Sorge nach Äußerung von Donald Trump zur NATO: „Bei allen schrillen die Alarmglocken“
„Steadfast Defender“, Sicherheitskonferenz und Treffen in Brüssel: Das NATO-Bündnis demonstriert Einigkeit. Doch Äußerungen von Donald Trump torpedieren das. Nicht das einzige Problem, sagen Experten.
Berlin – Die Zeichen stehen auf Abschreckung. 90.000 Soldatinnen und Soldaten aus 32 Staaten proben bis Mai den Ernstfall. „Steadfast Defender 2024“ heißt das Ganze: „Standhafter Verteidiger“. Es ist das größte NATO-Manöver seit dem Ende des Kalten Kriegs. Die Sicherheitslage in Europa ist so angespannt wie lange nicht und die Botschaft vor allem an Russland unter Wladimir Putin lautet: Das Bündnis ist verteidigungsfähig. Genau darüber werden auch die NATO-Verteidigungsminister am Donnerstag bei einem gemeinsamen Treffen in Brüssel sprechen. Ausgerechnet in diesen Tagen schießt Ex-US-Präsident Donald Trump quer: Die USA würden säumige NATO-Länder nicht beschützen, so Trump bei einem Wahlkampfauftritt. Er würde Russland „sogar ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“.
Nach NATO-Aussage von Donald Trump: „Dem Letzten muss klar sein, dass die USA nicht länger unsere Schutzmacht sein wollen“
Noch ist das hohles Wahlkampfgetöse. Doch Verteidigungsexperten werden hellhörig. „Die NATO ist auch gegenwärtig das potenteste Verteidigungsbündnis der Welt und verfügt über großes Abschreckungspotential. Diese Aussage gilt aber explizit nur, weil die USA sich bisher umfangreich im Bündnis einbringen“, sagt Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gegenüber IPPEN.MEDIA. Angesichts der jüngsten Äußerungen aus den USA zur NATO „muss nun dennoch auch dem Letzten in Europa klar werden, dass die USA nicht länger bedingungslos unsere Schutzmacht sein können und wollen“, so Hahn.
Amerika habe neben Europa auch jenseits des Pazifiks mit anderen Herausforderungen zu tun: „Die Biden-Jahre wurden trotz neuer Bedrohung an der NATO-Ostgrenze nicht wirklich genutzt, um sich auf die neue Rolle Europas vorzubereiten und mehr Verantwortung zu übernehmen“, glaubt Hahn. Das könne sich bald rächen: „Wenn nämlich Putin spürt, dass Europa nicht in der Lage ist, sich konventionell selbst zu verteidigen.“
Abschreckungspotenzial der NATO: Bundeswehr „fehlt es an Qualität und Quantität“
Die Bundeswehr etwa sei gegenwärtig nicht ausreichend aufgestellt, um im Rahmen der Landes- oder Bündnisverteidigung erfolgreich zu agieren, so Hahn: „Es fehlt an Qualität und Quantität. Personell wie materiell sind wir von der Vollausstattung meilenweit entfernt. Hinzu kommt, dass nun relevante Fähigkeiten wie die Luftverteidigung oder Munitionsvorräte erst aufgebaut werden müssen.“ Anfang der Woche erst war der Bau einer neuen Munitionsfabrik von Rheinmetall in Niedersachsen begonnen worden. Unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war beim obligatorischen ersten Spatenstich dabei. Ein Symbolakt, der den aktuellen Stellenwert der Munitionsproduktion verdeutlichen soll.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sieht die Lage etwas optimistischer als Unions-Politiker Hahn. „Wir haben soeben 100 Milliarden in die Hand genommen, um die Bundeswehr zu modernisieren. Das wird uns in den nächsten Jahren auch gelingen“ so Strack-Zimmermann gegenüber IPPEN.MEDIA. „Entscheidend aber ist in einem Bündnis, dass jeder seine Aufgabe bestmöglich erfüllt. Deswegen ist es auch sehr gut und wirkungsvoll, dass jetzt das größte NATO-Manöver seit 1989 läuft.“ Das Abschreckungspotenzial der NATO sei sehr groß, erst recht durch den Beitritt Finnlands und perspektivisch Schwedens. „Mit dem Generalsekretär Jens Stoltenberg ist auch jemand an der Spitze, der unmissverständlich klarmacht, dass die NATO es nicht zulassen wird, dass eines ihrer Partner folgenlos angegriffen wird“, so die FDP-Verteidigungsexpertin.
100 Milliarden Euro für die Bundeswehr: „Ziel ist, schnellstmöglich ‚kriegstüchtig‘ zu werden“
Wolfgang Hellmich, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte zu IPPEN.MEDIA: „Deutschland hat in den vergangenen zwei Jahren große Anstrengungen unternommen, um seine Verteidigungsfähigkeit zur verbessern. Von den 100 Milliarden aus dem Sondervermögen sind mittlerweile zwei Drittel vertraglich gebunden.“ Mit der Rüstungsindustrie seien Rahmenverträge geschlossen worden, um künftig „deutlich schneller die notwendigen Rüstungsgüter zu beschaffen“, so Hellmich. Das gelte insbesondere für Munition: „Das Ziel ist, schnellstmöglich militärisch durchsetzungsfähig, sprich ‚kriegstüchtig‘, zu werden.“
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Große Sorge vor US-Wahlen: Nach Äußerungen von Donald Trump „schrillen bei allen Beteiligten die Alarmglocken“
Mit großer Sorge schaue man jedoch auf die US-Präsidentschaftswahlen im November. „Gerade nach den jüngsten Äußerungen von Präsidentschaftskandidat Donald Trump schrillen bei allen Beteiligten die Alarmglocken“, so Hellmich. Es sei klar, dass Europa ohne die USA derzeit nicht verteidigungsfähig wären: „Alle europäischen NATO-Staaten zusammen könnten den Ausfall der USA aus dem Bündnis nicht kompensieren.“ Europa müsse mehr tun und besser kooperieren. „Dieses Thema spielt vermutlich eine große Rolle sowohl auf dem Treffen der NATO-Verteidigungsminister am Donnerstag als auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz am kommenden Wochenende.“
Die Bundesregierung sei allerdings in der Pflicht, zu handeln, so Unions-Verteidigungsexperte Florian Hahn: „Es wird vor allem für Deutschland höchste Zeit, den vielen warmen Worten auch endlich Taten folgen zu lassen.“ Es liege allen voran an Scholz und Pistorius, zu liefern, „und damit Deutschland, die NATO und auch das transatlantische Verhältnis zu stärken“.