„Ob er das schafft, weiß ich nicht“: Expertin erklärt Knackpunkte des Harris-Trump-Duells
Das TV-Duell Harris gegen Trump könnte die US-Wahl mitentscheiden – und es birgt für beide Risiken. Eine USA-Expertin erklärt IPPEN.MEDIA die Ausgangslage.
Kamala Harris gegen Donald Trump: Das ist die Konstellation vor der US-Wahl – und zugleich eine Premiere: In der Nacht auf Mittwoch (11. September) treffen die beiden erstmals persönlich aufeinander. Vor einem Millionen-Publikum, im TV-Duell.
Nicht jede Fernsehdebatte im US-Wahlkampf habe „wahlentscheidende Wirkung“, sagt USA-Expertin Heike Paul von der Universität Nürnberg-Erlangen. Dieser Termin sei aber sei „außerordentlich wichtig“, gerade wegen der knappen Umfrageergebnisse. Was vom Duell im Sender ABC zu erwarten ist und worauf das Publikum achten sollte, hat Paul IPPEN.MEDIA erklärt.
Harris vs. Trump: Was sind die Ziele der Kandidaten?
Donald Trump: „Man wird sehen, dass Trump versuchen wird, Harris mit all den – wie er meint – negativen Seiten der Biden-Präsidentschaft in Verbindung zu bringen und so zu tun, als sei sie jetzt quasi schon an der Macht und an ihren Aufgaben gescheitert“, erklärt Paul. Erst der Wechsel von Biden zu Harris hatte das Momentum im Wahlkampf wieder verändert. Ein weiterer mutmaßlicher Hebel Trumps, der Expertin zufolge: Harris als „radikal links“ zu brandmarken. „Er nennt sie ja schon ‚Comrade Kamala‘, also ‚Kameradin Kamala‘, um das zu unterstreichen“, erinnert sie.

Kamala Harris: Harris hingegen werde versuchen, sich als Vertreterin der Mitte und Mittelschicht in Szene zu setzen, meint Paul. Auch das Thema Abtreibung und Selbstbestimmung der Frauen werde die Demokratin wohl in den Mittelpunkt stellen. Zu erwarten seien natürlich negative Zuschreibungen für Trump. Eine mögliche Stoßrichtung Harris‘ dabei: „Der alte weiße Mann da in der Ecke, der ist nicht wählbar, weil er erratisch ist, und eigentlich ein Gestriger.“
Harris und Trump im TV-Duell: Auf welche Fallstricke für die Kandidaten sollte das Publikum achten?
Donald Trump: Eine Kernfrage sei, ob es Trump gelingen wird, die Ratschläge seiner Berater vor der Kamera umzusetzen, sagt die Professorin der Amerika-Studien: „Dass er eben nicht ausfällig wird.“ Dem Vernehmen nach sei Trump empfohlen worden, Kamala Harris als „Madam Vice President“ anzusprechen, um Wertschätzung für die Kontrahentin auszudrücken. „Ob er das schafft, weiß ich nicht“, fügt Paul hinzu. „Es wird interessant sein, zu sehen, ob er aus der Rolle fällt.“ Vielleicht werde Harris Trump sogar bewusst provozieren, um dann zu zeigen, dass sie die Geeignetere für das Amt ist.
Kamala Harris: Das größte Problem der demokratischen Kandidatin dürfte Donald Trump heißen. Harris müsse einerseits Lügen Trumps richtig stellen – andererseits aber auch sich selbst darstellen, erläutert die Expertin. Denn verglichen mit Trump sei sie den US-Amerikanern Umfragen zufolge noch wenig bekannt. „Es könnte sehr schwierig werden, Fakten richtigzustellen, ohne die ganze Debatte nur um Trump herum zu führen“, sagt Paul. „Wir alle wissen: Er neigt nicht dazu, sich besonders eng an die Fakten zu halten.“
Ein weiterer Faktor: Für Harris ist es das erste große TV-Duell, für Trump das siebte. Kamala Harris war 2020 zwar gegen Mike Pence im Duell der Vizepräsidentschafts-Kandidaten angetreten. „Mit einer Begegnung mit Donald Trump ist das aber einfach nicht vergleichbar“, warnt Paul. Ihre Vorbereitung sei „intensiv“ gewesen – Trump hingegen habe in den Medien kolportiert, dass er eine Vorbereitung nicht benötige.
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Welche Bedeutung hat das Duell Harris gegen Trump – für den Wahlkampf und in den USA allgemein?
„Es werden sehr viele Menschen zuschauen. Schon der Ort ist hochsymbolisch: Philadelphia war vor Washington die erste Hauptstadt der USA“, erklärt Heike Paul. Zugleich trage das Event als „Wettbewerb“ gesehen: Redezeiten und Ablauf seien streng reglementiert. Ein Publikum im Studio gebe es nicht – insofern komme es ganz auf die Menschen zu Hause vor den Fernsehern und Streams an. Die große mediale Frage, wer „gewonnen hat“, Harris oder Trump, werde dann die Folgetage prägen.
Zugleich sei zu erwarten, dass hervorstechende Szenen und Sätze noch eine ganze Weile als Memes und Zitate in den sozialen Netzwerken kursieren werden. „Es wird also auch darum gehen, ikonische Momente zu kreieren für den weiteren Wahlkampf bis Anfang November“, sagt Paul.
Die Ausgangslage jedenfalls sei sehr offen: Die Unterschiede in den Umfragen lägen noch im Bereich der „Margin of Error“, statistischer Fehlerspannbreiten also. Womöglich habe Harris das „größere Potenzial“, mutmaßt die Wissenschaftlerin. „Weil sie sich noch definieren kann und muss, vor dem großen Fernsehpublikum in Amerika und der ganzen Welt.“ Das könnte aber auch Risiken bergen: Trump werde versuchen, Harris als „defizitär und unfähig“ darzustellen. (fn)