Verschleiß statt Feindbeschuss: Deutsche Haubitze macht Ukraine-Armee viel Ärger
Die deutschen Panzerhaubitzen 2000 schießen im Ukraine-Krieg sehr viel. Deswegen müssen ständig ihre Rohre gewechselt werden – obwohl keine da sind.
Kiew – Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim jüngsten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am vergangenen Freitag neue Waffenlieferungen versprochen. Auf dem US-Stützpunkt Ramstein kündigte er an, noch einmal zwölf Panzerhaubitzen 2000 im Wert von 150 Millionen Euro in das geschundene Land schicken zu wollen. Die eine Hälfte soll noch in diesem Jahr, die andere 2025 auf den Schlachtfeldern des Ukraine-Kriegs eintreffen.
Dort werden die Panzerhaubitzen zwar einerseits wegen ihrer hohen Reichweite, dicken Panzerung und großen Mobilität von den ukrainischen Soldaten geschätzt. Andererseits setzen Verschleiß und Ersatzteilmangel den anfälligen Hightech-Waffen zu: Ein erheblicher Teil von ihnen soll deswegen aktuell außer Gefecht sein, wie die Bild-Zeitung berichtete. Sie berief sich dabei auf zwei ukrainische Artillerie-Kommandeure, deren Einheiten die Panzerhaubitzen seit knapp zwei Jahren in der Ukraine einsetzten.

Panzerhaubitze 2000: Verschleiß soll erheblichen Teil außer Gefecht gesetzt haben
28 Panzerhaubitzen 2000 wurden bisher in die Ukraine geliefert, 14 von Deutschland, acht von den Niederlanden und sechs von Italien. Die Internetseite der Bundesregierung führt – Stand 19. August 2024 – außerdem 18 weitere Selbstfahrlafetten auf, deren Lieferung sich „in Vorbereitung/Durchführung“ befinde. Es handele sich um „aus Mitteln der Ertüchtigungsinitiative finanzierte Lieferungen der Industrie“. „Aus Sicherheitserwägungen“ sehe die Bundesregierung allerdings „bis zur erfolgten Übergabe von weiteren Details insbesondere zu Modalitäten und Zeitpunkten der Lieferungen ab“, heißt es auf der Regierungsseite.
Sobald im nächsten Jahr die unlängst von Pistorius angekündigte Waffenlieferung vollständig eingetroffen ist, könnte das ukrainische Heer also über bis zu 58 Panzerhaubitzen 2000 verfügen. Bundeswehr-Generalmajor Christian Freuding, Leiter des Lagezentrums Ukraine, sagte im September 2023, dass es „den russischen Streitkräften bisher nicht gelungen“ sei, eine Panzerhaubitze 2000 zu zerstören, „obwohl sie ein Top-Target“ sei.
Es ist allerdings unbekannt, ob das noch zutrifft, da die Ukraine keine offiziellen Verlustzahlen veröffentlicht. Die OSINT-Intelligence Plattform Oryx dokumentiert visuell belegbare Verluste der russischen und ukrainischen Streitkräfte. Ihr zufolge wurde bisher in der Tat nur eine Panzerhaubitze 2000 beschädigt.
2025 könnten 58 Panzerhaubitzen 2000 im Ukraine-Krieg zum Einsatz kommen
Die ersten Panzerhaubitzen, produziert von den deutschen Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall, erreichten die Ukraine im Mai 2022. Ihre Wartungsanfälligkeit machte sich beinahe genauso schnell bemerkbar wie ihre Effektivität: Einer der beiden Artillerie-Offiziere, mit denen Bild sprach, gab an, der Verschleiß habe den Geschützen bereits während der Schlacht von Bachmut im Sommer 2022 so schwer zugesetzt, dass seine Einheit „nach kurzer Zeit den Bedarf an Ersatzrohren“ anmeldete.
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Der konnte allerdings nicht befriedigt werden, weil es das Bundesverteidigungsministerium versäumt hatte, frühzeitig Ersatzteilpakete zu bestellen. Wie der Spiegel damals berichtete, sei ein Großteil der 14 deutschen Panzerhaubitzen bis zum Herbst 2022 reparaturbedürftig gewesen. In Bundeswehrkreisen habe man als Grund die hohe Schussfrequenz ausgemacht: Die Ukrainer verschössen bis zu 300 Granaten am Tag, obwohl deutsche Militärs schon 100 Schuss als einen hochintensiven Einsatz erachteten.
Die Abnutzung scheint immerhin mit ein Resultat der beispiellosen Belastung des Waffensystems zu sein und nicht auf seine Minderwertigkeit zurückzugehen. Das Rohr einer Panzerhaubitze 2000 müsse eigentlich „nach etwa 4500 Schuss gewechselt werden“, so Rheinmetall-Chef Armin Papperger im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, „die Ukrainer aber schießen bis zu 20.000 Schuss – eigentlich unmöglich. Andere Rohre wären da längst eingeknickt.“
Das Problem: Ukrainische Panzerhaubitzen 2000 schießen viermal mehr als vorgesehen
Das Problem und seine Ursache sind also bekannt und dennoch kommt man ihm nur langsam bei. Rheinmetall vermeldete im vergangenen Mai, von einem europäischen Kundenland einen „Großauftrag“ für Panzerhaubitze-2000-Rohre „im dreistelligen Bereich“ erhalten zu haben. Dennoch kann es sich ziehen, bis etwaige Rohre in ausreichender Anzahl auf ukrainischen Schlachtfeldern eintreffen, denn laut Rheinmetall werde „im Zeitraum 2024–2029“ geliefert. Bis dahin wolle Deutschland nach Informationen der Bild eine niedrige einstellige Anzahl an Rohren liefern, um den Akutbedarf zu decken.
Doch nicht nur rot glühende Rohre hemmen das Heer von Wolodymyr Selenskyj in seinen Verteidigungsanstrengungen gegen den russischen Ansturm. Ein Wunsch, den die Regierung in Kiew immer wieder äußert, wurde ihr auch beim 24. Kontaktgruppen-Treffen in Ramstein nicht gewährt: der Einsatz weitreichender westlicher Waffen gegen militärische Ziele, die sich in 100 bis 300 Kilometer Entfernung zur Front innerhalb Russlands befinden. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin blieb einsilbig: „Ich glaube nicht, dass eine bestimmte Fähigkeit entscheidend sein wird.“ Auch Pistorius erklärte, dass die Position der Bundesregierung im Hinblick auf den Einsatz von Langstreckenwaffen – Stichwort Taurus – in Russland „unverändert“ bliebe.