Wie Hirschvogel den massiven Stellen-Abbau plant – „Müssen jetzt konsequent handeln“
Jetzt hat es Hirschvogel bestätigt: Der Autozulieferer mit Stammsitz in Denklingen und Werk in Schongau baut in Deutschland 500 Stellen ab, davon den Großteil in der Region. Produktions-Kapazitäten sollen ins Ausland verlagert werden.
Jahrelang ging es für Hirschvogel immer nur nach oben, das Komponenten-Werk in Schongau beispielsweise wurde in Rekordzeit ausgebaut und relativ früh für die Elektromobilität fit gemacht. In mehreren Fertigungslinien werden unter anderem Rotorwellen für Elektromotoren produziert. „Doch die Abrufe unserer Kunden bleiben bis zu 60 Prozent hinter den ursprünglich geplanten Stückzahlen zurück“, sagt Davis Fata, Werkleiter in Schongau. „Wir haben Maschinen, die im Dreischichtbetrieb laufen sollten, und nun wird maximal eine Schicht benötigt.“ Das Werk befindet sich bereits seit Juni in Kurzarbeit.
Weil auch die Bestellzahlen der Hersteller nach Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor oder Hybridantrieb unter Plan geblieben sind, musste das Unternehmen reagieren. „Die weltweit tätige Hirschvogel Group ordnet sich neu“, heißt es in einer Pressemitteilung. Derzeit hat das Unternehmen 6200 Mitarbeiter, 3600 davon in Deutschland. In Denklingen sind es derzeit 2100, in Schongau 900 und in Marksuhl/Thüringen 600. Vor einigen Monaten waren es noch weltweit 6500 Mitarbeiter, doch das Werk in Ohio/USA, das schon länger nicht profitabel gearbeitet hat und wo 320 Menschen beschäftigt waren, wurde bereits vor einigen Monaten verkauft.
Wie Hirschvogel den Stellen-Abbau plant – „Müssen jetzt konsequent handeln“
Die Entwicklung des globalen Automobilmarktes, die sinkende Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland und die anhaltende Schwäche vor allem des E-Mobilitätsmarktes – diese toxische Kombination ist laut Hirschvogel ohne Umstrukturierungen nicht mehr zu schaffen. Neben dem Personalabbau werden auch teilweise Kapazitäten nach Polen, Indien und China verlagert, heißt es. „Betroffen sind davon sowohl die Zentralfunktionen und der Verwaltungsbereich des Unternehmens als auch die Produktion.“
Der Plan von Hirschvogel schaut wie folgt aus: Im Denklinger Werk sollen rund 220 Stellen, im Schongauer Werk rund 120 und in Marksuhl rund 30 Stellen eingespart werden. Dazu kommen 130 Stellen in den Zentralfunktionen und im Verwaltungsbereich, die alle drei deutsche Standorte betreffen. Ein Stellenabbau dieses Ausmaßes erfolge erstmals in der Unternehmensgeschichte. „Wir werden versuchen, unserer Verantwortung als Familienunternehmen auch in dieser schwierigen Situation bestmöglich gerecht zu werden“, sagt Matthias Kratzsch, Vorsitzender der Geschäftsführung und erst seit Sommer im Amt.

Rund die Hälfte der Stellen will das Unternehmen einsparen, indem es sich von Zeitarbeitern trennt und einen Großteil der befristeten Verträge auslaufen lässt. Für den Abbau der weiteren Stellen hat Hirschvogel den Betriebsräten einen Vorschlag für ein Freiwilligenprogramm unterbreitet. „Sollten sich nicht genügend Mitarbeitende für das Freiwilligenprogramm melden, müssen wir einen Sozialplan umsetzen, den wir mit den Betriebsräten verhandeln“, sagt Annette Teusen-Eichin, Personalchefin der Hirschvogel Group.
Laut Pressesprecherin Michaela Heinle soll das Programm in Absprache mit dem Betriebsrat möglichst noch vor Weihnachten starten, bis Februar/März soll es abgeschlossen sein. „Wir können noch überhaupt nicht abschätzen, wie viele Mitarbeiter sich vorstellen können, freiwillig auszuscheiden“, sagt Heinle. es werde sicher auch Programme wie Vorruhestand ab 58 Jahren und andere geben, „das werden wir alles mit dem Betriebsrat besprechen“.
Kaum mehr wettbewerbsfähig
Die Nachfrageflaute sei für Hirschvogel wie für alle anderen Unternehmen, die viel Geld in die neue Technologie gesteckt haben, ein Problem. Hinzu komme der hohe Wettbewerbsdruck: „Durch die Preisaggressivität im umkämpften Markt sinken die Gewinnspannen der Komponenten auf ein Niveau, das keine Luft mehr für weitere notwendige Investitionen lässt“, schreibt das Unternehmen.
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Dazu kommen die im internationalen Vergleich hohen Personal- und Energiekosten, weshalb an den deutschen Standorten die Wettbewerbsfähigkeit von Hirschvogel drastisch sinke. „Damit wir global wettbewerbsfähig bleiben, müssen wir in Deutschland von den Kosten runter und Fertigungsumfänge verlagern. International werden wir vor allem in Indien wachsen“, so Kratzsch.
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„Wir müssen jetzt konsequent handeln, um die Zukunft der Hirschvogel Group an all ihren Standorten nachhaltig zu sichern“, sagt der Geschäftsführer für Finanzen, Walter Bauer. Dass es wirklich ums Eingemachte geht, verrät der folgende Satz: „Im Fokus steht dabei zwingend die Erhöhung der Profitabilität, um weiterhin als unabhängiges Familienunternehmen bestehen zu können.“
Gewerkschaft gefragt
Nach den Betriebsversammlungen vergangenen Freitag in den Werken in Schongau und Denklingen hatte die IG Metall anschließend auf den Parkplätzen Info-Flyer verteilt und seitdem viele Anfragen von Beschäftigten bekommen, wie der Bevollmächtigte Karl Musiol sagt. „Wir bieten Gewerkschafts-Mitgliedern, aber auch allen anderen eine gemischte Rechts- und Zukunftsberatung an“, sagte er. Ziel sei es, betroffene Mitarbeiter möglichst an andere tarifgebundene Unternehmen in der Region zu vermitteln, die händeringend nach Fachkräften suchen.