Komplett hohl und trotzdem vital: Bergahorn trotzt allen Widrigkeiten
Wo steht der höchste Baum im Landkreis? Welcher ist der dickste? Unter dem Titel „Von der Wurzel bis zur Krone“ stellen wir besondere Exemplare in loser Reihenfolge vor. Heute: ein Bergahorn im Steinbachtal, der allen Widrigkeiten trotzt.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Wie die Rotorblätter eines Hubschraubers drehen sich die grünen Früchte des Bergahorns, wenn sie in Richtung Erde fallen. Werden sie von einem Windstoß erfasst, landen sie weit entfernt vom „Mutterbaum“. Gerne sammeln Kinder die Früchte vom Boden auf, teilen sie und stecken sie sich auf die Nase. Für Kinder ist das ein Spiel – für den Bergahorn Überlebensstrategie.
Möglichst großflächig und in großer Zahl
Diese Baumart ist häufig im Bergmischwald anzutreffen. Dort sind die Lichtverhältnisse zuweilen schwierig, „weil die Tanne und die Buche in der Lage sind, es sehr dunkel zu machen“, erklärt Revierförsterin Elisabeth Necker. Der Nachwuchs dieser Bäume komme damit zurecht, der des Ahorns nicht. „Da hat der Ahorn wenig Chancen, sich zu verjüngen.“ Darum hat er eine andere Strategie gewählt: Er samt sich wahnsinnig zahlreich an. „Besonders eindrucksvoll ist das an den Isareinhängen zu beobachten“, erklärt die Expertin, mit der wir heute in der Gemeinde Bichl unterwegs sind. „Die Erfolge zeigen sich insbesondere dort, wo die Rehe die jungen Bäumchen nicht zu stark verbeißen: Tausende, ja Millionen kleiner Ahorne wachsen inzwischen an den etwas lichteren Stellen des Waldes.“ Findet er lichte Stellen, kommt er durch. Auch auf Flächen, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind, wachse er gut.
Grün von unten bis oben
Ein Phänomen ist ein Bergahorn, der im Steinbachtal steht: Der Baum ist komplett hohl und trotzdem vital. „Ich bin zufällig an ihm vorbeigekommen und habe ihn ins Herz geschlossen, weil er so besonders ist“, sagt Necker. „Er schaut so ganz anders aus.“ Dafür verantwortlich ist vielleicht eine Steinschlagverletzung, vermutet die Revierförsterin. „Gut möglich, dass so die Fäule in den Baum kam.“ In seinem Inneren haben sich Flechte und Farn angesiedelt. Auch eine frische Wurzel und Rinde lassen sich bei einem neugierigen Blick in die Höhle entdecken. Die Benediktbeurerin vermutet, dass der Bergahorn 120 bis 150 Jahre alt ist. „Wie der sich an der Kante festklammert und noch nicht runtergekippt ist.“ Obwohl der Baum hohl ist, ist er von unten bis hinauf in die Krone grün. Das Hohlsein geniere ihn nicht, meint Necker. Denn die Versorgung, was Nährstoffe und Wasser anbelangt, finde in der Schicht direkt unter Borke statt.

Bergahorne wachsen nicht nur natürlich auf. Seit vielen Jahren werden sie auf einer nicht unerheblichen Fläche gezielt gepflanzt. Necker: „Nach den verheerenden Stürmen Vivian und Wiebke im Jahr 1990, die auch im Oberland große Kahlflächen hinterließen, pflanzten viele Waldbesitzer Bergahorn.“ Warum aber gerade Bergahorn? Als sogenanntes Edellaubholz liefert er sehr wertvolles Holz. Über 4000 Euro pro Kubikmeter Holz wurde 2020 auf einer Versteigerung der Waldbesitzervereinigungen erzielt. Dieses „Spitzenholz“ wird in feinste Scheibchen geschnitten, dem sogenannten Furnier. Aber auch andere Qualitäten sind heißbegehrt. So ist zum Beispiel der traditionelle Wirtshaustisch aus Ahorn. „Der hält wahnsinnig viel aus.“
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Neben seiner Dauerhaftigkeit und Härte ist es die schöne helle Farbe, die das Ahornholz für Möbel, Parkett, Treppen und den sonstigen Innenausbau so wertvoll macht. Auch als Zierholz wird es für Intarsien, Musikinstrumente und für Schnitzereien verwendet. Manchmal hat das Holz ein ganz besonderes Muster. „Da macht die Holzfaser kleine Wellen“, erklärt die Expertin. „Das schaut aus, als ob man Haare durchs Kreppeisen zieht.“ In Fachkreisen wird so ein Ahorn als Riegelahorn bezeichnet – dem man von außen diese Besonderheit nicht ansieht. Dafür muss man erst ein Stück aus der Rinde herausschneiden. „Das ist eine Laune der Natur“, sagt Necker. „Züchten lässt sich so etwas nicht, aber es wird bereits daran geforscht.“
Der Sprinter unter den Bäumen
Der Bergahorn wächst in der Jugend besonders schnell. Nur Esche, Kirsche oder Birke können da mithalten. Gegen Gras und Fröste ist er nicht allzu empfindlich. Damit eignet er sich für die Aufforstung von Kahlflächen besser als die meisten anderen Baumarten. Auch sein stabiles Herzwurzelwerk, das auf geeigneten Böden weit in die Tiefe reicht und die wenigen Krankheiten – zumindest in unserer Region – machen den Bergahorn zu einer pflegeleichten Baumart.
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Er verträgt zunächst viel Schatten, wird mit zunehmendem Alter aber immer lichthungriger. Um wertvolles Holz zu bekommen, muss der Ahorn konsequent gepflegt und durchforstet werden. Wie überall in der Forstwirtschaft ist aber Geduld angesagt: Erst nach 80 bis 100 Jahren ist der Ahorn so dick, dass er sich als Wertholz verkaufen lässt.
Steckbrief
Blatt: fünflappig, am Rand gesägt;
Rinde: abblätternd, gelblich-braun;
Früchte: geflügeltes Nüsschen (Nasenzwicker);
Wurzel: tiefreichende Wurzel (erst Pfahlwurzel-, dann Herz㈠wurzelsystem);
Höhe: maximal 35 Meter;
Altersgrenze: bis 500 Jahre;
Vorkommen im Landkreis: als Begleitbaumart zu Fichte, Buche und Tanne weit verbreitet, in den Alpen bis 1600 Meter, als Einzelbaum bis 1800 Meter;
Holzeigenschaften: leicht zu bearbeiten, mittelhart, zäh, elastisch, im Außenbereich wenig dauerhaft;
Holzpreis: gute Qualität bis 500 Euro pro Kubikmeter, Spitzenpreise: Riegelahorn bis 10 000 Euro pro Kubikmeter, Parkett: bis 150 Euro pro Kubikmeter.