würden. 

Frankreich ist nach dem Austritt Großbritanniens aktuell das einzige EU-Land mit Atomwaffen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte Deutschland und anderen EU-Ländern bereits mehrfach angeboten, Gespräche über eine neue europäische atomare Abschreckung zu führen. Bislang gab es auf das vage Angebot keine große Resonanz – das könnte sich mit Blick auf die anstehende US-Wahl und den Ukraine-Krieg womöglich aber bald ändern. (dpa/hk)

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