Reicht geplanter Hochwasserschutz in Peißenberg?Scharfe Kritik am Wasserwirtschaftsamt

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Das Rückhaltebecken im Ortsteil Wörth. © Jepsen (Archiv)

Peißenberg investiert viele Millionen Euro in den Hochwasserschutz. Der Ort wäre dann vor den Folgen eines „Hundertjährigen Hochwassers“ geschützt. Und was ist darüber hinaus?

Peißenberg – Bei der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen kommt es in der Regel zu öffentlichen Auslegungen der Entwürfe. Im Rahmen der jeweiligen Verfahren sind unter anderem Träger öffentlicher Belange zu fachlichen Stellungnahmen aufgerufen. Manche Behörden übermitteln dabei zumeist nur angepasste Textbausteine ohne größere inhaltliche Relevanz.

Die Erklärungen werden schließlich vom Gemeinderat zur Kenntnis genommen und abgewogen – bevor sie in der Schublade verschwinden. So zumindest der Normalfall. Als es jedoch in der jüngsten Sitzung des Marktrats um den Bebauungsplan für den neuen „Holzner Druckbehälter“ – respektive „blueFlux“ –Standort ging, ließ die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes aufhorchen.

Keine 100-prozentige Sicherheit gegen Überflutungen bei Starkregenereignissen

Nach den Planungen eines Investors soll westlich der ehemaligen BHS-Stahlbauhalle eine Produktionshalle samt Büros und Mitarbeiterwohnungen entstehen. Das Wasserwirtschaftsamt führte zu dem Projekt aus, dass durch verschiedene Hochwasserschutzeinrichtungen (Regenrückhaltebecken an der Hochreuther Straße und Gewässerausbauten) im Gewässersystem des Stadelbachs das Hochwasserrisiko im überplanten Gebiet zwar reduziert werde – aber: „Nach den Berechnungen der Hochwassergefahrenkarten besteht für das Gebiet dennoch eine Überflutungsgefahr bei Extremereignissen (HQ extrem). Bei Extremereignissen kann auch ein Versagen der Hochwasserschutzanlagen nicht ausgeschlossen werden.“

Im Umkehrschluss heißt das: 100-prozentige Sicherheit gegen Überflutungen bei Starkregenereignissen gibt es nicht – nicht mal für ein Grundstück, wie das westlich der Stahlbauhalle, das gleich neben dem neu errichteten Regenrückhaltebecken liegt. Laut dem für die Bebauungsplanänderung beauftragten Planungsbüro NRT aus Marzling besteht aktuell das Problem, dass es noch keine Daten gibt, wie effektiv sich die Inbetriebnahme des Rückhaltebeckens auf die hydraulischen Abflüsse bei einem „HQ extrem“ auswirken wird. Die Planer werten die Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts lediglich als „Hinweis an den Bauherren“ – also ohne verbindliche Wirkung. Unter anderem empfiehlt die Behörde, die Fußbodenoberkante im Erdgeschoss des geplanten Gewerbestandorts mindestens 25 Zentimeter über der Fahrbahnoberkante respektive dem Gelände festzusetzen.

„Punkte, die das Wasserwirtschaftsamt da anführt, haben Auswirkungen auf den gesamten Ort.“

Im konkreten Zusammenhang kritisierte Walter Wurzinger in der Ratsdebatte, dass dem Bauherrn bei der Errichtung des neuen Firmengebäudes nicht noch mehr Auflagen aufgebürdet werden dürften. Der Gemeinderat der Freien Wähler hob das Thema zudem auf eine höhere Ebene: „Die Punkte, die das Wasserwirtschaftsamt da anführt, haben Auswirkungen auf den gesamten Ort.“

Was Wurzinger damit meinte? Die Gemeinde hat bereits viel Geld in den Hochwasserschutz investiert – und in den nächsten Jahren sollen noch viele Millionen Euro folgen. Auf der Agenda stehen Gewässerausbauten unter anderem am Wörthersbach im Bereich der Bachstraße, Bypassverrohrungen und ein Regenrückhaltebecken in Fendt. Aber die Bauten sind eben in den Planungen bis dato „nur“ auf ein „HQ 100“ plus Klimazuschlag ausgelegt. „Und jetzt kommt das Wasserwirtschaftsamt mit einem ,HQ extrem‘. Wie bescheuert ist das denn?“, machte Wurzinger seinen Ärger über die Behörde Luft. Das Wasserwirtschaftsamt sei bei den bisherigen Hochwasserschutzplanungen stets involviert gewesen. „Und jetzt wird gesagt, dass der Wörthersbach weiterhin ein Risiko sein wird.“

Wurzinger bat die Rathausverwaltung darum, die neue Sachlage mit den für Hochwasserschutzkonzeption beauftragten Planern zu erörtern. Auch die Landrätin solle informiert werden – denn: „Irgendwo muss man mal einen Punkt setzen und die Kirche im Dorf lassen.“ Die Gemeinde brauche nun in puncto „Hochwasserschutz“ Planungssicherheit. „Wenn wir Millionen verbauen, dann muss das Hand und Fuß haben. Andernfalls ist die ganze Schose umsonst“, so Wurzinger. Auch Bernd Schewe (SPD) monierte, dass es sich bei dem „HQ Extrem“ nur um einen „theoretischen Wert“ handeln würde.

Hochwasser ist nicht gleich Hochwasser

Ein 100-jährliches Hochwasser, so heißt es auf der Homepage des Bayerischen Landesamts für Umwelt, tritt laut der Statistik mindestens einmal in 100 Jahren auf: „Es bildet in der Regel auch die Grundlage für den lokalen Hochwasserschutz und die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten.“ Daneben würde das Restrisiko eines extremen Hochwassers verbleiben. Als „HQ extrem“ bezeichnet man in der Fachwelt einen Hochwasserabfluss, der in etwa der 1,5-fachen Abflussmenge eines „HQ 100“ entspricht. Die Einstufung für das „HQ häufig“ stellen in der Regel ein 10-jährliches Hochwasser dar.

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