Mehr Naturkatastrophen: Wie sich Deutschland auf den Klimawandel vorbereitet

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Mit dem Klimaanpassungsgesetz bereitet sich Deutschland auf Hochwasser und Hitzewellen vor. Sind die Klimawandel-Folgen also nicht mehr aufzuhalten?

Berlin – Am Ende ist es Darwin, der die Klimapolitik prägt: Survival of the fittest – wer am besten angepasst ist, überlebt. Der alte Grundsatz der Evolutionslehre wird zum Credo im Umgang mit dem Klimawandel. Im vergangenen November hat die Bundesregierung das Klimaanpassungsgesetz beschlossen, Mitte des Jahres soll es in Kraft treten. Das Ziel: „Wir müssen wieder zum Grundkonsens zurückkommen, dass wir die Menschen in unserem Land vor den dramatischen Folgen der Klimakrise schützen müssen“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) seinerzeit. Die Pläne der Ampel-Koalition sehen vor, Bund, Ländern und Kommunen verbindliche Strategien und städtebauliche Maßnahmen vorzuschreiben – zum Beispiel gegen Hochwasser oder Hitzewellen. Von der Abwendung des Klimawandels ist kaum mehr die Rede. Ist Anpassen gleichbedeutend mit Aufgeben?

Klimawandel: „Auch eine globale Erwärmung von 1,5 Grad wird spürbare Folgen mit sich bringen“

Nein, sagt Diplom-Geografin Catharina Fröhling. Sie forscht zum Thema und koordiniert das Projekt „Anpassung an den Klimawandel“ beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI). „Klimaanpassung ist keine Form von Defätismus, sondern eine notwendige Ergänzung zum Klimaschutz“, sagt sie. Das Ziel, die globale Erwärmung zu begrenzen, sei nicht vom Tisch. Aber: „Auch eine globale Erwärmung von 1,5 Grad wird spürbare Folgen mit sich bringen.“

Am Donnerstag erst hat der Klimawandeldienst Copernicus der Europäischen Union mitgeteilt, dass die Erderwärmung erstmals über einen Zeitraum von zwölf Monaten durchschnittlich über 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter lag. Was das langfristig konkret bedeutet, lässt sich an sogenannten Klimazwillingen ablesen. In der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf etwa wird es in wenigen Jahrzehnten so warm sein wie im südfranzösischen Toulouse heute, sagen Forscher. Statt durchschnittlich 23 Grad im August seien es Ende des Jahrhunderts 28 Grad. „Eine Analyse von Klimadaten zeigt, dass sich die Klimate aller Regionen in Deutschland bereits verschoben haben, so dass viele heute ein Klima aufweisen, das vor 50 Jahren 100 bis 600 Kilometer weiter im Südwesten herrschte“, heißt es beim Umweltbundesamt. Solche lokalen Klimaveränderungen können durch räumliche Vergleiche veranschaulicht werden.

„Klimawandel zeigt sich vermehrt auch in den Städten“

In Düsseldorf nutzt man die Vergleichsdaten bereits für erste Maßnahmen, weiß Geografin Catharina Fröhling: „Man hat dort Bahnstrecken begrünt und Wasserstellen für die Bürgerinnen und Bürger installiert, die bei Hitzewellen genutzt werden können. Und die Stadt zeigt das proaktiv bei Klimastadtführungen.“

Allerdings lassen sich nicht alle Maßnahmen auf alle Städte übertragen, weiß Leon Jänicke, Professor für Bauingenieurwesen an der Internationalen Hochschule (IU) in Duisburg. Er sagt: „Der Klimawandel zeigt sich bereits heute und vermehrt auch zukünftig in den Gemeinden und Städten.“ Etwa in Form von Starkregenereignissen und Hochwasser. Aber: „Dasselbe Starkregenereignis kann sich in zwei Städten mit unterschiedlicher Topographie sehr unterschiedlich auswirken“, so Jänicke. Für jede Region muss es also gegebenenfalls unterschiedliche Konzepte geben.

Starkregen und Dürreperioden: Schwammstadt kann helfen

Eine Methode, die sowohl nach Starkregen und in Dürreperioden helfen kann: die sogenannte Schwammstadt. Die Idee: Regenwasser wird lokal zurückhalten und gespeichert – und in niederschlagsarmen Zeiten wieder abgegeben. Zum Beispiel mithilfe von riesigen Wassertanks unter Bäumen. „Dadurch können die zukünftig vermehrt auftretenden längeren Trockenperioden etwas besser überbrückt werden“, erklärt Jänicke. Allerdings befinde man sich mit Forschungen dazu noch sehr am Anfang.

Neue Regeln für den Hochwasserschutz

Anderes Beispiel: extreme Hochwasser wie 2021 im Ahrtal und in NRW. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit für solche extremen Naturereignisse als Folge des Klimawandels künftig ansteigt. Potenziell gefährdete Städte und Gemeinden sollen ihren Hochwasserschutz an einem Jahrhunderthochwasser ausrichten, sprich: Dämme müssen zum Beispiel so beschaffen sein, dass sie auch einer Katastrophe, wie sie aktuell nur einmal in 100 Jahren passiert, standhalten können. „Vielerorts wurde dieser Schutzgrad bereits umgesetzt, etwa im südlichen Allgäu an der Iller“, sagt Jänickes Kollege, der Bauingenieur Timo Heinisch, der ebenfalls an der IU lehrt. Überall dort, wo in den vergangenen 20 Jahren Schäden passiert sind, seien mittlerweile entsprechende Maßnahmen zumindest in Arbeit. Aber: „Der Bedarf ist so riesig, dass noch nicht alle Projekte realisiert werden konnten.“

Das mag auch damit zusammenhängen, dass Fachkräfte fehlen, die solche Projekte umsetzen können, glaubt Geografin Catharina Fröhling. „Der Nachwuchsmangel bei technischen Berufen ist ein Problem. Man kann sagen: Wer sich für einen Ingenieurberuf entscheidet, kann sich proaktiv beteiligen, eine lebenswerte Zukunft zu schaffen.“

Ein anderer Faktor: die Kosten. Der sogenannte Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 weggebrochen. Plötzlich fehlen 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz. Dabei müsse man jetzt dringend investieren, sagt Fröhling: „Einer Studie zufolge könnten die Schäden durch Klimawandel-Folgen bis zum Jahr 2050 zwischen 280 und 900 Milliarden Euro kosten. Wenn wir jetzt nicht vorsorgen, ist das irgendwann nicht mehr finanzierbar.“

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