Trennung nach 20 Jahren: Warum Sören seiner Ex-Frau heute dankbar ist

Am Dienstagmorgen schlief ich aus. Als ich mich an den Frühstückstisch setzte, waren meine Kinder bereits in der Schule. Ich bestrich mir ein Brot dick mit Marmelade und goss mir Kaffee ein, den ich wie üblich mit mehreren Löffeln Zucker gesüßt trank. Meine Frau kam ins Wohnzimmer und begrüßte mich mit einem "Guten Morgen!". Ich fragte sie, ob es ihr inzwischen gesundheitlich besser ginge. "Nein", antwortete sie. "Nicht wirklich. Ich habe einen Kloß im Hals." 

Das ist ein Buchauszug aus: "Sören und Ich. Wie ich durch eine schwere Krise ein glücklicher Mensch wurde"

Ich blickte sie irritiert an. "Was für einen Kloß?", fragte ich und fühlte mich bereits in diesem Augenblick alarmiert. "Ich muss mit dir reden", sagte meine Frau. Mein Herz geriet aus dem Gleichgewicht. Ich hatte das Gefühl, es würde in meinem Körper gesprengt. "Ich muss mit dir reden" – ich hatte eine Ahnung, dass Gespräche, die mit diesem Satz angekündigt werden, niemals gut enden. Fragen durchkreuzten wie Blitze mein Gehirn: Hat meine Frau eine schwere Erkrankung? Oder möchte sie mir sagen, dass eines unserer Kinder ernsthaft krank ist? Hatte eines meiner Kinder einen Unfall gehabt? Oder verlieren wir unseren kompletten finanziellen Wohlstand? 

"Ich will die Trennung"

Ich stieß in diesem Moment aber auch schon ein Stoßgebet aus: Bitte lass meine Frau nicht sagen, dass sie die Trennung möchte. "Was ist los?", fragte ich angstvoll. Meine Frau antwortete: "Ich liebe dich nicht mehr. Ich will die Trennung." 

Ich erinnere mich daran, dass ich einfach nur dasaß und mir von diesem Moment an vorkam, als würde ich mir selbst in einem Film zuschauen. In einem falschen Film. Oder befand ich mich in einem Alptraum, aus dem ich dringend aufwachen musste? 

Ich starrte meine Frau an. Ich blickte auf das Marmeladenbrot auf meinem Teller. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob ich etwas gesagt habe. Ich glaube, ich war stumm. Ich fühlte mich, als wäre mir ein Blitz ins Gehirn gefahren und als hätte ich zugleich einen Herzinfarkt, einen Gehirnschlag und einen Hörsturz. 

"Ich liebe dich nicht mehr. Ich will die Trennung." Das hatte ich nicht hören wollen! "Ich liebe dich nicht mehr." Das klang endgültig. "Ich will die Trennung." Das klang entschlossen. Das begriff ich in diesen Sekunden, auch wenn ich ansonsten nichts begriff. 

Es fuhr wie ein starker Blitz in meinen Körper

Wie konnte es sein, dass wir nach zwanzig glücklichen Jahren von einer Stunde zur anderen nicht mehr zusammen sein sollten? Hätte man mich am selben Morgen, eine Stunde vor der Mitteilung meiner Frau, gefragt, ob es wahrscheinlicher wäre, dass wir uns eines Tages trennen oder dass bei uns der Blitz einschlägt, hätte ich mit Überzeugung geantwortet, dass es wahrscheinlicher ist, dass ein Blitz einschlägt. 

"Ich liebe dich nicht mehr. Ich will die Trennung" fuhr nun wie ein starker Blitz in meinen Körper und in mein Gehirn. 

Ich redete schließlich irgendetwas. Ich bettelte meine Frau nicht darum an, bei mir zu bleiben, aber ich musste mich sehr zusammenreißen, es nicht zu tun. Als ich aufstand, wankte ich. Ich berührte zärtlich die Hand meiner Frau. Sie schüttelte sacht den Kopf. 

Wie unter Schock ging ich zur Arbeit ins Büro, das damals noch auf der gegenüberliegenden Seite unseres Wohnhauses lag. Ich war sicher, dass ich mich in einem Alptraum befand. Und ich hoffte, gleich daraus zu erwachen. Doch das tat ich nicht. Ich blieb unter Schock. Seither weiß ich, dass sehr schlechte Nachrichten schwere Schocks auslösen können.

Heute bin ich meiner Ex-Frau dankbar

Ein Jahr später postete ich in den sozialen Medien, dass ich meiner Frau dankbar bin. Wofür? Ich war dankbar dafür, diese Zeit nicht nur überlebt zu haben, sondern aus ihr auch als neuer Mensch hervorgegangen zu sein. Nach nur zwölf Monaten war ich jemand geworden, der von vielen nicht mehr auf Anhieb wiedererkannt wurde. 

Einerseits, weil ich über 30 Kilogramm abgenommen hatte, andererseits, weil ich während der Bewältigung meiner Krise sehr viele wertvolle Erfahrungen hatte machen müssen und dürfen. 

Auf keine davon möchte ich heute verzichten, denn sie haben mit zu meiner Transformation beigetragen. Es herrscht landläufig die Meinung: Menschen verändern sich nicht. Das stimmt nicht! Manche Menschen verändern sich. Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Und dafür bin ich meiner Ex-Frau dankbar.

In seinem Buch "Sören und Ich. Wie ich durch eine schwere Krise ein glücklicher Mensch wurde" erzählt Sören Bauer von den emotionalen Herausforderungen nach der überraschenden Trennung von seiner Frau. Anfangs fiel es ihm schwer, über seine Gefühle zu sprechen und Hilfe anzunehmen. Er beschreibt, wie er die Trennung verdrängte, den Auszug hinauszögerte und schließlich professionelle Unterstützung in einer psychiatrischen Klinik suchte. Jede Phase der Verarbeitung brachte ihm wichtige Erkenntnisse, die ihn nachhaltig veränderten. Heute sieht er sich als glücklicheren Menschen und ist dankbar für die Erfahrungen, die ihn durch die Krise zu persönlichem Wachstum geführt haben. Das Buch erschien am 20. August 2025 im Gräfe und Unzer Verlag.

Buchtipp

  • GU Verlag

    Bildquelle: GU Verlag

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