Dominante Mutter mit Herz: Das ist die dickste und älteste Buche im Landkreis
Wo steht der höchste Baum im Landkreis? Welcher ist der dickste? Unter dem Titel „Von der Wurzel bis zur Krone“ stellen wir besondere Exemplare in loser Reihenfolge vor.
Bad Tölz-Wolfratshausen – „Bayern ist ein Buchenland“, sagt Förster Robert Nörr. Und ohne den Menschen gäbe es bei uns im Flachland wohl fast nur Buchenwälder – mit etwas Tanne oder Ahorn. Wer hätte das gedacht, wo doch überwiegend Fichten unsere Wälder prägen? Im Oberland ist laut Nörr nicht einmal jeder sechste Baum eine Buche. Aber der Laubbaum ist fast im gesamten Landkreis wieder im Kommen. Millionen kleiner Buchen und andere Mischbaumarten wachsen, wo die Rehe nicht zu viel verbeißen, inzwischen ganz natürlich auf. „Die gemeinsamen Anstrengungen der Waldbesitzer, der Jagdgenossenschaften, der Jäger und Förster machen sich bezahlt.“
Dominante Mutter mit Herz: Das ist der massereichste Baum im Landkreis
Die wohl dickste und älteste Buche des Landkreises steht in Bad Heilbrunn. Sie ist etwa fünf Minuten vom Ortskern entfernt in einem Wäldchen zu finden und ein ausgewiesenes Naturdenkmal. In der Anordnung vom 17. Dezember 1937 des damaligen Tölzer Bezirksamts heißt es: „Es handelt sich um eine grosse und mächtige Buche, wie sie wenige mehr im Bezirk zu finden sind.“ Der Baum sei besonders schutzbedürftig, „da er in der Nähe des von den Fremden viel besuchten Badeorts Bad Heilbrunn steht“.
Mittlerweile dürfte der Baum mit seiner ausladenden Krone 320 Jahre alt sein. „Ihr geht’s noch ziemlich gut“, meint der Förster, während er in die Höhe blickt. 41 Meter streckt sich die Rotbuche in den blauen Himmel. „Und sie schaut noch super aus“, findet er. Einen Ast hat sie irgendwann einmal eingebüßt. Aber das daraus entstandene Loch bietet Fledermäusen ein Zuhause. Aufgrund ihres Standorts an einem Hang sind auf einer Seite die beeindruckenden Wurzeln gut zu sehen. Allerdings hat der vorbeiführende Weg einen Teil in Mitleidenschaft gezogen. Der Baumriese kann mit einem Superlativ aufwarten: „Er ist der massenreichste Baum im Landkreis, den ich kenne“, sagt der Förster. Die Buche bringt es auf 44 sogenannte Vorratsfestmeter – die Maßeinheit für im Wald stehendes Holz. „Das sind zwei große Lastwagen voller Holz“, veranschaulicht der Experte. Berechnet haben das Forstwissenschaftler der Technischen Universität München.
Buche gibt vor, wer Licht bekommt
Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.
Enorm ist auch die Bedeutung der Buche für den Wald: „Sie wird gern als die Mutter des Walds bezeichnet“, sagt Nörr. Durch ihre nährstoffreichen Blätter verbessere sie den Boden. „Aber gegenüber anderen Baumarten ist sie sehr dominant“, ergänzt Florian Loher, ebenfalls studierter Förster und Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung (WBV) Wolfratshausen. „Und das ist die Mama, die daheim anschafft, auch.“ So gebe auch die Buche im Mischwald vor, „wer unten Licht bekommt und wer nicht“. Außerdem produziere sie Riesenmengen an Samen, sagt Nörr. Bis zu 100 Nachkommen pro Quadratmeter sind möglich. „Sie hat ein unglaubliches Verjüngungspotenzial.“ Allerdings neige die Buche auch dazu, Reinbestände zu bilden und anderen so genannten Lichtbaumarten wie der Eiche oder der Vogelkirsche (sie haben ein sehr schnelles Jugendwachstum, das frühzeitig seinen Höhepunkt erreicht und dann schnell zurückgeht) keine Chance zu lassen.
Man wird gezwungen sein, mehr Verwendungsmöglichkeiten für Laubholz zu finden, weil die Fichte bayernweit massiv auf dem Rückzug ist.
Meine news
Auch wenn für viele die Fichte als der Brotbaum der Forstwirtschaft gilt, bewertet Nörr die Zunahme der Buche als positiv, solange keine Reinbestände entstehen. „Sie ist besser an Trockenheit und Wärme angepasst als beispielsweise die Fichte“, sagt der Fachmann. In unserer Region gebe es nahezu keine Schädlinge, die die Buche angreifen, so Loher. In seinen Augen ist das ein gewaltiger Vorteil. „Man kann den Baum umsägen, die wertvollen Stammteile verkaufen und den Rest einfach liegen lassen“, sagt der Forstwirt. „Das kann man mit der Fichte nicht. Da kommt gleich der Borkenkäfer.“
Früher landete die Buche meistens im Ofen. Ihr Holz sei in den strengen Wintern 2005/2006 und 2018/2019 so stark nachgefragt gewesen, dass nicht genug trockenes Brennholz geliefert werden konnte. Bei Möbeln sei das helle Buchenholz etwas aus der Mode gekommen, berichtet Loher. Aber: Seit neuestem gebe es auch die Baubuche. „Balken aus Buchenleimbindern sind unglaublich schlank und können sehr viel Last tragen.“ Das sei zwar noch relativ teuer. „In München mit Grundstückspreisen von 10 000 Euro pro Quadratmeter rechnet sich das“, nennt der Miesbacher ein Beispiel.
Mit der Fichte bildet sie ein perfektes Duo
Auch in der Diskussion um den Klimawandel gewinne die Buche im Oberland an Bedeutung. „Man wird gezwungen sein, mehr Verwendungsmöglichkeiten für Laubholz zu finden, weil die Fichte bayernweit massiv auf dem Rückzug ist“, sagt Nörr. Allerdings müsse man Laubbäume intensiv pflegen, „damit auch ein wertvolles Holz dabei herauskommt“. Wer zur Fichte ja sagt, müsse auch zur Buche ja sagen, „weil das die ideale Kombination ist“, erklärt Loher.
Des Öfteren sei es so, dass sich „die Fichte an die Buche anlehnen kann, wenn es stürmt“, weil die Buche stabiler stehe. Mit ihren Ästen durchbreche sie außerdem das Kronendach der Fichte. Im Winter könne der Schnee durchfallen, Niederschlag gelange auf den Boden. Der Geschäftsführer der WBV: „In einem reinen Fichtenbestand bleibt der Schnee oben in den Kronen hängen, legt sich wie ein Teppich nieder und drückt die Bestände um.“ Ein perfektes Duo also. Förster Robert Nörr ergänzt: „Und zum Dreiklang fehlt dann noch die Weißtanne.“ (nej)