Experten diskutieren am Bewegten Donnerstag im Regler-Haus über Natur im urbanen Raum

  1. Startseite
  2. Bayern
  3. Augsburg & Schwaben
  4. Kreisbote Kempten

Kommentare

Die Diskutanten: (v. l.) Christoph Wegner, Gerti Epple und Thomas Blodau. © Architekturforum

Ausgangspunkt dieses Bewegten Donnerstages zum Miteinander von Mensch und Tier war das derzeitige „Kunst-am-Bau“-Projekt von Rahel Seitz am ReglerHaus.

Kempten – Das Architekturforum Allgäu gestaltete den Bewegten Donnerstag im ReglerHaus in Kooperation mit dem Kempten-Museum. Rahel Seitz‘ Projekt „Von Hühnern, Menschen und neuen Verbündeten“ wirft neben vielfältigen weiteren Aspekten auch die Frage nach der Beziehung von Mensch und Tier im städtischen Raum auf.

In seiner Einführung stellte Moderator Franz G. Schröck vom Architekturforum dar, wie in anderen Kulturen eine diesbezügliche Co-Habitation bis in unsere Tage zur Selbstverständlichkeit gehört. Bei uns waren Nutztiere in städtischen Selbstversorgergärten bis in die Nachkriegszeit hinein gebräuchlich, die seitdem fortschreitende industrielle Herstellung von Nahrungsmitteln hat zu einer entsprechenden Entfremdung geführt. Ebenso ist unsere Beziehung zu Wildtieren im städtischen Kontext fast gänzlich verlorengegangen, der massive Rückgang der Artenvielfalt und das Verschwinden von Rückzugsorten auch an Gebäuden (wie Profilierungen, Nischen und Ritzen) sind Grund dafür.

Optimistischere und pessimistischere Sichtweisen beim Bewegten Donnerstag im ReglerHaus

Thomas Blodau, Vorsitzender der Ortsgruppe Kempten-Oberallgäu des Bundes für Vogel- und Naturschutz, konnte dies vollumfänglich bestätigen. Die Vogelzählungen belegen dies eindeutig. 50 Prozent der Vögel in Bayern seien in den letzten 30 Jahren verschwunden, was am dramatischen Rückgang des Insektenbestandes aufgrund fehlender Biodiversität liege. Selbst der Spatz (Haussperling) stehe schon seit Jahren auf der Liste der gefährdeten Arten.

Christoph Wegner, Gartenlandschaftsbauer aus Frickenhausen, hatte einen Strauß Wildblumen mitgebracht und hielt dazu ein flammendes Plädoyer für mehr Mut zu Wildnis in unseren Städten. Der Mitgestalter etwa des „Hortus Natura“ am Kemptener Bachtelweiher oder des Gartens an der St.-Markus-Kirche im Thingers nennt die Klimakrise eine „Menschen-Krise“ und drängt auf mehr Naturverständnis, die es zur Selbstverständlichkeit macht, mit Wild- und Nutztieren wieder ein engeres Verhältnis zu pflegen.

Gerti Epple, Wildkräuterfrau und Beauftragte des Kemptener Stadtrates für Umwelt, Landwirtschaft und Klimaschutz schloss sich dem an und pochte aufs „Einfach tun“, so wie sie dies mit einigen Mitstreitern jahrelang mit ihrer Heidschnucken-Schafherde in einem Gemeinschaftsgarten am Kemptener Stadtrand praktiziert hatte. Man solle Verantwortungen nicht bei anderen suchen, sondern selbst aktiv werden. Christoph Wegner sprach in diesem Zusammenhang vom Begriff der „Allmende“, also früherer innerörtlicher Gemeinschaftsflächen, für die sich die Stadtbewohner unmittelbar verantwortlich fühlen.

Artenvielfalt: In Kempten hat sich was bewegt

Auf Wegners Feststellung hin, dass sich Stadtverwaltungen in Sachen Biodiversität und Artenvielfalt sehr unterschiedlich aufgeschlossen fühlen, sprach Thomas Blodau den städtischen Mitarbeitern in Kempten Lob aus, vieles hätte in letzter Zeit in richtige Bahnen gelenkt werden können. Er vertrat auch die Auffassung, dass die nachwachsende Generation wieder verstärkt an die Dinge herangeführt werden sollte: „Nur was man schätzt, darum kümmert man sich!“

Betreute Räume für Tauben

Gerti Epple berichtete vom Ansinnen eines in Gründung befindlichen Vereins, der sich mittels betreuter Räumlichkeiten um die Tauben in der Stadt kümmern möchte. Dadurch werde die Gesundheit der Tiere durch gezielte Fütterung verbessert, der Kotanfall in der Stadt vermindert und die Population sei durch Ei-Entnahmen gut zu steuern. Damit werde dem römischen Kulturtier in der Römerstadt Kempten wieder Rechnung getragen, was bei der anschließenden Diskussion mit dem Pub­likum auch zu anderslautenden Meinungen führte.

Gast Manuela Härtl-Hiller lenkte den Fokus aber wieder auf die Kernfrage des Abends: Nämlich wie wir hinsichtlich der Artenvielfalt im urbanen Raum weiterkommen? Gerti Epple und Thomas Blodau zeigten sich hoffnungsvoll, wenn viele Menschen wieder sensibilisiert werden können, Christoph Wegner warf ein, dass unsere Gesellschaft mit allen Bestrebungen eigentlich schon viel zu spät dran wäre.

Diesen Umstand spiegelt auch das Bürgerbegehren für mehr Artenvielfalt – der Volksmund spricht vom Bienen-Begehren – in Bayern wider, für das sich 2019 1,7 Millionen Bürgern ausgesprochen hatten. Seither ist viel passiert, allerdings stehen von 32 in der Folge gesetzten Indikatoren nach fünf Jahren lediglich neun auf „grün“.

kb

Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

Auch interessant

Kommentare