„Wir waren der Billige Jakob“: Warngau erhöht die Gewerbesteuer
Nach mehr als 40 Jahren passt die Gemeinde Warngau ihre Hebesätze an. Um die Entscheidung wurde im Gemeinderat hart gerungen – weniger bei der Grundsteuer als vielmehr bei der Gewerbesteuer.
Warngau – Wichtige Einnahmen für die Gemeinde auf der einen Seite, eine Belastung für die Bürger auf der anderen: Steuern zu bemessen, ist eine Gratwanderung. Der Warngauer Gemeinderat hat sich nun erstmals nach mehr als 40 Jahren an den Balanceakt gemacht: Die Hebesätze der wichtigsten Gemeindesteuern werden neu gefasst. Den Beratungen war eine Arbeitssitzung mit Steuerberater vorausgegangen. Bei der Grundsteuer, mit der sich aufgrund der Reform zum neuen Jahr alle Kommunen im Landkreis zuletzt befassten, gab es zumindest in der öffentlichen Sitzung zwar wenig Diskussionsbedarf. Wohl aber zur Gewerbesteuer.
Man habe sich in der Arbeitssitzung darauf geeinigt, den Hebesatz für die Gewerbesteuer von bisher 300 Prozent aufgrund der Haushaltslage „etwas anzuheben“, schickte Bürgermeister Klaus Thurnhuber (FWG) voraus. „Die Gemeinden werden mit Aufgaben betraut, die andere beschließen“, sagte Thurnhuber und sprach etwa den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Grundschüler an, den der Bund ab 2026 sukzessive einführt, ohne den Kommunen die erforderlichen Mittel auszugleichen. Die Gemeinden müssten die Hebel nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen.
Adolf Schwarzer (CSU) sprach sich für eine moderate Anhebung des Hebesatzes aus: „Es ist unfair, Abgaben zu erhöhen, wenn es wirtschaftlich schlecht läuft, aber es muss sein.“ Auch Johann Gillhuber (Draxlhamer Liste) stimmte zu: „Ohne Erhöhung geht es nicht.“ Michael Spannring (Grüne) erinnerte daran, dass die Gemeinde aus den Steuereinnahmen ja auch für die Gewerbetreibenden eine attraktive Infrastruktur schaffe und erhalte und nicht nur vom Staat auferlegte Pflichtaufgaben erfülle.
Während Engelfried Beilhack (CSU) vor allem zu Sparsamkeit bei Ausgaben mahnte, warnte Max Bauer (FWG) eindringlich davor, die Erhöhung mit Blick auf die Haushaltslage zu zögerlich anzugehen. Er plädierte dafür, die Hebesätze an die der Nachbarn Holzkirchen und Valley anzugleichen, die beide 380 Prozent verlangen. „Wir waren der Billige Jakob.“ Die Hebesätze so lange nicht anzutasten, sei nicht vorausschauend gewesen. Eine Erhöhung auf 350 statt auf 380 Prozent würde bedeuten, jährlich auf rund 250 000 Euro zu verzichten. Das sei nicht nachhaltig, denn die Gemeinde könne ihre Pflichtaufgaben nur durch den Verkauf von Grundstücken stemmen. „Was wir uns jetzt nicht trauen zu beschließen, wird uns in Zukunft abgehen“, sagte Bauer. Die Gemeinde habe große Pflichtprojekte wie den Neubau des Feuerwehrhauses und des Kindergartens in Wall unmittelbar vor sich. „Ich sehe keinen Grund, warum wir uns einen niedrigeren Hebesatz als unsere Nachbarn leisten könnten. Grund zu verkaufen, um den Hebesatz zu halten, ist Wahnsinn.“ Er stellte den Antrag, gleich auf 380 vom Hundert zu gehen – und dies bereits fürs laufende Jahr, damit Erleichterung bei der Finanzlage schon ab kommendem Jahr spürbar würde, nicht erst ab 2026.
Barbara Deflorin (CSU) war der Hebesatz-Sprung in Zeiten, in denen die Wirtschaft schwächle, zu viel. „Das macht uns kleinen Betriebe kaputt“, befürchtete sie. Den Vorwurf, man mache kleine Betriebe kaputt, wollten Spannring und Bauer so nicht stehenlassen. Für kleine Personengesellschaften, hielt Spannring dagegen, sei die Anhebung kostenneutral. Diese könnten die Gewerbesteuer 1:1 von der Einkommensteuer absetzen, fügte Bauer an. Auch die Auswirkungen auf Kapitalgesellschaften hielt er für verkraftbar: Der Schritt von 350 auf 380 bedeute einen Anstieg um 2,8 Prozentpunkte von 25,5 auf 28,3 Prozent auf Gewinne. „Das ist ein kleiner Beitrag für unsere Firmen – aber für das, was wir als Gemeinde vorhaben, gibt es keine Alternative“, appellierte Bauer. „Wir können entweder Grund verkaufen oder nichts mehr bauen.“ Man habe die Chance auf eine Erhöhung verpasst, als es der Wirtschaft gut gegangen sei, bedauerte Anton Bader (FWG) den Zeitpunkt. „Jeder will alles haben, alles soll funktionieren.“ Dafür brauche es aber auch Geld.
Mit der Einführung bereits für 2024 konnte sich die Mehrheit mit 12:3 Stimmen – unabhängig davon, dass die Verwaltung die Zulässigkeit eines solchen Beschlusses erst noch hätte prüfen wollen – nicht anfreunden. „Ich halte es nicht für fair, so etwas Mitte Dezember für das ganze Jahr zu beschließen“, sagte etwa Leonhard Obermüller (CSU).
Auch den Sprung um 80 Punkte auf 380 Prozent lehnte das Gremium gegen die Stimmen von Bauer, Anton Bader (FWG), Gillhuber und Spannring ab. Während sich auch für 340 Prozent keine Mehrheit fand (7:8), beschloss der Gemeinderat mit 11:4 die Anhebung des Gewerbesteuer-Hebesatzes auf 350 Prozent.
Dass die Gemeinde Warngau mehr Steuereinnahmen braucht, müsse angesichts der Haushaltslage verständlich sein, meint Bürgermeister Klaus Thurnhuber auf Nachfrage: „Es will ja keiner, dass wir Infrastruktur aufgeben, die ja auch zur Lebensqualität beiträgt. Dazu muss jeder seinen Teil beitragen.“
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Die Abstimmung zu den Grundsteuer-Hebesätzen verlief undramatisch. Die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Flächen bleibt bei den bisherigen 280 Prozent. Eine Mehrheit von 12:3 sprach sich dafür aus, den Hebesatz für die Grundsteuer B für bebaute Grundstücke – zu denen ab Januar auch Wohnhäuser landwirtschaftlicher Anwesen zählen – von bislang 280 auf 240 zu senken, damit die Gemeinde künftig weiterhin in etwa mit denselben Einnahmen rechnen kann wie bisher, mit einem leichten Plus. Das sei das Ziel des Gemeinderats gewesen, erklärt Bürgermeister Thurnhuber auf Nachfrage. Es gebe noch viele Unsicherheiten in den Prognosen. „Eventuell müssten wir nächstes Jahr nachsteuern.“
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