„Überschreitet Grenze des Erträglichen“: Wieder eskaliert Ampel-Zoff – Wut entlädt sich über Lindner
Der Haushalt 2025 steht – oder doch nicht? Christian Lindner will „weitere Gespräche“. Den Koalitionspartnern passt der Vorstoß gar nicht.
Berlin – Dieser verflixte Haushalt 2025 lässt die Ampel einfach nicht los. Noch gar nicht lange ist es her, da traten Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner nach einer Marathon-Nacht-Sitzung vor die Presse und verkündeten eine Einigung. Schon damals fiel allerdings auf, dass bei der Verkündung des Haushalts-Deals einiges anders lief, als zuvor.
Im Vorfeld der Einigung wurde in der Ampel viel gestritten. Um Kindergrundsicherung ging es da, um Anpassungen beim Bürgergeld, um die sogenannte „Rente mit 63“, die der FDP ein Dorn im Auge ist oder eben auch um die Schuldenbremse, die besonders Lindner unbedingt einhalten will. Direkt nach der Verkündung ging der Zoff nahtlos weiter. Besonders Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zeigte sein Unverständnis über die ihm zugesprochenen finanziellen Mittel, die laut ihm gar die von Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ in Gefahr bringen könnten. Beruhigt hat sich die Lage um die Finanzpläne für 2025 noch immer nicht. Im Gegenteil – jetzt kracht es erneut. Und wieder steht Lindner im Mittelpunkt.
Haushalt 2025 lässt es erneut in der Ampel krachen – weil Lindner öffentlich neue Gespräche fordert
Denn der Finanzminister hat nun erneut Gesprächsbedarf über den Bundeshaushalt 2025 angemeldet. Hintergrund ist die Prüfung mehrerer Vorhaben, mit denen die Ampel die Finanzierungslücke im Haushalt um satte acht Milliarden Euro reduzieren will. Schon vor einiger Zeit kam die Sorge auf, dass die Ampel-Pläne nicht vollends rechtssicher sein könnten. Gutachten melden jetzt auch rechtliche und wirtschaftliche Zweifel, besonders an einem Plan, an: ungenutzte Mittel der Förderbank KfW aus der Zeit der Gaspreisbremsen für andere Zwecke im Haushalt zu verwenden.

Lindners Reaktion: Über die Sparmaßnahmen muss neu verhandelt werden. Es seien „weitere Gespräche innerhalb der Bundesregierung sowie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen notwendig“, hieß es aus seinem Ministerium. Dabei brachte Lindners Haus auch Einschnitte bei den Sozialausgaben wieder ins Gespräch. Und schon knallt es in der Koalition erneut.
„Überschreitet Grenze des Erträglichen“: In Haushaltsdebatte entlädt sich SPD-Wut über Lindner
Dass der FDP-Chef seine Bewertung ohne jede Abstimmung in der Regierung vorgenommen und am Tag des großen Gefangenenaustauschs veröffentlicht habe, „das ist rücksichtslos und überschreitet für mich die Grenze des Erträglichen in einer Koalition“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken. Weiter betonte sie, die Bewertung der Gutachten sei „auch in fachlicher Hinsicht eigenwillig“.
Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in der Süddeutschen Zeitung. Obwohl das juristische Hauptgutachten etwa Darlehensmodelle bei der Bahn und der Autobahngesellschaft im Kern für möglich halte, vertrete das Finanzministerium die Auffassung, dass verfassungsrechtliche Zweifel überwiegen. „Wenn es rein fachliche Gründe für diese Auffassung gibt, dann müssen diese Fragen innerhalb der Bundesregierung ohne öffentliches Aufheben geklärt werden. Alles andere führt zur Verunsicherung und erweckt den Eindruck, dass hier Spielchen gespielt werden, die dem Ernst der Lage nicht gerecht werden“, sagte Mützenich.
Haushalt 2025 birgt erneut Zündstoff – betreibt Lindner „Kopf-in-den-Sand-Politik“?
Der Fraktionschef wehrte sich auch dagegen, das Haushaltsproblem nun von der Regierung auf das Parlament zu verschieben. „Bereits in der Vergangenheit hat sich bei einigen Ressortchefs eine Haltung herausgebildet, Probleme und Ungereimtheiten dem Bundestag zu überantworten, ohne selbst Verantwortung tragen zu wollen“, sagte Mützenich. „Ich erwarte daher, dass die Regierung beim neuen Haushalt zu einer kompetenten und einvernehmlichen Entscheidung kommt.“
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Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warf Lindner eine „Kopf-in-den-Sand-Politik“ vor. „Ein Finanzminister kann nicht nur Vorschläge verwerfen, er muss Lösungen entwickeln“, betonte er. Diese dürften aber auf keinen Fall auf Kosten des sozialen Zusammenhalts oder des Klimaschutzes gehen. Mit den Grünen werde es hier kein Kaputtsparen geben.
SPD und Grüne feuern gegen neuen Vorstoß aus Finanzministerium – Lindner wehrt sich
Lindner verteidigte sich. „Ich bin erstaunt, denn auch Sozialdemokraten in Partei und Bundestag wissen ja, dass es drei Prüfaufträge gab und keine politische Verabredung“, sagte der FDP-Chef bei einer Wahlkampfveranstaltung der Brandenburger FDP in Potsdam.
Die Prüfaufträge seien Vorschläge des Kanzleramts gewesen – „die sind verfassungsrechtlich beziehungsweise auch ökonomisch nicht überzeugend, teilweise sogar riskant“, sagte er. Lindner warnte vor Gefahren: „Verfassungsrechtliche Risiken können wir aber nicht eingehen, denn wir haben ja schon einmal aufgrund eines Koalitionskompromisses ein Urteil aus Karlsruhe erhalten. Deshalb kann ich alle nur dazu auffordern, sehr sorgfältig mit unserer Verfassung umzugehen.“ Der Finanzminister zeigte sich zuversichtlich, machte aber auch deutlich, dass die Koalition noch einen Weg vor sich habe.
Debatte um Haushalt 2025: Lindner zofft sich mit Koalitionspartnern – auch Opposition reagiert
Die Opposition brachte angesichts der neuen Turbulenzen eine Verschiebung der Haushaltsberatungen im Bundestag ins Gespräch. „Bis zum 16. August muss die Regierung zeigen, wie sie das 17-Milliarden-Loch stopfen will“, sagte der Chefhaushälter der Union, Christian Haase, der Rheinischen Post. „Andernfalls müssen die Haushaltsberatungen verschoben werden.“ Mitte August sollte der Entwurf eigentlich an den Bundestag weitergeleitet werden, da die Parlamentarier mehrere Wochen brauchen, um das umfangreiche Zahlenmaterial vor einer Bundestagsdebatte durchzuarbeiten.
Christian Lindner dagegen sieht keinen Zeitdruck: „Der Haushalt wird nach jetzigem Plan ja erst Ende November dieses Jahres beschlossen werden, insofern ist da jetzt noch viel Zeit, zu schauen“, sagte er. (han/dpa)