Gericht im Dschungel
Verwunschener Verhandlungstag fürs Verwaltungsgericht im Kirchseeoner Moos. Am Ende kam es zu Kompromissen, auch in einem Fall, der sich zehn Jahre hinzog.
Fast zugewuchert steht ein schwarzer Cadillac unter Bäumen und Büschen. Bei einem Mitsubishi wachsen armlange Pflanzen zwischen den Scheibenwischern hervor. Der Weg für die Beteiligten eines Verfahrens am Verwaltungsgericht München beim Ortstermin führt über ein zugewachsenes Grundstück im Kirchseeoner Moos. Mücken schwirren herum, es ist schwül, die Vögel rufen – eine Szene wie im Dschungel.
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Argument Außenbreich
Auf dem Areal will der Eigentümer zwei Doppelhäuser bauen. Der Vorbescheids-Antrag wurde im Vorfeld abgelehnt, sowohl vom Marktgemeinderat Kirchseeon, als auch vom Landratsamt Ebersberg. Dagegen hatte der Mann geklagt. Korbinian Heinzeller, Richter am Verwaltungsgericht, macht gleich zu Beginn klar. „Die Klage wird keinen Erfolg haben.“ Er verwies auf die Vorgeschichte im Kirchseeoner Moos. Ein Teil des Antrages des Grundstückseigentümers bezieht sich auf den Außenbereich, auch vom Naturschutz gibt es Auflagen. Der Richter sucht den Kompromiss: Die Häuser sollen anders auf dem Grundstück positioniert werden. Auch die Abstände müssen stimmen. „Alle anderen Argumente bringen nichts.“

Eigentümer lenkt ein
Der Eigentümer ist zunächst grundsätzlich gegen den Vorschlag. „Das ist mir alles zu radikal“, erklärte er. „Ich gehe bis zum Bundesgericht.“ Der Rechtsanwalt mit Münchner Kanzlei hatte das Areal schon vor Jahren gekauft. Teilweise wohnt er in dem von Bäumen und Büschen eingewachsenen Häuschen, das auf dem Gelände steht. Schließlich willigt er ein. Er muss alle Nebengebäude auf dem Grundstück abreißen, etwa einen alten Schuppen, der vor lauter Bewuchs kaum mehr zu sehen ist. Zudem muss die Zufahrt ertüchtigt werden. Die alten Autos müssen weg. Er erzählt, er habe sie als Erinnerungsstücke dort abgestellt und gelobt jetzt, aufzuräumen. Das Landratsamt werde nachkontrollieren, kündigt Kreisbauamtsleiter Albin Schenk vor Ort an. Das Gericht zieht weiter.
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Erweiterung statt Neubau
Nur wenigen hundert Meter weiter, mitten im Moos. Bei Anton Reiter ist es aufgeräumter, die Wiese ist frisch gemäht. Massenweise Weinbergschnecken kriechen herum. Man kennt ihn auch als den „Moosrebell“: Er kämpft seit 2014 darum, für seine Imkerei auf dem Moos-Grundstück einen Neubau zur Erweiterung zu errichten, in dem er zum Beispiel Honig schleudern will. Auch ein Fachberater für Bienenzucht wertete damals, vor zehn Jahren, in einem Gutachten gegenüber dem Landratsamt das Vorhaben als „erforderlich, zweckmäßig und sinnvoll“. Die Marktgemeinde war dafür, das Landratsamt hatte Bedenken. Es folgten immer wieder Gespräche, die Sache zog sich zäher als Bienenhonig über die Jahre hin. Und scheiterte: Schließlich lehnte das Landratsamt den Antrag ab. Dagegen klagte Reiter. Richter Heinzeller setzte bei der Vor-Ort-Verhandlung vergangene Woche auf einen Kompromiss.

Kompromiss mit Vorgaben
Der ist jedoch an Vorgaben geknüpft. Auf dem Gelände steht derzeit ein Häuschen mit rund 15 Quadratmetern Fläche, in dem unter anderem bereits eine Honigschleuder untergebracht ist. Zu klein, wenn die Imkerei vergrößert werden soll, sagt Reiter. Angedacht sind 35, 40 oder 45 Völker. Den Schuppen könnte der Eigentümer statt eines Neubaus nun auf etwa 45 Quadratmeter ausbauen. Gleichzeitig muss ein Bienenwagen auf dem Gelände entfernt werden. Und wenn dort nicht mehr hauptsächlich geimkert werden sollte, muss der Abriss folgen. Wer die Imkerei betreibt, ist dabei unerheblich.
Naturschutzbehörde muss noch gefragt werden
Der Kompromiss ist noch nicht gültig. Zunächst muss in den nächsten Wochen die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt prüfen, ob sie Bedenken hat. Das Gericht zieht weiter. Der Dschungel im Moos gehört wieder den Bienen, Vögeln, Mücken und Weinbergschnecken.