Armut und Verzweiflung: Indigene Völker zahlen den Preis für Russlands Machtspiel in der Arktis

In der russischen Arktis kämpfen indigene Völker wie die Dolganen ums Überleben. Viele Dörfer leiden unter chronischen Nahrungsmittelknappheiten, berichtet die „Moscow Times“.

Die indigene Aktivistin Kseniia Bolshakova erzählt, dass ihre Schwester in Khatanga in der Region Krasnojarsk seit Monaten kaum genug zu essen hat. Da alle Lebensmittel eingeflogen werden müssen, bilden sich nach jeder Lieferung lange Schlangen vor den Geschäften. Um Hamsterkäufe zu verhindern, wird die Ware rationiert.

Verlorene Traditionen und neue Probleme

Die Dolganen, ein Volk mit etwa 8.000 Menschen, lebten einst nomadisch und betrieben Rentierhaltung, Fischfang und Beerenpflücken. Heute halten nur noch wenige Familien an diesen Traditionen fest. Gründe dafür sind die Folgen der sowjetischen Zwangsumsiedlung, staatliche Vernachlässigung und Umweltprobleme wie Klimawandel und Verschmutzung.

Viele ziehen in Städte, wo sie jedoch auf neue Probleme stoßen: Es fehlt an fließendem Wasser, Heizung und medizinischer Versorgung. In Bolshakovas Heimatdorf Popigai gibt es weder eine Kanalisation noch eine Wasserversorgung. Im Sommer wird Wasser mit Traktoren geliefert, im Winter holen die Bewohner Eisblöcke aus dem Fluss. 

Geopolitik statt Hilfe

Russland präsentiert die Arktis als strategisch wichtiges Gebiet und hofft auf Investitionen aus den USA und China. Laut der „Moscow Times“ sollen Rohstoffe wie seltene Erden und neue Schifffahrtsrouten erschlossen werden.

Doch die indigenen Völker profitieren davon nicht. Stattdessen verschärfen sich ihre Probleme. Aktivisten wie Lana Pylaeva kritisieren, dass Russland die Arktis wie ein „Niemandsland“ behandelt, das ausgebeutet werden soll.

Indigene Völker in Russland (Symbolbild)
Indigene Völker in Russland (Symbolbild) picture alliance / ZUMAPRESS.com | Denis Kozhevnikov

Umweltzerstörung durch Industrie

Die Ausbeutung der Bodenschätze zerstört auch die empfindliche Natur der Arktis. Laut Pylaeva führt der Abbau von Mineralien dazu, dass die dünne Vegetationsschicht der Tundra zerstört wird. Dies beschleunigt das Auftauen des Permafrosts und setzt Treibhausgase frei. Auch die Fischbestände leiden unter der Verschmutzung durch die Industrie, was traditionelle Lebensgrundlagen weiter gefährdet.

Hoffnungslosigkeit und Assimilation

Die sozialen Probleme in den arktischen Dörfern sind gravierend. Alkoholismus ist weit verbreitet, während Lebensmittel oft abgelaufen und überteuert sind.

Bolshakova befürchtet, dass indigene Gemeinschaften durch Umsiedlungen in größere Städte weiter geschwächt werden könnten. Dort droht eine schnelle Assimilation in die russische Mehrheitsgesellschaft. „Am Ende bleiben von den Dolganen nur noch der Name und die Erinnerung“, so ihr ernüchterndes Urteil.